"Yoga ist das Finden der Seele"

Yogalehrer Fabian Scharsach
Der Yogalehrer hält Pfarrer Wagners Vorwurf des Satanismus für Unkenntnis.

Ist Yoga tatsächlich "satanisch", wie der Windischgarstner Pfarrer Gerhard Mara Wagner kürzlich in seinem Pfarrblatt schrieb? Öffnet sich der Yoga-Praktizierende "für das Wirken von Dämonen", wie Wagner befürchtet? Sind die Yoga-Übungen "in der Welt der Geister verankert"? Kann der herbeigerufene Geist "zur Besessenheit führen"?

Fabian Scharsach (42) ist Lehrer für ganzheitliches Yoga. Sein Vater ist ein bekannter Journalist, er war von 1990 bis 1994 außenpolitischer Ressortleiter des KURIER und lebt heute in Weng bei Altheim (Bez. Braunau). Fabian hält unter anderem am diözesanen Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels Yoga-Kurse. Vergangenes Wochenende unterrichtete er im Haus von Gabriele Fink in St. Peter am Hart (Bez. Braunau).

Suche nach Wahrheit

"Ich habe genauso wie viele andere Menschen Wahrheit gesucht und zum Teil auch gefunden. Zum Teil auch in der europäischen Tradition, auch in der christlichen Mystik. Wir haben in Europa eine große Yoga-Tradition, die wir aber nicht so nennen. Das ist ein großes Missverständnis, dass wir in unserer Kultur nicht so genau wissen, was Yoga in seinem tieferen Wesen bedeutet. Es ist nicht auf die indische Kultur begrenzt", sagt Fabian Scharsach im Gespräch mit dem KURIER.

Was ist dann Yoga? "Man kann es als spirituellen Übungsweg bezeichnen. Ein Mensch, der nach einer tieferen Wahrheit sucht, der das Gefühl hat, dass es eine höhere Wirklichkeit gibt.Dass es so etwas gibt wie Göttliches, das uns zugänglich ist und mit dem wir uns verbinden können."

Übung ist Instrument

Das versucht man durch Körperübungen zu erreichen? Scharsach: "Es gibt Übungen, aber die Übungen, die im Westen bekannt sind, sind nur ein kleiner Teil der fünf großen klassischen Yoga-Wege. Es geht nicht um Beweglichkeit. Sie kann nützlich sein, so wie es nützlich ist, wenn man wandert oder spazieren geht. Yoga ist nicht gebunden an eine spezielle Körperdisziplin. Die Übungen sind ist ein Instrument, das man anwenden kann. Yoga ist ein spiritueller Entwicklungsweg, es ist das Finden der Seele,wenn man sein Innerstes finden will. Warum bin ich hier? Was ist der Sinn meines Lebens und was will ich in diesem Leben ausdrücken? Damit stellt man die Grundfragen des Yoga und gleichzeitig die Grundfragen der Menschheit. Dann ist man am Yoga-Weg. Wenn man für den Nachbarn da ist, wenn man ein liebevolles Leben führt, dann praktiziert man ein viel profunderen Yoga als ein Mensch, der täglich zehn Stunden lang Köperübungen macht, aber sich um diese Dinge nicht kümmert. Yoga ist diese verbindende Botschaft, dass wir alle aus derselben Quelle sind und dass wir wie in einer großen Familie leben sollten, für einander und miteinander, in Freude über unsere Vielfalt."

Körper wirkt auf Geist

Die Körperübungen, indisch Asanas genannt, sind die erste Ebene im Hatha-Yoga. Sie sind ein Hilfsmittel. Scharsach: "Es gibt Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen Bewusstsein, der menschlichen Wahrnehmung und dem Zustand unseres Körpers und den Energien, die in unserem Körper fließen. Die Übungen reinigen den Körper und bringen ihn in Balance. Sie entfalten dadurch Wirkungen auf den Geist. Körper und Geist sind durch subtile Energien miteinander verbunden. Yoga besteht zu 100 Prozent aus Erfahrung und kennt keine Dogmen."

Atmung-Nervensystem

Die zweite Ebene nach den Körperübungen heißt Pranayama, die Atemtechnik. Man lernt den Atem zu kontrollieren. "Den Zustand der Atmung kann man in Verbindung bringen mit dem Zustand unseres Nervensystems. Wenn wir gestresst sind, atmen wir anders als wenn wir entspannt sind." Das bedeutet, dass man durch die Atmung den Zustand des Nervensystems verändern kann. "Das ist keinen speziell indische Erfindung, das weiß heute jeder Psychotherapeut. Panikattacken kann man über die Atmung regulieren. Über die Atmung kann man auch den Geist beeinflussen, konkret gesprochen,wie wir denken."

