Abtreibungen in Tirol: Schwarz-Rot einigt sich auf Minimalkompromiss

Eine Frau mit Schwangerschaftstest.
Drei Gynäkologen statt zuletzt nur noch ein Arzt werden künftig Schwangerschaftsabbrüche durchführen. An Spitälern gibt es weiter kein Angebot.

Die Lage sei „jetzt noch prekärer“, lautete 2014 der Befund der damaligen grünen Soziallandesrätin Christine Baur, nachdem zwei von drei privaten Arztpraxen in Tirol ihr Angebot von Abbrüchen ungewollter Schwangerschaften eingestellt hatten.

An der Lage hat sich bis heute nichts geändert – ungeachtet von Bekenntnissen in den schwarz-grünen Koalitionsabkommen, die Versorgungslage verbessern zu wollen.

Nun hat die SPÖ, seit Herbst in Regierungsverantwortung, Bekanntschaft mit den Beharrungskräften in der ÖVP gemacht. Wie die Tiroler Tageszeitung berichtet, hat die Landesregierung einen Kompromiss in der Frage gefunden.

Es ist die Minimalvariante herausgekommen: Künftig sollen drei Ärzte Abtreibungen durchführen. Damit wäre der Status quo von vor einem Jahrzehnt wieder hergestellt. „Es ist ein wichtiger und guter Schritt, dass wir jetzt wenigstens einen Ausbau ermöglicht haben“, sagt SPÖ-Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl zum KURIER.

Zurück in der Debatte

Vor einem Jahr hatte sie das Thema wieder auf die politische Tagesordnung gebracht, indem sie – damals noch aus der Opposition heraus – einen Antrag auf die Einrichtung eines Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbrüche im Landtag eingebracht hatte.

Abtreibungen: Die Lage im Westen Österreichs ist für Frauen prekär

Kurz nachdem im vergangenen Herbst die schwarz-rote Koalition geschmiedet war, ließ dann die frisch ins Amt gekommene SPÖ-Soziallandesrätin Eva Pawlata aufhorchen: Sie erklärte, dass Schwangerschaftsabbrüche „flächendeckend an allen öffentlichen Krankenhäusern“ und kostenlos angeboten werden sollen – mit einem Beratungsangebot, das aber „auf keinen Fall kirchlich“ sein dürfe.

Abtreibungsgegner machten mobil, auch der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler empörte sich. Die ÖVP pfiff die Landesrätin zurück und verwies auf das Koalitionsabkommen.

Darin hatte man sich darauf geeinigt, „einen bedarfsgerechten, niederschwelligen, medizinisch qualitätsvollen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen“ sicherzustellen, „durch den Ausbau des ambulanten Angebotes im niedergelassenen Bereich oder angekoppelt an einer ausgewählten, öffentlichen Einrichtung.“

Schwangerschaftsabbruch: An allen öffentlichen KH in Tirol vom Tisch

Formal ist das Koalitionsabkommen mit einem Ausbau im niedergelassenen Bereich erfüllt. Spitäler sowie ein kostenloses Angebot sind für die ÖVP weiter tabu.

„Es bleibt eine Forderung der SPÖ, Abbrüche an öffentlichen Krankenhäusern anzubieten“, sagt Fleischanderl. Die nun gefundene Lösung sei „pragmatisch“. Von „flächendeckend“ ist diese allerdings auch meilenweit entfernt. Die Abtreibungen sollen nur in Innsbruck möglich sein.

Peripherie benachteiligt

Im Zentralraum um die Landeshauptstadt leben zwar die meisten Menschen. Die Bezirkshauptstadt Lienz in Osttirol liegt aber etwa zweieinhalb Stunden Autofahrt von Innsbruck entfernt.

Noch unmittelbar vor den Landtagswahlen hatten sich Frauenvertreterinnen aller Parteien für kostenlose Schwangerschaftsabbrüche in allen Tiroler Bezirkskrankenhäusern ausgesprochen – darunter auch Fleischanderl und die heutige ÖVP-Gesundheitslandesrätin Cornelia Hagele, die mit Pawlata den nunmehrigen Kompromiss ausgehandelt hat.

Für sie sei vor allem wichtig, dass es „ein handhabbares, erreichbares und medizinisch hochwertiges Angebot gibt“, sagt Hagele. Dass der Weg für Frauen aus dem peripheren Tiroler Raum nach Innsbruck kein kurzer ist, gesteht Hagele ein. „Man wird sich jetzt einmal anschauen, wie sich das entwickelt.“ Was die Kosten – bis zu 800 Euro – betrifft, ist für sie klar:

„Frauen sollen diese Entscheidung selbstbestimmt treffen. Es darf nicht sein, dass sie sich das in so einer Situation nicht leisten können.“ Unterstützung gäbe es aber von einem Härtefallfonds.

Entkriminalisierung

Grundsätzlich müsse aber das Ziel sein, „dass es so wenig ungewollte Schwangerschaften wie möglich gibt.“ Darum werde nun die Beratung in den Schulen ausgebaut. Hagele sagt aber auch: „Wir müssen Richtung Entkriminalisierung gehen.“ Rechtlich betrachtet, ist ein Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate seit Einführung der Fristenlösung in den 1970er-Jahren lediglich straffrei.

Tirol war ab den späten 1960er-Jahren eines der Zentren der sogenannten zweiten Frauenbewegung, die sich für die Fristenlösung einsetzte. Auf Schwangerschaftsabbrüche stand zu jener Zeit noch bis zu fünf Jahre schwerer Kerker.

Die Fristenlösung ist seit 1975 in Kraft. Aber im Westen Österreichs – in Tirol wie in Vorarlberg – ist die Möglichkeit von Frauen im Bundesvergleich weit eingeschränkt. Nur im Burgenland gibt es kein einziges Angebot für Abbrüche, ansonsten gibt es in allen Ländern Möglichkeiten im ambulanten oder hospitalen Bereich.

In Vorarlberg gab es zuletzt ebenfalls nur eine einzige private Arztpraxis, die Abtreibungen durchgeführt hat. Nachdem auch dieser Gynäkologe in Pension geht, will das Land nun  im Personalwohnheim der Krankenhausbetriebsgesellschaft neben dem Krankenhaus in Bregenz eine Praxis als Nachfolgelösung einrichten.

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