Alte Beute sucht neue Besitzer

Ölgemälde „Maria vom guten Rath “, 77 x 61 cm, gestohlen in Wien.
Gestohlenes aus den 1970er-Jahren taucht vermehrt wieder auf dem Markt auf.

Heiligenbilder, Altarteile, vergoldete Kelche oder sogar eine 105 Kilogramm schwere Kirchenglocke: Was in heimischen Kirchen und Klöstern nicht gesichert ist, bekommt oftmals Beine. Ein Faktum, das nicht nur den Pfarrern Kopfschmerzen bereitet, sondern auch dem Bundeskriminalamt.

Die Fachfrau für derartige Fälle ist Kunsthistorikerin Anita Gach. Ihr fällt vor allem ein Trend der jüngsten Zeit auf: Verschollene sakrale Kunst kommt plötzlich wieder auf den Markt. "Speziell Gestohlenes aus den 1970er- und 1980er-Jahren taucht wieder auf", sagt die Expertin. Ein großes Problem dabei: Der Diebstahl ist verjährt, die aktuellen Besitzer wissen oft nicht, dass es sich um Diebesgut handelt.

Nachfrage gesunken

Sakrale Kunst ist fast überall zu finden. Auf Flohmärkten, im Internet, in Auktionshäusern. Wobei: "Aktuell ist die Nachfrage eher zurückgegangen. Und die Leute wären eher schlecht beraten, wenn sie mit gestohlener Kunst zu uns kommen", sagt Doris Krumpl vom Dorotheum. Denn vor einer Versteigerung wird die Herkunft geprüft.

Doch selbst hier gibt es Lücken. "Vor einigen Jahren ist eine wertvolle, gestohlene Monstranz in einem Kunstkatalog aufgetaucht", sagt Elena Holzhausen von der Diözese Wien. Es sei oft schwierig, die Herkunft der Gegenstände zu bestimmen. "Das wird über mehrere Händler weitergegeben. Der letzte ist oft ein seriöser. Der Käufer erwirbt das Stück im guten Glauben", erklärt Holzhausen. Oder sie erben die Stücke und wollen sie ohne bösen Hintergedanken zu Geld machen.

Was die Bestimmung der Herkunft zusätzlich erschwert, ist der Umstand, dass es von vielen gestohlenen Gegenständen einfach keine Bilder gibt. "Erst seit rund 15 Jahren machen wir eine Inventarisierung", erklärt Holzhausen. Kommt ein Stück abhanden, wird nun automatisch eine Meldung mit Bild ans Bundeskriminalamt geschickt, das Foto wird in die Interpol-Datenbank eingespeist und zusätzlich im Adlos-Register eingetragen – hier findet sich eine internationale Sammlung gestohlener Kunstgegenstände, auf die alle seriösen Händler und Auktionshäuser Zugriff haben.

Es geht aber auch wesentlich einfacher, Diebesgut loszuwerden. Etwa im Internet. "Das Angebot ist wahnsinnig groß", sagt Kunsthistorikerin Gach. "Vieles ist Klumpert. Aber hin und wieder sind auch gute Stücke dabei. Da brauche ich gar kein Darknet (Bereich im Internet, der nicht mit Suchmaschinen gefunden werden kann, Anm.), um das verkaufen. Hier ist man anonym, das Angebot ist nur für eine gewisse Zeit sichtbar. Und es ist weltweit erreichbar." Die Kulturgutfahnder sind auch hier unterwegs. Doch der Markt ist breit gestreut. Auf der Plattform willhaben.at etwa findet sich ein Ölbild aus einem Seitenaltar mit der Anmerkung: "Kirche leider nicht bekannt."

Einzige wirkungsvolle Maßnahme ist die Sicherung der Gegenstände. Kirchen sind nicht mehr rund um die Uhr geöffnet. Alarmsysteme und Videoüberwachung wurden montiert, teils auch Gitter, und wertvolle Gegenstände fixiert.

Das dürfte Wirkung zeigen. Die Diebstähle in Kirchen und Klöstern gehen deutlich zurück. "Aktuell gibt es drei bis vier Anzeigen jährlich", sagt Holzhausen.

Tausende Schädel und Knochen sind in den Grabkammern unter dem Wiener Stephansdom gelagert, zum Teil bis an die Decke der Katakomben. Unzählige Touristen zieht es alljährlich hierhin. Einigen davon dürfte die Erinnerung an dieses besondere Stück Wien nicht reichen. Obwohl Gitter angebracht wurden, schaffen es Langfinger immer wieder, Knochen oder sogar Schädel herauszufischen und als Andenken mitzunehmen. Die Freude über diese Souvenirs dürfte allerdings nicht lange halten.

Unglücksbringer

„Immer wieder kommen anonyme Pakete bei uns an. Das passiert mehrmals jährlich. Sogar aus den USA kommt die Post“, erzählt Dompfarrer Toni Faber. Der Inhalt: Sterbliche Überreste aus den Katakomben. Begleitet von einem kurzen Schreiben. „Einer hat geschrieben: Der Knochen hat keinen Segen über unsere Familie gebracht, sondern Unglück. Er soll wieder an den Ort der Ruhe zurückkehren.“ Dazu noch die Bitte um Verzeihung und ein Gebet für die Familie.
Aber auch Wertgegenstände verschwinden. „Leider wurden auch Kerzenleuchter aus dem Dom gestohlen. Wir mussten sie jetzt alle anketten. Auch die Bilder sind festgemacht“, schildert Faber.

Vor wenigen Jahren tauchten Mitren ( liturgische Kopfbedeckungen, Anm.), ein wertvoller Bischofsring und ein Grabesritterkelch aus dem Dom im Internet auf. „Ein Priester hat sie gefunden. Sie stammten aus unserem Besitz.“ Jahrzehnte zuvor hatte sie eine Mitarbeiterin mitgenommen, um sie zu restaurieren. Die Frau starb. Die Erben waren der Meinung, es handelte sich um eine Schenkung – und brachten die Gegenstände auf den Markt. Ein Rechtsstreit folgte. „Jetzt sind die Gegenstände wieder in unserem Besitz“, sagt der Dompfarrer.

Kommentare