Zu Gast bei ÖFB-Chef und Mostbauer Leo Windtner
Steigt man am Linzer Hauptbahnhof aus dem Zug, zieht einem auf der Höhe vom Leberkas-Pepi erst einmal der Ausruf „Haus obi, is eh nur so a Nipfe!“ am Ohr vorbei. Liebevoll hat hier der charmante Herr seiner Begleiterin in schönstem oberösterreichischem Dialekt nahegelegt, doch den letzten Schluck ihres Seiterls zum Mittagessen nicht zu verschwenden. Im nur 15 Autominuten entfernten St. Florian ist es hingegen nicht Bier, sondern Most, der mit Vergnügen bis auf den letzten Schluck genossen wird. Hier findet man einen geschäftigen Herrn in seiner Auffahrt Äpfel und Birnen von einem Traktoranhänger in zwei Kübel schlichten: Leo Windtner, seines Zeichens Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes seit 2009.
Der Mann, der sogar weiß, wie sich der TSV Utzenaich aktuell in der Unterliga schlägt, frönt in seiner Freizeit seiner zweiten großen Leidenschaft neben dem Mannschaftssport: der Most-Produktion. Behände steigt er auf seinen Minitraktor, tuckert die Straße seines Elternhauses ein Stück hinunter und gegenüber hinauf zu seinem ganz persönlichen Garten Eden, der Obstwiese mit den Jungbäumen.
Leo Windtner bei der Apfelernte
Hier reihen sich Äpfel und Birnen – von Speck- über Pichl- und Winawitzbirne bis hin zu Brünnerling und Florianer Rosmarin – aneinander. Im Hintergrund ragen die beiden Spitzen des St. Florianer Stifts über die herbstlich gekleidete Obstwiese. Seit Generationen ist das hier der Stammsitz der Familie Windtner. „Früher hatten wir eine Landwirtschaft – wie man so schön sagt: a Kuah, drei Goaß, fünf Sau – aber ich habe die Viehwirtschaft nicht übernommen, dafür die Obstwirtschaft und diese auf ein zeitgemäßes Niveau gebracht“, erzählt Windtner.
Seit nunmehr 40 Jahren wird meist ab Mitte September jeden Herbst das Streuobst geklaubt und in das hauseigene Presshaus gekarrt. Dort wird dann mindestens einmal in der Woche Most gepresst und Schnaps gebrannt. „Das oberste Gebot ist Sauberkeit und Hygiene“, nennt Windtner die Voraussetzungen für das Gelingen eines guten Fasses Most. Neben „gutem, reifem Obst, einer ordentlichen Fasswirtschaft und einer gewissen Routine“ natürlich. Wie in der Natur lerne Windtner jedes Jahr aufs Neue etwas dazu. Während der arbeits- und zeitintensiven Mostproduktion im Herbst kann sich Windtner auf ein Netzwerk von Freunden und sein gutes Zeitmanagement verlassen, denn „wenn ich zu Hause bin, dann ist der Schwerpunkt die Mostproduktion“.
Sortenreiner Most
Je nach Ertrag der rund 100 Obstbäume auf der Wiese und im hauseigenen Garten wird entschieden, was gepresst wird – entweder gemischt oder sortenrein. „Voriges Jahr war ein Wahnsinn, eine g‘scheite Freude, da habe ich circa 400 Liter sortenreinen Landlbirnenmost zusammengebracht.“ Seine Lieblingsbirnensorte ist die Winawitz, von der er heuer immerhin 300 Liter sortenreinen Most presste, „weil sie neben der Landlbirne die beste Qualität hat“, erklärt er weiter. „Beim Apfel ist es der Brünnerling, weil er der dankbarste Wirtschaftsapfel ist. Er hält bis ins nächste Jahr, ist zum Most- und Saftmachen ideal und zum Essen auch – Apfelstrudel gelingt damit sensationell! Mein ganz persönlicher Favorit ist der Minister von Hammerstein, der ist wirklich eine Freude: Schon an der Färbung seiner Schale kann man das Aroma erkennen, ein Traumapfel!“, schwärmt er noch, während er schon aufsteht und eines der beschriebenen Prachtexemplare vom Baum pflücken geht.
Typisch für die Region sind neben diesen Sorten noch die Speck-, Wein- und Bichlbirne sowie der Bodenapfel und der bekannte Florianer Rosmarin-Apfel. Für einen Liter Most braucht man ungefähr zwei Kilogramm Birnen oder drei Kilogramm Äpfel. Es ist eine recht saftige Rechnung, die Windtner hier für den rein privaten Gebrauch aufstellt, denn er erntet etwa fünf Tonnen Obst jährlich.
Pressen und Absitzen
Die Verarbeitungstechnik von Most ist heutzutage ähnlich der Önologie von Wein. Nach dem Klauben zerkleinert die Obstmühle das Obst in eine Konsistenz wie etwas gröberes Mus. Anschließend wird es in die Backpresse gefüllt: „Den Saft lässt man absitzen, damit die Trübstoffe einmal weg sind, und dann zieht man in den Keller“, erklärt Windtner. Hier reihen sich schon ältere und neuere Holzfässer – teils schön verzierte Geschenke zu runden Geburtstagen – aneinander, jeweils das Produktionsjahr und die Initialen des Hausherrn auf der Stirnseite eingraviert. „Hier im Keller wird der Süßmost auf Hefe gesetzt, damit er rasch vergärt, zwei Wochen später ist er dann weniger anfällig für Störfaktoren.“ Der Alkoholgehalt liege typisch zwischen sechs und acht Volumsprozent.
