Angriffe mit Stichwaffen: Mehr Messer, aber nicht mehr Gewalt

Symbolbild.
In Europa nehmen Angriffe mit Stichwaffen zu. Die meisten Taten passieren im engeren Umfeld.

„Zwei Messer-Morde an einem Tag“ oder sogar „1200 Prozent mehr Gewalt-Delikte an Schulen“ lauten derzeit Schlagzeilen. Auch die (leicht) zunehmende Zahl der Angriffe auf Polizisten beschäftigt die Gazetten. Verroht die Gesellschaft also, wie manche nun konstatieren?

Tatsächlich ist die Zahl der Gewaltdelikte seit einem Jahrzehnt konstant, sie schwankt zwischen 40.100 und 44.300 Taten.

Selbst die sogenannte Flüchtlingskrise änderte nichts daran, dass die Gewaltdelikte relativ konstant bleiben. Das besagt die polizeiliche Kriminalstatistik, die von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl verantwortet wird. Dennoch ist die Zahl der Mordfälle in Wien derzeit etwas höher als in den vergangenen Jahren. Aktuell sind es bisher 14 Morde.

Der erste Fall ereignete sich im Jänner, als ein 41-jähriger Mann seine Frau erstochen und sein Kind erwürgt haben soll. Auch der mutmaßliche und besonders grauenhafte Mord an der siebenjährigen Hadish mit einem Brotmesser sorgte für entsprechendes Aufsehen. Dazu kommen weitere Vorfälle mit Messern etwa im Bereich Praterstraße, als ein Afghane vier Personen schwer verletzt hat oder der Angriff auf einen Soldaten im März durch einen Wiener mit ägyptischen Wurzeln. Oder der Angriff vor der Schule Schopenhauerstraße, als ein 16-jähriger auf einen 14-Jährigen eingestochen haben dürfte.

Würde die Schlagzahl an tödlichen Verbrechen bis Jahresende so weitergehen, dann könnte es in der Bundeshauptstadt die höchste Mordrate seit den 90er-Jahren geben. Das klingt auf den ersten Blick schlimm – allerdings ist die Zahl an Morden verglichen mit anderen Großstädten so gering, dass ein statistischer Ausreißer durchaus möglich wäre – oder sich die Mordrate bis Jahresende noch einpendelt. Fest steht, dass österreichweit die Mordrate wieder ansteigt, allerdings war sie 2011 und 2012 noch weitaus höher als jetzt.

Mehr Stichwaffen

Angriffe mit Stichwaffen: Mehr Messer, aber nicht mehr Gewalt

Wirklich auffällig sind dagegen Teilsegmente der polizeilichen Bilanz. Im Jahr 2010 hat die Zahl an eingesetzten Hieb- und Stichwaffen bei Gewaltdelikten schlagartig zugenommen. Waren es bis dahin meist unter 300 Angriffe, sind es seither jährlich rund 650 bis 1150. In den vergangenen Jahren wurden in anderen Ländern wie Deutschland oder Großbritannien ähnliche Trends spürbar. In Kanada wurde kürzlich sogar ein Einfuhrverbot für Messer erlassen, in England wurde der Online-Handel eingeschränkt und auf viele Jugendliche eingewirkt, ihre Waffen abzugeben.

Aufmerksamkeit ist angebracht, akuten Handlungsbedarf gibt es derzeit aber bei Gewalt mit Messern nicht. Auch die Wiener Polizeispitze reagiert nicht auf die mediale Hysterie und sieht momentan noch keinen Grund, mehr als bisher in Sachen Messerattacken einzugreifen. Zu verschiedenartig sind die Delikte gelagert, auch die Klärungsquote ist gut. Auch können Brotmesser kaum verboten werden.

Beziehungstaten

Alle heuer geklärten Mordfälle in der Bundeshauptstadt haben sich jedenfalls innerhalb von Familien zugetragen oder zumindest im unmittelbaren Bekanntenkreis. Auch deshalb passieren die meisten Attacken und Gewaltausbrüche innerhalb der Ethnien. Die Wahrscheinlichkeit, in Wien durch fremde Hand getötet zu werden, ist etwa so hoch wie zwei Lottosechser in einem Leben zu erraten.

Kommentare