Germanwings-Absturz: Neue Indizien für Technik-Gebrechen präsentiert

Germanwings-Absturz: Neue Indizien für Technik-Gebrechen präsentiert
Doch kein Suizid durch Co-Pilot Lubitz? Luftfahrt-Experte Hradecky präsentiert weitere Hinweise auf ein technisches Problem. Und er erhält Unterstützung von der Fachwelt.

Der Absturz eines Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings vor zehn Jahren gibt neue Rätsel auf. Nachdem der KURIER vergangene Woche enthüllte, dass der Salzburger Flugexperte Simon Hradecky eine neue, acht Jahre dauernde Untersuchung mit einem internationalen Team durchgeführt hat, wird über die neuen, in einer TV-Dokumentation gezeigten Erkenntnisse diskutiert. 

Zahlreiche Medien in Österreich, Deutschland und der Schweiz nahmen Bezug auf den KURIER-Bericht, sogar der englische Wikipedia-Eintrag wurde deshalb umgeschrieben. Und jetzt präsentiert der Fachmann neue Indizien zur möglicherweise anderen Absturzursache:

Hradecky sieht ein technisches Problem statt des bisher angenommenen Suizids des Co-Piloten Andreas Lubitz als Ursache für den Crash mit 150 Toten am 24. März 2015. Nun legt der Fachmann nach: Auch 2017 hat ein Germanwings-Flug auf dem Weg von Sarajevo nach Köln zweimal ohne Piloteneingaben einen Sinkflug begonnen, für ihn ein weiterer Hinweis auf ein technisches Gebrechen. 

Der Vorfall wurde offiziell nie bei den Behörden gemeldet, damals aber vom Aviation Herald ausführlich beleuchtet. (Bericht auf Englisch hier.)

Germanwings-Absturz: Neue Indizien für Technik-Gebrechen präsentiert

Simon Hradecky präsentiert neue Erklärungen in Sky-Dokumentation

Ein zentraler Punkt ist, dass schon beim Hinflug nach Barcelona zehnmal die Flughöhe verstellt worden ist. Fix ist, dass auch dies zumindest nicht an die zuständige Behörden gemeldet wurde. Bei der offiziellen Untersuchung ging man davon aus, dass Andreas Lubitz hier versucht hat, den Selbstmord zu testen. 

Hradecky meint hingegen, das sei ein Hinweis auf das vorhandene technische Problem. Er hat die zehn Änderungen der Flughöhe mit einem Airbus-Piloten im Simulator und in einem echten Jet nachstellen lassen. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass nur vier davon von einem Menschen durchgeführt werden können. Die anderen wären so schnell geändert worden, dass dies ein Pilot niemals schafft, denn dafür muss man ein Rad mehrfach drehen und das auch noch bestätigen. 

Wie berichtet, steuern zwei Computer die Flughöhe des Airbus. Fällt bei einem die Sicherung, kann der andere automatisch die Flughöhe auf 100 Fuß (30 Meter) einstellen. Das zeigt zumindest Hradecky in einer neuen Dokumentation im TV-Sender Sky. Und diese Höhe war auch beim Absturz in den französischen Alpen eingestellt. 

Während es von Airbus oder den französischen Ermittlern weiterhin keine ausführliche Stellungnahme gibt, wird Hradecky von allen nationalen oder internationalen Luftfahrtexperten als zuverlässiger Fachmann eingestuft. In der deutchen Zeit werden die deutsche Kabinengewerkschaft Ufo, die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit oder die Europäische Agentur für Flugsicherheit zitiert. Sie alle greifen auf die Expertisen von Hradeckys Internetseite Aviation Herald zurück, betonen sie.

"Fiktion, Sensationsgier und Halbwahrheiten" hätten dazu geführt, dass zu schnell ein "Monster konstruiert" wurde, meint Luftfahrtexperte Andreas Spaeth. Und Elmar Giemulla, Professor für Luftfahrtrecht an der TU Berlin, ist sich sicher: "Ein Teil der Wahrheit ist verborgen worden." Offene Kritik aus berufenem Munde ist bisher hingegen (noch?) nicht zu finden. 

Lufthansa sieht "alternative Theorie" zu Germanwings-Absturz

Tatsächlich haben in dem Expertenteam mehrere internationale Fachleute ohne Bezahlung mitgearbeitet, Hradecky hat auch eigenes Geld - etwa in den Ankauf - zweier Flugzeug-Computer investiert. Der Salzburger glaubt jedenfalls, dass eine neuerliche unabhängige Untersuchung in Europa kaum möglich ist. Dies könne am besten die australische Behörde durchführen, wo ähnliche technische Gebrechen bereits zweimal untersucht worden sind. 

Bei der Lufthansa meint man hingegen, dem offiziellen Untersuchungsbericht sei nichts hinzuzufügen. Hradeckys Erkenntnisse werden als "alternative Theorie" kritisiert. 

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Hradecky-Buch enthüllt neue Hintergründe des Airbus-Absturz'

Mehrere Hinterbliebene wollen hingegen neue Ermittlungen. Sie kritisieren auch, dass offenbar Handydaten der Opfer gelöscht worden seien. Die Auswertung fehle im offiziellen Bericht genauso wie die Sprachaufzeichnungen aus dem Cockpit, heißt es in einer neuen Sky-Dokumentation. Das Hradecky-Team bezweifelt sogar, dass Lubitz überhaupt im Cockpit saß. 

Die Experten-Gruppe geht davon aus, dass tatsächlich der Pilot im Cockpit alleine war und durch giftige Dämpfe handlungsfähig war. Derartige Vorfälle gab es sehr selten, aber doch - 2015 soll deswegen sogar ein Airbus-Pilot gestorben sein (siehe hier). 

Der erste Teil der neuen Sky-Dokumentation ist gratis zu sehen: