Wie Abwasser die Zukunft der Wärmeversorgung retten kann

Pro Stunde fließen in Österreich 85 Millionen Liter Abwasser mit Temperaturen zwischen 8 und 22 Grad Celsius durch die Kanäle. Diese Wärmeenergie lässt sich für das nachhaltige Heizen und Kühlen von Gebäuden nutzen.
Abwasser und Prozesswasser könnten österreichweit bis zu 25 Prozent des Wärmebedarfs decken.

Abwasser, das bislang oft nur als Abfallprodukt wahrgenommen wurde, könnte sich als Schlüssel für die nachhaltige Wärmeversorgung erweisen.

Experten betonten beim "Insight Talk" des Green Energy Lab – eine Forschungsinitiative für nachhaltige Energielösungen in Wien, Niederösterreich, Burgenland und Steiermark – das enorme Potenzial dieser unterschätzten Energiequelle.

"Abwasser ist eine erneuerbare Energie, die wir direkt vor unserer Haustüre nutzen können", erklärte Klaus Pichler von Rabmer GreenTech. 

  • Pro Stunde fließen in Österreich 85 Millionen Liter Abwasser mit Temperaturen zwischen 8 und 22 Grad Celsius durch die Kanäle. 
  • Das energetische Potenzial: 660 Megawatt, fast so viel wie die Tiefengeothermie. 
  • Laut einer Studie der Wiener Universität für Bodenkultur könnten etwa 10 bis 14 Prozent der Wärmeversorgung im Gebäudesektor allein mit der Abwärme aus dem Kanal oder dem Ablauf der Kläranlage abgedeckt werden.

Abwasser ist erneuerbare Energie 

Die EU stuft seit 2018 die energetische Nutzung von Abwasser als erneuerbare Energie ein.  Die Anwendungen der Wärmerückgewinnung aus Abwasser oder Kühlwasser sind vielfältig und lohnen sich schon ab einer Heiz- beziehungsweise Kühllast von 50 kW – vergleichbar mit einer kleinen Schule oder einem Mehrfamilienhaus mit etwa zehn bis 15 Wohneinheiten.

Ein beeindruckendes Praxisbeispiel liefert das VioPlaza in Wien-Meidling. "Wir kühlen das Gebäude komplett mit Energie aus dem Kanal und decken zugleich ein Drittel des Heizbedarfs", sagte Flora Prenner von Rabmer GreenTech. Solche Projekte sind nicht nur nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich: Die Amortisationszeit liegt oft unter zehn Jahren, allerdings meist nur dank Förderungen. 

Kläranlage heizt Stadt

Die Kläranlage in Gleisdorf zeigt, wie weitreichend die Möglichkeiten sind. Hier liefert Abwasser bereits 18 Prozent der netzgebundenen Wärmeversorgung der Stadt, was dem Bedarf von rund 200 Haushalten entspricht.

Wie Abwasser die Zukunft der Wärmeversorgung retten kann

Pro Stunde fließen in Österreich 85 Millionen Liter Abwasser mit Temperaturen zwischen 8 und 22 Grad Celsius durch die Kanäle. Diese Wärmeenergie lässt sich für das nachhaltige Heizen und Kühlen von Gebäuden nutzen.

"Wenn wir abends duschen, wärmt dieses Wasser am nächsten Tag wieder unser Duschwasser", erklärte Erich Rybar, Geschäftsführer der Feistritzwerke. Mit diesem Ansatz spart die Stadt jährlich rund 1.100 Tonnen CO². Das Projekt wurde im Rahmen des Forschungsprogramms ThermaFLEX realisiert, das vom Green Energy Lab initiiert wurde. Experten sehen ähnliches Potenzial bei über 170 Kläranlagen in Österreich

Im Pinzgauer Ort Wald sorgt Kühlwasser eines Wasserkraftwerks für einen klimafreundlichen Sommerbetrieb des lokalen Fernwärmenetzes. Durch den Verzicht auf Biomassekessel spart die Gemeinde jährlich 1.000 Schüttraummeter Holz und 10.000 Liter Heizöl. 

Wie Abwasser die Zukunft der Wärmeversorgung retten kann

Im Heizwerk Wald im Pinzgau nutzt die Salzburg AG das Kühlwasser des nebenan gelegenen Wasserkraftwerks für die Wärmebereitstellung. Dadurch kann der Kesselbetrieb im Sommer vollständig entfallen und es werden 1.000 Schüttraummeter Biomasse sowie 10.000 Liter Heizöl eingespart.

Das Unternehmen plant bereits, ähnliche Ansätze auf andere Wärmenetze zu übertragen. Öffentliche Gelder aus dem Programm Vorzeigeregion Energie des Klima- und Energiefonds haben wesentlich dazu beigetragen, um diesen Innovationsprozess in Gang zu setzen. Denn die Wirtschaftlichkeit stellt sich bei derartigen Investitionen oft erst nach sehr langen Zeiträumen ein, sagt Christian Pugl-Pichler von der Salzburg AG, und betont: „Ohne Förderung wäre das schwer umsetzbar gewesen“.

Die Demonstrationsprojekte aus Wien, Gleisdorf und Wald im Pinzgau zeigen, wie Abwasser und Prozesswasser zur Dekarbonisierung der Wärmeversorgung beitragen können. „Diese Ansätze bieten enormes Multiplikationspotenzial“, sagte Joachim Kelz vom Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC). Die nächste Herausforderung wird sein, diese Technologien flächendeckend zu etablieren.

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