Amputation angedroht: Frau flüchtete aus Spital

Symbolbild
Alternative Methode mit Erfolg auf eigene Kosten

Frau P. lag schon fast zwei Wochen in einem Krankenhaus in Oberösterreich, als ihr die Oberärztin eröffnete: Wenn die Nekrose (Absterben der Zellen) an der linken Ferse nicht gestoppt werden könne, bleibe nur noch, das Bein zu amputieren. Das Risiko einer Blutvergiftung sei zu groß.

Frau P. litt an Diabetes, die Wunde am Fuß war eine Folge davon. Ihre Tochter und ihre Schwester hatten sich im Bekanntenkreis und im Internet inzwischen über alternative Behandlungsmethoden erkundigt und waren auf eine Wiener Ärztin gestoßen, die bei solchen Nekrosen eine Madentherapie einsetzt. Im Labor gezüchtete Fliegenlarven werden in einem Beutel auf die Wunde aufgelegt und bauen das absterbende Gewebe ab.

Die Patientin gab dieser Methode gegenüber der schrecklichen Vorstellung, das Bein zu verlieren, den Vorzug. Also forderte sie die Oberärztin auf, die Madentherapie anzuwenden.

Nun ist es nicht so, dass diese Behandlung in dem Spital in Oberösterreich nicht durchgeführt werden könnte. Das Krankenhaus ist unter anderem sogar darauf spezialisiert. Die Oberärztin lehnte trotzdem ab, weil der Fußbrand bei der Patientin noch nicht gebannt war und sie in diesem Stadium eine Madentherapie für nicht sinnvoll erachtete.

Daraufhin verließ die Patientin auf eigene Verantwortung gegen Revers die Klinik, begab sich nach Wien und ließ die Madentherapie durchführen. Mit Erfolg. Die Wunde heilte, das Bein konnte erhalten bleiben.

Nun begehrte Frau P. von der Krankenkasse die privat ausgelegten Behandlungskosten sowie die Reise- und Aufenthaltskosten in Wien. Nach der Ablehnung klagte sie mithilfe der Anwältin Birgit Kaiblinger (Kanzlei Wetzl & Partner), das Verfahren zog sich bis zum Obersten Gerichtshof (OGH). Einmal bekam sie recht, am Ende aber wurde die Klage abgewiesen.

Der OGH hatte die Grundsatzfrage zu klären, ob der Patient ein Recht darauf habe, dass eine bestimmte Behandlungsmaßnahme durchgeführt wird. Antwort: Der Arzt schuldet dem Patienten eine fachgerechte Behandlung, nicht aber einen bestimmten Erfolg. Es kommt ganz auf die Einschätzung des aktuell behandelnden Spitalsarztes an. Das Krankenhaus ist nicht verpflichtet, eine vom Patienten gewünschte Methode entgegen der im Rahmen des medizinischen Kalküls des Facharztes liegende Expertise anzuwenden.

Wenn der Patient sich partout darauf versteift, muss er – notfalls auf eigene Kosten – das Krankenhaus und den Arzt wechseln.

Kein Beweis

Freilich: Hinterher darf dann nicht herauskommen, dass der ablehnende Arzt die Sachlage verkannt hat. Dass die Madentherapie in Wien geklappt hat, ist laut Urteil aber kein solcher Beweis. Es hätte mit anderen Methoden auch im oberösterreichischen Spital noch funktionieren können, heißt es.

Den Ausgang des von Tochter und Schwester weiter geführten Prozesses hat Frau P. nicht mehr erlebt, sie starb (nicht durch den Vorfall ausgelöst) an Herzinfarkt.

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