"Als gäb’s kein Corona": Schwere Vorwürfe gegen Post nach Cluster

CORONAVIRUS: VERTEIDIGUNGSMINISTERIN TANNER BESUCHT POST-LOGISTIKZENTRUM IN HAGENBRUNN - TANNER/PÖLZL
Rechercheplattform zitiert mehrere Post-Mitarbeiter aus dem Verteilerzentrum Hagenbrunn, die einen sorglosen Umgang kritisieren. "Patient null" laut Sanitätsdirektion nicht aus Asylheim.

Am Wochenende bedankte sich Post-Generaldirektor Georg Pölzl noch für die "wertvolle Unterstützung" durch das Bundesheer. Am Montag übernahm die Post wieder den kompletten operativen Betrieb im Postverteilerzentrum Hagenbrunn (NÖ-Bezirk Korneuburg), diesen Freitag soll es auch in Inzersdorf (Wien) soweit sein.

Der Einsatz des Bundesheeres war eine Notmaßnahme, um die kritische Infrastruktur der Post im Osten Österreichs aufrechtzuerhalten. Mitte Mai sind vermehrt Fälle von SARS-CoV-2-Infektionen in zwei Verteilerzentren bekannt geworden. Nach Testungen wurde klar: In Hagenbrunn haben sich 100 der etwa 300 Mitarbeiter mit dem Virus angesteckt, in Inzersdorf waren es 79. Die Berichte vor allem über den Wiener Corona-Cluster dominierten tagelang die Berichterstattung, inklusive Kritik des Innenministers an den Containment-Maßnahmen in der Bundeshauptstadt.

Mehr als 500 Soldaten unterschiedlicher Quallifikation haben laut Heeres-Angaben seit 16. Mai rund 1,5 Millionen Pakete übernommen und weitergeleitet. 29.000 Arbeitsstunden wurden geleistet, was für die teilstaatlich geführte Post einen erheblichen finanziellen Mehraufwand bedeutet.

"Wohlergehen der Mitarbeiter"

Post-Chef Pölzl sagte am Samstag: Durch die Hilfe des Bundesheeres "wurde nicht nur der Betrieb des Logistikzentrums in Hagenbrunn für alle Kundinnen und Kunden sichergestellt, sondern gleichzeitig auch für das Wohlergehen und die Gesundheit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesorgt."

"Als gäb’s kein Corona": Schwere Vorwürfe gegen Post nach Cluster

Georg Pölzl

Für dieses Wohlergehen in der Corona-Krise konnte das traditionsreiche Unternehmen selbst offenbar nicht sorgen, wie nun ein Bericht der Rechercheplattform Addendum nahelegt. Pölzl selbst sagte noch am 23. Mai im KURIER, dass der Post "im Betrieb vorbildliche Maßnahmen attestiert wurden". In der ORF-Sendung "Niederösterreich heute“ erklärte er sich den Corona-Cluster bei der Post so: "In den Aufenthaltsräumen und bei der Anreise der Leiharbeiter in Bussen dürften sich nicht alle an die Bestimmungen gehalten haben."

"Bei uns lief alles so, als gäb’s kein Corona"

Addendum zitierte nun aber mehrere Mitarbeiter aus dem Standort in Hagenbrunn, die Gegenteiliges behaupten:

"Bei uns lief am Anfang alles genauso weiter, als gäb’s draußen kein Corona“, wird eine Mitarbeiterin zitiert. Und: "Es gab zu diesem Zeitpunkt bei uns weder Masken noch Desinfektionsmittel, und wenn die Post das behauptet, stimmt es nicht."

Dies sollen mehrere Mitarbeiter unabhängig voneinander bestätigt haben, anonym, weil sie laut Addendum berufliche Konsequenzen befürchten.

Die Sicherheits- und Quarantänemaßnahmen werden laut der Addendum-Protokolle unter anderem so beschrieben: "Außer Aufrufen zum Händewaschen und ein paar Aushängen war da nichts. Dafür hat es immer wieder Gerüchte gegeben, dass sich Leute infiziert hätten."

