„Würde Gratis-Kindergarten nicht mehr einführen“

Josef Pühringer ist wie seit vielen Jahren auch heuer wieder auf  Kur in Bad Ischl. Hier am Traunufer.
Josef Pühringer. Der Landeshauptmann a.D. unterstützt den Kurswechsel seines Nachfolgers und sagt Nein zur Gratismentalität in der Politik.

Josef Pühringer (68) war von 1995 bis 2017 Landeshauptmann. Von 1987 bis 1995 Landesrat, von 1979 bis 1987 Landtagsabgeordneter. 1973 wurde er Stadtrat in Traun, in der Folge Vizebürgermeister. Das Interview wurde in Bad Ischl geführt, wo sich Pühringer zur Kur aufhielt.

KURIER: Sie sind vor einem Jahr als Landeshauptmann abgetreten. Wie gehen Sie mit diesem Machtverlust um?

Josef Pühringer: Es ging leichter als ich geglaubt habe. Zum einen bin ich befreit vom Druck und der Endverantwortung, zum anderen habe ich mehr Zeit für meine Familie und Freunde. Zum Dritten hab ich eine Reihe neuer Aufgaben, die ich unbedingt brauche, denn ich will etwas tun. Ich bin nicht zum Pensionisten oder Dauerurlauber geboren. Alles in allem habe ich keine Entzugserscheinungen.

Aber so einen massiven Wandel im Leben steckt man nach Jahrzehnten totalen Engagements doch nicht so einfach weg?

Ich war selbst überrascht, dass es relativ gut gegangen ist. Das hat mehrere Gründe. Ich habe den Zeitpunkt des Abtritts selbst ausgewählt und mich darauf einstellen können, wenngleich ich einmal verlängert habe. Dass der Wechsel so bilderbuchmäßig verlaufen ist, macht vieles leichter. Außerdem machen es der neue Landeshauptmann und die neue Mannschaft sehr gut. Ich bin mit ihnen im guten Einvernehmen, was die Situation natürlich wesentlich erleichtert. Ich habe weder Entzugserscheinungen noch bin ich mit jemandem, geschweige denn mit mir selbst, im Unreinen.

Die Chefinnen der Opposition, Birgit Gerstorfer und Maria Buchmayr, haben zum ein-Jahr-Jubiläum von Thomas Stelzer gemeint, Pühringer habe eine wertorientierte, christlich-soziale Politik gemacht und nun regiert der Rechenstift.

Es wäre schön gewesen, wenn sie das zu meiner Aktivzeit gesagt hätten. Mein Nachfolger und sein Team müssen es anders machen. Die alte Zeit, die ich zu verantworten hatte, verdient es, dass sie in eine neue Zeit weiter entwickelt wird. Es wäre ein radikaler Fehler, würden sie einfach meine Politik fortgesetzt haben. Das habe ich damals vom Wechsel von Josef Ratzenböck auf mich auf nicht getan. Ich war ab 2009 im wesentlichen Manager einer langwierigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Es ist uns gelungen, ein Land mit guter Beschäftigung zu bleiben. Natürlich haben wir damals im überschaubaren Ausmaß Schulden gemacht. Ich stehe jetzt aber genauso dazu, dass man die Hochkonjunktur nützt und Reformen durchführt und so rasch wie möglich ein ausgeglichenes Budget herbeigeführt hat.

Sie haben 2009 den kostenlosen Kindergarten eingeführt, was damals auch ein Wahlkampfthema war. Stelzer verlangt nun sozial gestaffelte Gebührren für die Nachmittagsbetreuung.

Ich würden den kostenlosen Kindergarten heute nicht mehr einführen. Ein sozial gestaffelter Beitrag ist zumindest für den Nachmittag gerechtfertigt. Die Politik muss generell wegkommen von der Gratis-Mentalität. Natürlich muss der Kindergarten für alle zugänglich sein. Er muss dazu beitragen, dass Familie und Beruf vereinbar sind. Die Leistung, die der Kindergarten bringt, darf zumindest einen Anerkennungspreis haben.

Gespart wird auch in der Kultur, die Ihnen immer sehr am Herzen gelegen ist und die Sie deutlich ausgebaut haben.