Im Hatha-Yoga sind auch Lebensregeln bzw. psychologische Hinweise inkludiert. Innere Haltungen sind wichtig. Zum Beispiel, dass Uneigennützigkeit, dass ein guter Geist geübt wird. "Dass man schaut, dass man in seinem Leben ein bisschen aufräumt, dass man mit seinen Mitmenschen einen guten Umgang pflegt.

Nicht verletzen

Dazu gehört das Gebot, dass man andere Menschen nicht verletzen soll. Dass man innerlich wahrhaftig ist, wenn man mit anderen Menschen in Beziehung tritt. Dass man sich selbst gegenüber wahrhaftig ist. Sie sind ähnlich den Regeln, die Buddha für den achtfachen Pfad gegeben hat." Sie sollen im Leben und im Geist eine bestimmte Atmosphäre erschaffen, eine gewisse Grundharmonie.

Wie lautet ist die fünfte Ebene? Scharsach: "Sie wird als das Pratyahara bezeichnet, das Zurückziehen der Sinne. Unser Geist baut auf unserem Nervensystem, es bestimmt die Art und Weise, wie wir denken. Wenn wir zum Beispiel auf Überlebensmodus laufen, verändert sich unser Denken. Der Geist ist daher nicht frei, sondern in gewisser Weise ein Getriebener unserer Natur. Angst ist ein Naturimpuls." Es geht um die Disziplinierung der Sinne, wie Geschmack, Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und des Geistes durch ein Sich-nach-innen-Richten. Dadurch sollen Sinneseindrücke allgemein bewusster und kontrollierbarer werden.

Kommt Yoga kommt aus dem Hinduismus? "Hinduismus ist ein Wort, das wir erfunden haben, um verschiedene geistige und spirituelle Strömungen zusammen zu fassen, die sich im Raum der Hindus-Kultur im Lauf der Jahrtausende entwickelt haben. Als die Europäer das gesehen haben und nicht einordnen konnten, haben sie das als Hinduismus bezeichnet. Es gibt tatsächlich eine große Gemeinsamkeit dieser verschiedenen Traditionen. Sie gründen auf den Erfahrungen von etwas, was man als das Ewiges Gesetz bezeichnen könnte. Sie gründen sich auf der Erfahrung von etwas, was wir nicht beschreiben können, das wir als unendlich erfahren und erleben können."

Christus ein Avatar

Yoga, so betont Scharsach, sei nicht auf die indische Tradition begrenzt. "Es gab die großen Yogis in Indien genauso wie es sie in Europa gab. Es gab sie im Hinduismus genauso wie es sie im Islam gab. Die Begrifflichkeiten sind etwas anders. Wir sagen Yoga und meinen die indische Kultur. Weil sich die Dinge dort besonders gut entwickeln und wachsen konnten. Auch das Christentum hat Yoga, jede Religion an ihren Wurzeln. Die Inder akzeptieren Christus als einen der großen Avatare." In der indischen Philosophie seien die Avatare die großen göttlichen Inkarnationen, um die Menschheit einen Schritt weiter zu bringen, um einen weiteren Schritt in der Evolution zu setzen. In der indischen Philosophie gibt es nicht nur den einen oder anderen Avatar, sondern eine ganze Stufenleiter von Avataren. Unsere Wissenschaft spricht vom Vorgang der Evolution, die Inder haben es anders beschrieben. Sie sagen, jede Evolutionsstufe brauch ein Wesen, die den nächsten Schritt macht.

Sri Aurobindo, ein Yogi, dem sich Scharsach verbunden fühlt, habe Christus als den Avatar der göttlichen Liebe bezeichnet. "Christus hat gezeigt, dass eine völlig bedingungslose Liebe und ein Menschsein aus Liebe möglich ist. Er hat der Menschheit diesen lebendigen Beweis erbracht. Nicht weil er klug geredet hat, sondern weil er geliebt hat und vollständig in diesem Bewusstsein gelebt hat."

Yoga sucht Synthese

Wie sieht er die Vorwürfe von Pfarrer Wagner, dass es sich bei Yoga um etwas Teuflisches handelt? "Diese Aussagen kommen von Menschen, die nicht genau wissen, wovon sie sprechen. Sie sind nur sehr peripher mit diesen Dingen in Berührung gekommen. Wenn man die Möglichkeit hat, mit Menschen mit einem offenen Ohr und einem offenen Herz zu sprechen, wird man viele Dinge, die einem zuerst fremd erschienen, verstehen. Die Menschen und die verschiedenen Kulturkreise sind nicht so unterschiedlich wie man das glaubt. Es gibt sehr viel Verbindendes. Yoga ist der Weg, der diese Synthese sucht."

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