Transparent sei darüber nicht informiert worden. "Wir haben lange nicht gewusst, ob und wann sich überhaupt jemand angesteckt hat. Wenn man nicht zufällig mit jemandem, der positiv getestet wurde, befreundet war und der einem Bescheid gab, erfuhr man gar nichts“, wird ein Mitarbeiter zitiert.

Kein Fiebermessen, "sonst drehen sie uns die Bude zu"

Eine Führungskraft habe laut dessen Aussagen folgendes gesagt: "Wir werden doch jetzt nicht mit dem Fiebermessen anfangen, denn sobald wir hier den ersten Fall haben, drehen sie uns sonst die Bude zu."

Addendum gibt an, die Führungskraft namentlich zu kennen und die Aussage von einem weiteren Mitarbeiter bestätigt bekommen zu haben.

Späte Maskenpflicht

Eine Maskenpfllicht in geschlossenen Räumen sei erst zehn Tage nach dem ersten Infektionsfall, am 29. April, erlassen worden, heißt es weiter in dem Bericht. Dies ist auf einem faksimilierten internen Mail zu lesen. Noch am 22. Mai hatte Postchef Pölzl im Ö1-Mittagsjournal auf Vorwürfe mangelnder Hygienemaßnahmen und eine zu spät ausgegebene Maskenpflicht angesprochen, geantwortet: "Alle Themen, die da kolportiert werden, sind nach meinem Wissen falsch und aus der Luft gegriffen."

Eine Sprecher der Post bestätigte in Addendum nur so viel: "Eine Pflicht zum Tragen von Masken gab es mit April."

Der "Fall 0"

Noch ein interessantes Detail taucht in dem Bericht auf. Die lange kursierenden Gerüchte, wonach das Virus in Hagenbrunn durch Leiharbeiter aus einer Asyl-Unterkunft in Wien-Erdberg eingeschleppt worden sei, werden von Niederösterreichs Landessanitätsdirektion entkräftet. Im Gegenteil, wie Addendum zitiert: Der „Fall 0“, den die Sanitätsdirektion am 19. April dokumentieren konnte, sei „ein Mitarbeiter der Post und aus Wien.“

SPÖ kritisiert, FPÖ zeigt an

Auch die Politik schickt Vorwürfe an die Adresse der Post. Scharfe Kritik am wochenlangen "Packerl-Einsatz" des Bundesheeres übte bereits am Dienstag die SPÖ. "Das österreichische Bundesheer ist kein Packerldienst. Das Post-Management hat dafür Sorge zu tragen, dass es genügend Personal gibt und dieses ausreichend vor Viruserkrankungen geschützt ist. Offensichtlich gibt es da große Mängel", sagte SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer.

"Das Management der Post sollte ihre Geschäftspraktiken punkto guter Arbeitsbedingungen, Anzahl der Beschäftigten und Handhabung mit Hygienestandards hinterfragen. Es kann nicht sein, dass erkrankte Leiharbeiter in Spitzenzeiten zum Arbeitseinsatz geschickt werden, mitunter weiteres Personal anstecken und im Notfall, wenn die Belegschaft ausgedünnt ist, die Soldaten im Verteilerzentrum die Pakete sortieren. Das ist aus gesundheitlichen, aus arbeitsrechtlichen und auch aus moralischen Gründen bedenklich", so Laimer.

Die FPÖ erstattet gar Strafanzeige gegen die Vorstände der Post AG. Das kündigte Klubobmann Herbert Kickl am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt an. Als Grund dafür nannte er die "illegale Beschäftigung von Asylwerbern" durch die Post.

Dass die Post Asylwerber einstelle, nähre den Verdacht, dass es seit Jahren systematische Umgehungskonstruktionen gebe. Dadurch würden Dienstgeberabgaben verkürzt, zudem könnten die Beschäftigten unter Kollektivvertrag entlohnt werden. Kickl behauptete auch, die Post tue so, als ob es sich bei den Asylwerbern um selbstständige Subunternehmer handle, diese seien in Wahrheit vollkommen abhängig und vor allem seien sie damit ohne Beschäftigungsbewilligung tätig.

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