Doch Windtner kann auch hochprozentiger: Heuer hat er schon Schnaps aus Marillen, Roten Williamsbirnen und Zwetschken gebrannt, im Vorjahr auch aus Kirschen. „Auch hier gilt: Es zählt nur die Qualität und nicht die Quantität.“ Und der ehemalige Generaldirektor der landeseigenen Energie AG packt bei allen Arbeitsschritten tatkräftig mit an: „Ich schneide und veredle die Bäume selber und genauso habe ich auch das Fässerzuschlagen von Vater und Großvater gelernt und übernommen.“ Zum Beweis umrundet er einmal das Fass und bearbeitet treffsicher den Eisenring mit Hammer und Werkzeug.
Heimatverbunden
Auch wenn ihn die Karriere an der Seite der Nationalmannschaft um den ganzen Globus führt, war und ist er stark in seinem Heimatort verwurzelt. Er war Bürgermeister der rund 6.000 Einwohner starken Gemeinde in Linz-Land und nach wie vor ist er, seit nunmehr 24 Jahren, Obmann der St. Florianer Sängerknaben: „Ich war mit den Sängerbuben in der Schule, bin mit den Ministranten aufgewachsen, Großvater und Urgroßvater waren Stiftszimmerleute, zum Stift war immer schon ein Naheverhältnis da.“ Selber singen stehe aktuell nur privat auf der Agenda. Als Kapitän der Fußballer in St. Florian sei er früher der erste „Ansinger“ gewesen: „Aber heutzutage kommt es ja leider nur mehr ganz selten vor, dass gesungen wird“, erzählt er, während der rote Kater Felix missbilligend den Rasenmäherroboter von der Terrasse aus beäugt. „Den mag er nicht“, sagt Windtner schmunzelnd.
Unter folgendem Link finden Sie eine Karte mit mehr als 80 Mostbauern, bei denen entweder ab Hof Apfelsaft, Most & Co. gekauft werden kann oder die sogar als Mostschank oder Heuriger gemütliche Abende mit Speis' und Trank versprechen:
World Most Association
Hier auf der Terrasse in der Nachmittagssonne serviert er sein perfektes Glas Most: „Es beginnt mit einem entsprechend guten Aroma, der Geruch muss passen, farblich sollte der Most einen schönen Glanz haben und über den Gaumen rollend muss er wirklich Genuss erzeugen.“ Und er müsse auch entsprechend serviert werden, „nicht wie früher in einem Doppler auf den Tisch, denn wenn das Getränk ein G‘sicht hat, dann ist es auch bekömmlich“.
Schön serviert
Auch perfekte Mostetiketten gehören bei Windtners Eigenproduktion dazu
Trophäenjäger
Den 1. Platz der "World Most Association", eines jährlichen Treffens von Windtner und acht Freunden aus der Umgebung, darf er heuer wieder sein Eigen nennen
Mostbauernregion
Speck-, Wein- und Bichlbirne, sowie Bodenapfel und Florianer Rosamrinapfel sind ebenfalls typisch für die Region
Gastfreundlichkeit
In der Linzer Umgebung gehört es zum guten Ton den Gästen ein Glas selbst gepressten Most servieren zu können
Ein Fass für immer
Jeder Mostbauer kennt das: Geschenke zu runden Geburtstagen sind oftmals schön verzierte Fässer
Mitte Oktober stand im Windtnerschen Haushalt das letzte Presswochenende an. Sind erst die letzten Äpfel und Birnen in den Fässern, heißt es für sie nur noch ruhen – bis zu drei Wochen kann die Gärung dauern. Dann trifft sich Windtners Freundeskreis – „eine kleine Gruppe von acht Hobby-Bauern, die sich untereinander helfen“ – zur alljährlichen „Mostkost“, bei der er heuer seit der Gründung 1987 sogar wieder einmal gewonnen hat und den Pokal der „World Most Association“ sein Eigen nennen darf. Im Mai folgt dann der ultimative Qualitätstest im Freilichtmuseum Sumerauerhof bei der Leitveranstaltung zu Most in Oberösterreich. Auch hier spielt der Fußball-Boss meist in der Champions League.
Zielgerichtet
Leo Windtner, sein privater Mostpresser-Freundeskreis sowie jeder Mostbauer im Bundesland tragen maßgeblich zur Aufwertung des Getränkes Most bei – weg vom Haustrunk, hin zum Qualitätsprodukt: „Most genießt schon jetzt den Ruf als naturbelassenes, gesundes Getränk, das Bodenständigkeit geradezu dokumentiert. Ich würde mir wünschen, dass seitens der Agrarpolitik das Thema Most noch wesentlich offensiver begleitet wird, sodass das Qualitätsniveau weiter so gesteigert werden kann wie in den vergangenen Jahren. Und dass Most in Oberösterreich wirklich das Kultgetränk schlechthin wird“, schließt Windtner mit dem letzten „Nipfe“ g’spritzten Most im Glas.
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