Von der Politik fühlten sie sich von Anfang an im Stich gelassen. Keine persönliche Beileidsbekundung, keine Hilfestellung. Dann ein Gedenkstein, auf dem nicht einmal die Namen der Opfer verewigt, geschweige denn die Angehörigen zur Enthüllung eingeladen wurden. Viel zu wenige Antworten auf die Frage: Musste Nedzip wirklich sterben?
Tausende Seiten Akten haben sie gemeinsam mit ihrem Rechtsanwalt Mathias Burger gewälzt. Und sie sind zu dem Ergebnis gekommen: Nein. Hätten die Ermittler die vielen Hinweise ernst genommen, wären die Informationen nicht zwischen den verschiedenen Dienststellen versandet – das Attentat hätte verhindert werden können. Deshalb haben sie sich nun, mehr als ein Jahr später, zu einem großen Schritt entschlossen: Sie klagen die Republik Österreich.
Vor wenigen Tagen wurde die Klage eingebracht. Die Familie fordert 130.000 Euro. „Der Familie geht es nicht um das Geld. Das will sie für wohltätige Zwecke spenden“, betont Anwalt Burger. Doch der Umgang mit den Terroropfern und den Angehörigen, der treffe sie hart. Und auch, dass nach den zahlreichen Ermittlungspannen im Vorfeld niemand die Verantwortung übernommen habe.
In der Klage stützt man sich in erster Linie auf den Bericht der Untersuchungskommission unter der Leitung von Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes. Detailliert wurde darin jedes Versäumnis im Vorfeld des Anschlags aufgearbeitet.
Angefangen vom internationalen Dschihadisten-Treffen in Wien, das sogar vom Verfassungsschutz observiert wurde. Über die Meldung des versuchten Munitionskaufs in der Slowakei – der zwischen den Behörden versandete. Und die verspätete Risikobewertung des Attentäters, der schon einmal in Haft saß, weil er sich dem IS in Syrien anschließen wollte.
Nedzip V. wurde in Nordmazedonien begraben – von dort stammen seine Eltern. Den Verlust kann die Familie noch immer nicht begreifen. „Unser Leben ist nichts mehr wert. Ich habe einen Teil von meinem Körper verloren“, beschrieb es Mutter Keriman V gegenüber Puls 4. Nedzip, ein lebensfroher, junger Mann. Ein gelernter Maler und Anstreicher. Leidenschaftlicher Kicker beim FC Bisamberg.
Die Republik hat einen Entschädigungsfond für die Opfer des Terroranschlags in der Höhe von 2,2 Millionen Euro eingerichtet. Bisher haben sich 71 Personen über die Opferschutz-Organisation Weißer Ring gemeldet. Erste Auszahlungen sind bereits erfolgt. Betroffene können sich weiterhin melden – auch solche, die „nur“ psychische Schäden erlitten haben.
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