10 Jahre Ortstafellösung: Gestürmt, verrückt, beschmiert, normal
Mit einem lauten „Dober dan“ betritt der Mann mit kakifarbener Hose und weißem Hemd, auf dem „Kärnten“ steht, das Bleiburger Stadtamt. „Guten Tag, Herr Landeshauptmann“, hallt es zurück. Das mit dem Landeshauptmann ist lange her. Doch im kärntnerischen Bleiburg ist Gerhard Dörfler genau das für viele nach wie vor. Der Grund jährt sich am Montag zum zehnten Mal.
Am 26. April 2011 sollte in Kärnten der Streit um das Aufstellen von zweisprachigen Ortstafeln enden. Der und der Umgang mit der slowenischen Volksgruppe hatten über Jahrzehnte für Unfrieden gesorgt.
Bis 2011 die damaligen Verhandler, Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ) und Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) sowie die Slowenen-Vertreter Valentin Inzko, Marjan Sturm und Bernard Sadovnik, einen Kompromiss für die zweisprachigen Tafeln in 164 Orten paktierten.
Epizentrum Bleiburg
„Bleiburg war für mich das Epizentrum des Ortstafel-Themas. Wegen der Zusatztafeln, aber natürlich auch der Verrückaktion. Aber da hat mir der Jörg ein Ei gelegt“, sagt Dörfler.
Damit ist der tödlich verunglückte ehemalige Landeshauptmann Jörg Haider gemeint. 2005 entschied der Verfassungsgerichtshof, dass auf den Ortstafeln von Bleiburg und Ebersdorf neben den deutschen Bezeichnungen auch die slowenischen – „Pliberk“ bzw. „Drveša vas“ – anzuführen seien.
Haider erklärte, dies nicht umsetzten zu wollen und verrückte die Ortstafeln um einige Meter. Ein Skandal, begleitet vom Blitzlichtgewitter.
Dass heute in der 4100-Einwohner-Gemeinde Bleiburg etwas nicht zweisprachig angeschrieben wird, ist schwer vorstellbar. Ortstafel, Wahlplakate, die Beschilderung vor dem Stadtamt: Alles auf Deutsch und Slowenisch. Im Stadtamt am Fuße des Petzen sitzt Bürgermeister Stefan Vistoschnig (SPÖ). Seit 18 Jahren im Amt und somit Zeitzeuge.
Zweigeteilte Orte
„Ich weiß nicht, wie oft wir in Wien waren. Bei jeder Sitzung deutete alles auf Durchbruch hin, doch dann war es wieder nur Status quo“, erinnert sich der 69-Jährige. Was sich seit der Lösung verändert habe? „Wir sind freier geworden. Diese Trennung war wie ein Klotz. Es gab Lebensmittelgeschäfte, in die wäre ein Kärntner-Slowene nie gegangen, oder getrennte Kulturvereine“, erzählt der Stadtchef.
Viele, gerade außerhalb Kärntens, hätten die Emotionen unterschätzt, die die Debatte um die Ortstafeln in der Bevölkerung mitgebracht habe. „Wir in Südkärnten wurden als ,die da unten‘ gesehen“, sagt der Bürgermeister. Und Dörfler, der neben ihm sitzt, ergänzt: „Die Tafeln waren etwas Symbolisches, aber die Wunden lagen tiefer, länger zurück.“
Die Bevölkerung sei seit der Lösung zusammengerückt, die Ortstafeln seien kein Thema mehr. Oder wie es Visotschnig formuliert: „Die Ortstafel von Bleiburg wurde öfter verrückt, jetzt ist aber etwas geglückt.“
Ausstellung in Vorbereitung
Nur die Feierlichkeiten zum Jubiläum mussten wegen Corona abgesagt werden. Die Feuerwehr ist nun mit Bannern beschäftigt, die die Eröffnung der Ausstellung „doma/daheim. Unterwegs zu den Kärntner Slowenen“ im Werner Berg Museum ankündigen.
Gleich neben einem dieser Plakate findet sich das „Brauhaus Breznik“. „Da ist er g‘sessen“, sagt Besitzer Stefan Breznik in der rustikalen Gaststube und deutet auf den Eckplatz an der Theke. „Da Jörg. Und oben im ersten Stock haben s’ verhandelt. An das kann ich mich erinnern. Auch wie ich den Gerhard auf dem Wiesenmarkt angeredet habe, ob er nicht bald eine Lösung für das Chaos findet“, sagt der Wirt, und Dörfler, der nur zwei Barhocker vom einstigen Haider-Platz steht, nickt.
"Tschusch" auf Fassade
Breznik ist selbst Kärntner Slowene. Einer, für den es in der Kindheit normal war „der Tschusch“ zu sein. „Und genau dieses Wort haben s’ uns aufs Gasthaus geschmiert“, erinnert er sich. Heute sei alles anders. Reden die Leute von Breznik, dann wegen seines selbst gebrauten Biers.
Und was sagen sie über die Ortstafeln. „Nichts mehr, weil sich manchmal auch die Leut‘ weiterentwickeln.“
56 Jahre Konflikt
Ortstafelsturm
Der Ortstafelstreit und der Umgang mit der slowenischen Volksgruppe sorgten 56 Jahre lang für Unfrieden in Kärnten. Im Staatsvertrag waren zweisprachige Aufschriften im gemischtsprachigen Gebiet vereinbart worden. Eine Definition eines solchen Gebiets unterblieb jedoch. 1972 beschloss die Regierung unter Kreisky eine Grenze von 20 Prozent slowenischsprachiger Bürger und verfügte die Aufstellung. Als die ersten Tafeln standen, gab es den „Ortstafelsturm“. Gegner rissen die Schilder nieder
Ewiges Hin und Her
Es folgte ein jahrelanges Hin und Her, immer wieder wurden Regelungen erlassen und wieder aufgehoben. 2005 meinte man, eine Einigung gefunden zu haben. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) reiste sogar eigens nach Kärnten. Doch die Einigung hielt nicht. Bis im Jahr 2011 dann die Lösung folgte
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