Todesfall bei Swiss Air: Diese Fragen sind noch offen

Todesfall bei Swiss Air: Diese Fragen sind noch offen
Erste Untersuchungsergebnisse zum Tod eines Flugbegleiters in Graz lassen viel Raum für Spekulationen

Der nun veröffentlichte Zwischenbericht zu einer im Vorjahr in Graz notgelandeten Maschine der Swiss Air beantwortet kaum offene Fragen, sondern führt eher zu neuen. Denn immer mehr rückt auch die offensichtlich chaotische Evakuierung des Jets in den Vordergrund.

Wie berichtet, war es am 23. Dezember zu einer Rauchentwicklung an Bord des Airbus A220 mit 74 Passagieren auf dem Weg von Bukarest nach Zürich gekommen. Dabei musste die Crew Fluchthauben, sogenannte Smokehoods, aufsetzen. Diese sollen die Crew eigentlich handlungsfähig halten.

Ein Passagiervideo, das derzeit in Expertenkreisen die Runde macht, zeigt den jungen Flugbegleiter jedoch regungslos in seinem Sitz. Offensichtlich war kein Sauerstoff mehr in der Fluchthaube, Hilfe bekam der 23-jährige Tobia B. demnach allerdings vermutlich auch keine. Die Smokehoods müssen jedenfalls nach den internationalen Bestimmungen nur 15 Minuten halten, vom Notfall bis zur Landung vergingen aber mehr als 20 Minuten.

Unklar ist weiterhin, was genau die Ursache für den Rauch in der Kabine war. Fest steht nur, dass das Problem mit den Triebwerken so zum ersten Mal aufgetreten ist. Deshalb ist noch offen, ob auch andere Airbus-Jets davon betroffen sein könnten.

Todesfall bei Swiss Air: Diese Fragen sind noch offen

Smokehood

Smokehoods im Visier

Was genau passiert ist, beschäftigt aktuell die Grazer Staatsanwaltschaft. Wie berichtet, wurden die wichtigsten Beweise, die Smokehoods, einfach in einen Plastiksack gesteckt und unbeaufsichtigt auf dem Parkplatz deponiert. Inwieweit das die Ermittlungen gegen unbekannt behindert, ist vorerst unklar. Untersuchungen zu den Smokehoods sind derzeit noch im Gange, heißt es auch im (nur auf Englisch veröffentlichten) Zwischenbericht.

Laut diesem wurden auch zwei der sechs Notfalltüren nicht geöffnet. KURIER-Informationen zufolge mussten zwei weitere von Passagieren selbst und eine vom Co-Piloten geöffnet werden. Grund dafür war wohl, dass der erst seit wenigen Wochen im Dienst stehende Tobia B. völlig handlungsunfähig und die zwei anderen Flugbegleiter ebenfalls beeinträchtigt waren. Es fehlte offenbar plötzlich das Personal für die geordnete Evakuierung. Offizielle Informationen dazu findet man in dem Dokument allerdings nicht.

Die Ermittlungen durch das Verkehrsministerium selbst sorgen ebenfalls für allerhand Spekulationen. Neben dem eher sorglosen Umgang mit Beweisstücken ist auch unklar, wann die Ermittlungen überhaupt begonnen haben. Laut Untersuchungsstelle (SUB) wurden diese am 23. Dezember gestartet, allerdings wurden die anderen beteiligten Behörden davon offenbar nicht informiert, wie der KURIER und der Aviation Herald berichtet haben. Sie wurden erst eine Woche später, als Tobia B. starb, offiziell in Kenntnis gesetzt.

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg hat gegen die Ermittler der SUB, wie berichtet, bereits wegen deren Verhalten bei den Untersuchungen zum Hagel-Vorfall einer AUA-Maschine im vergangenen Juni Ermittlungen gestartet und die Chef-Ermittlerin zur Beschuldigten wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gemacht. Aktuell ist das Verfahren an die Wiener Staatsanwaltschaft abgetreten, die nun wiederum erst einen Anfangsverdacht für ein Ermittlungsverfahren prüft. Passagieranwalt Wolfgang List sieht jedenfalls bei beiden Untersuchungen zum Lufthansa-Konzern Ungereimtheiten und fordert Aufklärung.

Swiss entlastet die Crew

Bei Swiss heißt es, der Zwischenbericht habe keine neuen Erkenntnisse gebracht, und gegenüber dem Schweizer Blick wurde betont: „Wir legen den Kolleginnen und Kollegen dabei nichts zur Last – dies gilt sowohl für die Cockpit- als auch für die Kabinenbesatzung.“

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Anwalt Wolfgang List

Das Protokoll der Swiss-Notlandung:

Zwischen dem Auftreten erster Probleme und der Landung lagen rund 21 Minuten, geht aus dem Bericht hervor, der von der Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) veröffentlicht wurde. Bei dem Flug am 23. Dezember des Vorjahres lief bis 16.30 Uhr alles planmäßig. Die Maschine, ein Airbus A220, war gerade auf 40.000 Fuß Flughöhe, umgerechnet etwa 12.200 Meter, unterwegs. Um 16.32 Uhr kam es plötzlich zu einer ersten Fehlermeldung im Cockpit der beiden Piloten: Es handelte sich um einen Ausfall des linken Triebwerks. 

Zeitgleich gab es einen lauten Knall, der auch von Passagieren und Flugbegleitern unüberhörbar wahrgenommen wurde. Es gab eine „Master Caution“. Weniger als 30 Sekunden später nahmen die Piloten Rauch im Cockpit wahr und legten ihre Sauerstoffmasken an. Gleich danach, um 16.34 Uhr, ertönte erstmals die „Master Warning“. Kurz darauf erklärte der Kapitän  durch Absetzen eines „Mayday-Calls“ eine Luftnotlage.  

Um 16.36 Uhr verlangten die Piloten von der Flugsicherung eine sofortige Landung auf dem Flughafen Graz-Thalerhof. Die drei Flugbegleiter legten ihre für solche Fälle vorgesehenen „Smokehoods“ an. Um 16.37 Uhr schalteten die Piloten das linke Triebwerk ab. Man flog nur noch mit einem Triebwerk

Um 16.40 Uhr, also acht Minuten nach Auftreten der ersten Probleme und vier Minuten nach Erklärung der Luftnotlage, wurden die Passagiere vom Kapitän über die Situation informiert. Um 16.53 setzte die Maschine auf der Piste 34C  in Graz auf und die Piloten bremsten den Jet rasch ab. 

Etwa 30 Sekunden nach der Landung machte der Kapitän auf Englisch eine Ansage an die Kabinenbesatzung, sich für eine mögliche Evakuierung bereit zu halten. 

Um 16.55 Uhr befahl der Kapitän die Einleitung einer Evakuierung des Flugzeugs über die Notrutschen. Aus Sicherheitsgründen wartete er damit solange, bis das verbliebene rechte Triebwerk abgeschaltet war. Insgesamt wurden vier der sechs Türen des Flugzeuges für die Evakuierung geöffnet. Die Türen vorne und hinten rechts wurden nicht benutzt, geht aus dem Zwischenbericht hervor.  

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