Das Gedächtnis ist kurz. Pühringer hat als Kuluturreferent zwei Mal die Kulturförderung gekürzt. Es wird immer wieder sein, dass man kürzen muss, vor allem dann, wenn man rasch ein ausgeglichenes Budget herbeiführt. Wenn von 193 auf 186 Millionen gekürzt wird, dann kann man nicht vom Abschied aus dem Kulturland Oberösterreich sprechen.

Reduziert werden auch die Ausgabensteigerungen für das Sozialbudget. Wird hier das soziale Image der ÖVP beschädigt?

Das Sozialbudget wird ja zusätzlich entschuldet.Weiters gibt es ein Sonderprogramm für die Schaffung von Wohneinheiten für 400 Behinderte. Der Umgang mit den Schwächsten der Gesellschaft ist ein Gradmesser für die Reife der Demokratie. Das heisst aber nicht, dass hier nicht auch höchste Sorgfalt bei der Ausgabe der Mittel gewährleistet sein muss. Es ist vollkommen richtig, dass man ein Reformprojekt im Sozialbereich aufsetzt, das wurde schon in meiner Zeit begonnen. Es geht nicht um Kürzung der Leistung, sondern um optimale Leistungserbringung. Es haben sich im Sozialbudget Parallelen in der Leistungserbringung eingeschlichen und in der Abwicklung Bürokratien entwickelt, die nicht notwendig sind.

Ich bin froh, dass sich Stelzer mit Gerstorfer geeinigt hat und dass das Soziale kein Streit ist. Sozialpolitik muss ein Herzstück der ÖVP-Politik sein.

Sowohl im Bereich der Kindergärten als auch in der Pflege besteht die Tendenz, den Beruf zu akademisieren. Die Gemeinden warnen mit dem Argument davor, dass sie dann die Gehälter nicht mehr zahlen können.

Ich verstehe die Gemeinden, aber auch die jungen Leute, die eine optimale Ausbildung wollen. Aber man wird in der Pflege schon klar sagen müssen, wir brauchen die Leute, die beim zu Pflegenden sind. Da sind die Gespräche und die Betreuung wichtig und nicht die akademische Ausbildung.

Ich bin bei der Pflege in Sorge. Wir gehen einer schwierigen Phase entgegen. Die Hochbetagten werden in enormen Tempo mehr. 1970 hat es in Österreich 50.000 über 85-Jährige gegeben. 2050, also 80 Jahre spätger, wird es 650.000 über 80-Jährige geben. Derzeit sind es rund 250.000. In den nächsten Jahren erfolgt ein rasanter Anstieg der Hochbetagten, wie es ihn in der Menschheitsgeschichte noch nie gegeben hat. Jetzt sind die Menschen Gott sei Dank länger gesund, das heisst der Zustand de r Pflegebedürftigkeit tritt viel später ein. Von den über 85-Jährigen beziehen derzeit 60 Prozent Pflegegeld.

Der größte Pflegeplatz sind die Familien, ihnen ist hoch zu danken. Von den 75.000 zu Pflegenden in Oberösterreich sind nur 12.500 in Pflegeheimen, der Rest ist in der Familie. Nach der Abschaffung des Pflegeregresses, die ich für richtig halte, müssen die Hilfen für die pflegenden Angehörigen ausgebaut werden. Wir brauchen einen Schwerpunkt auf die Pflege zu Hause und auf die mobile Pflege.

Die entscheidende Frage wird sein, wie man das alles finanziert.

Mit der Zunähe der älteren Mitbürger steigt zugleich ihre Bedeutung als wesentliche Wählergruppe.

Die 60-Jährigen stellen derzeit ein Drittel der Wähler. Um 2050 werden es 50 Prozent sein. Für jede Partei sind die jungen Wähler wichtig. Jugend steht für Modernität und Aufbruch.

Wahlen gewinnen kann man nur mit den Älteren. Rein von den Gesetzen der Mehrheit her. Daherwird jede Partei gut beraten sein, sich um die Senioren und deren Anliegen zu kümmern.

Es geht hier um die Gesundheit und Pflege, es geht vor allem auch um die Wertschätzung der älteren Menschen.

Kommentare