Angst vor Millionen-Haftungen
Die anstehenden Landtagswahlen in Tirol, Kärnten und Salzburg haben es in den drei Bundesländern ruhig um den Natura-2000-Streit werden lassen. Die EU-Kommission hat, wie mehrfach berichtet, 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet. Sie ortet massiven Nachholbedarf bei der Ausweisung weiterer Natura-Schutzgebiete.
Im Wahlkampf spielte das Thema bislang keine Rolle. Um wie viel es in dieser Auseinandersetzung aber eigentlich geht, hat Kärntens Umweltlandesrat Rolf Holub zuletzt im KURIER-Interview in Zahlen gegossen: Österreich drohen demnach je nach Rechenmodell tägliche Strafzahlungen von 280.000 Euro und aufwärts.
Für Holub ist klar, dass der Bund sich im Falle einer Verurteilung das Geld bei den für die Schutzgebietsausweisungen verantwortlichen Ländern zurückholen würde. Um selbst nicht als zuständiger Landesrat haften zu müssen, will er, wie berichtet, eine Sachverhaltsdarstellung an die Kommission machen. Er sieht sich vom Koalitionspartner ÖVP blockiert.
Die Landeshauptleutekonferenz hat freilich im vergangenen November mit einem gemeinsamen Beschluss ebenfalls auf Blockade geschaltet. Ausgegangen ist die Initiative von Günther Platter (ÖVP). Der Landeshauptmann hat seine Position für Tirols Schutzgebietsstatus schon vor einem Jahr eingemauert: "Es wird keine Nachnominierungen geben."
Oberösterreichs Naturschutzreferent Manfred Haimbuchner (FPÖ) ortet hinter dieser Haltung Taktik. "Das ist Wahlkampf", sagte er kürzlich bei einem Besuch in Innsbruck zum KURIER. "Wenn diese Sache nicht ordentlich abgearbeitet wird, wird es zu einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof kommen. Dieses Vertragsverletzungsverfahren ist ein ganz heikles", erklärt er in Hinblick auf die möglichen Millionen-Strafen.
Die lassen auch Tirols Naturschutzlandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) nicht kalt. "Wenn die Landeshauptleute sagen, dass nichts mehr nachnominiert wird, wird die Haftung bei ihnen liegen müssen", sagt die Noch-Koalitionspartnerin von Platter. Das habe sie auch schon in einer Regierungssitzung deponiert.
Einigung mit Besitzern
Salzburgs Naturschutzlandesrätin Astrid Rössler (Grüne) fürchtet ebenfalls, dass der Bund etwaige Strafzahlungen auf die Länder abwälzen könnte. Im Gegensatz zu Kärnten sei aber nicht der Koalitionspartner das Problem. "Bei neun Gebieten fehlt uns noch die endgültige Zustimmung der Grundeigentümer", sagt Rössler. Sie hofft, bis zu einem Termin mit Vertretern der EU-Kommission im Mai eine Einigung mit den Grundbesitzern zu erzielen.
Auf so eine Einigung pocht auch Kärntens ÖVP-Chef Christian Benger bei umstrittenen Gebieten (siehe Artikel unten) in seinem Bundesland. "Natura 2000 gibt es nur, wenn es Konsens gibt und Holub hat die Eigentümer im Vorfeld nicht informiert", sagt er zu seiner Blockadehaltung.
Benger lässt keinen Zweifel daran, wer die Suppe aus seiner Sicht im Falle von Strafzahlungen auslöffeln müsse: "Holub ist säumig und wenn die EU eine Vertragsverletzung feststellt, kommt er aus dieser Sache nicht heraus, indem er einen Brief an die EU schreibt."
Ende 2017 haben auf Beamtenebene Verhandlungen zwischen Vertretern der EU-Kommission, Bund und Ländern begonnen. Gemeinsam sollen sie eine Möglichkeit finden, um einen Konflikt beizulegen, der für Österreich mit Strafen in Millionenhöhe enden könnte (siehe Artikel oben).
Laut EU-Recht sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, ausreichend Natura-2000-Gebiete zum Schutz von Tier- und Pflanzenarten sowie erhaltenswerten Lebensräumen auszuweisen. Aus Sicht der EU-Kommission ist Österreich dieser Verpflichtung bis heute nicht ausreichend nachgekommen – auch wenn es seit einem 2013 eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren Nachnominierungen in mehreren Bundesländern gegeben hat.
In einem 161 Seiten starken Katalog hat die EU potenzielle Schutzgebiete aufgelistet. Jedes Bundesland hat seine heißen Eisen. In Oberösterreich muss etwa ein geeigneter Lebensraum für den Luchs gewidmet werden. In Salzburg führt eine geplante Starkstrom-Trasse durch ein potenzielles Natura-2000-Gebiet. Ein massives Gezerre gab es in Tirol um die Isel und ihre Zubringer, deren Wasser Begehrlichkeiten von Kraftwerksbauern geweckt hatte. Die inzwischen festgelegte Schutzzone ist Naturschützern wiederum zu klein.
In Kärnten bestand vorübergehen Sorge vor ausuferendem Seenschutz. Nun geht es vornehmlich um potenzielle Natura-Flächen im Nationalpark Hohe Tauern, die zum Teil bewirtschaftet sind. Die ÖVP drängt auf Einigung mit den Grundeigentümern.
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