"Wasserstoff drängt E-Autos in den Hintergrund"

Generaldirektor der Energie AG, Werner Steinecker
Der neue Generaldirektor der Energie AG über seine Karriere und die Felder seines Unternehmens: Strom, Wasser, Breitband, Abfallwirtschaft und Rechenzentren.

Werner Steinecker ist seit 1. März Generaldirektor der Energie AG. Der 60-Jährige kam 1972 als Lehrling ins Unternehmen.

KURIER: Sie sind nun 45 Jahre in der Firma.

Werner Steinecker: Und das Unternehmen gibt es seit 125 Jahren. Das heißt, dass ich mehr als ein Drittel der Zeit dabei bin. (lacht)

Sie sind gewiss ehrgeizig, denn Sie haben nebenberuflich die Matura gemacht, zwei Studien absolviert und einen MBA in Toronto gemacht.

Ich bin 25 Jahre nebenberuflich in die Schule gegangen. Neben dem Ehrgeiz, den man unterstellt, braucht man eine gleich große Portion an Hartnäckigkeit und an erlernbarer Selbstdisziplin. Und wenn man einen Baustein herausnimmt, funktioniert das nicht. Nur gescheit zu sein reicht nicht. Es gab viel Gescheitere, die an der Abend-HTL bereits vor Weihnachten 1977 aufgehört haben.

Was zeichnet Sie aus?

Dieses Maß an notwendiger Hartnäckigkeit und Zähigkeit. Ich drehe nicht gleich beim ersten Gegenwind bei. Ich versuche, dass ich in die zweite und dritte Runde komme und dann schaue ich weiter.

Sie stammen aus Riedau im Innkreis (Bez. Schärding).

Da war mein Vater Betriebswärter der OKA, er war ein OKA-Urgestein. Es war mir nicht nur von der technischen Veranlagung in die Wiege gelegt, sondern auch vom Berufsbild. Bua, du gehst a zur OKA. Das war mir immer klar und das hat mir gefallen. Mein Vater hat mich in den Ferien schon immer mitgenommen zum Stromzählerablesen. Er fuhr mit einem alten, 98 Kubikzentmeter Zweidreiviertel-PS-Sachs zu den Bauern. Er hatte eine Umhängtasche, wo sein Werkzeug drinnen war. Hinten hat er ein gepolstertes Sitzerl aufgeschnallt. Da bin ich gesessen, habe mich beim Vater angeklammert und es hat mich total durchgebeutelt. Für mich war das aber das Toperlebnis. Den Sachs habe ich jetzt noch. Als er Mitte 80 war, hat er den Sachs zu renovieren begonnen. Vor drei Wochen ist er im 99. Lebensjahr gestorben. Meine Tochter, die von meinem Vater die technische Begabung geerbt hat, hat mit ihrem Freund den Sachs fertig renoviert.

Ihr Vater hat noch mitgekommen, dass Sie Generaldirektor werden?

Es war ihm ein Herzensanliegen, das noch zu erleben. Nun ist auch meine Mutter im 97. Lebensjahr gestorben. Wir haben sie am Montag beerdigt.

Ihr Vertrag läuft fünf Jahre. Wie wird die Energie AG in fünf Jahren dastehen?

Kommenden Donnerstag treffen die Führungskräfte des Hauses zusammen. Ich werde darüber reden, wo das Unternehmen in zehn Jahren stehen wird. Wir werden führend in Österreich sein, das mit komplett neuen Stromtarifmodellen im Vertrieb auftreten wird. Damit einhergehend werden neue Gastarifmodelle folgen. Wir werden bei den Ersten in Europa sein, die einen vollständigen Smart-Meter-Roll-out haben. Wir haben 650.000 Kunden. 350.000 haben wir bereits mit diesen neuen intelligenten Zählern ausgestattet.

Welche Vorteile hat dieser Zähler?

Er bringt Vorteile für den Kunden und den Netzbetreiber. Um eine hochsichere Stromversorgung zu gewährleiten, muss man auf den Netzbetreiber schauen, denn der Endkunde profitiert von dieser Versorgungssicherheit.

Moderne Fotovoltaikeinspeisung – derzeit sind bereits rund 15.000 in unserem Netz in Betrieb oder in Genehmigung – ist künftig ohne den Mittelbaustein Smart Meter nicht mehr möglich. Wenn sich jemand eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach montiert und er den Strom nicht zum Einspeisetarif einspeisen will, den es früher oder später nicht mehr geben wird, so kann er ihn anders konsumieren. Nicht unmittelbar, sondern später.

In unserem Gebiet sind von den 8760 Jahresstunden rund 1000 Sonnenstunden. Das heißt, man kann ein Neuntel solartechnisch nutzen. Der Konsument will den gespeicherten Strom zum Beispiel für das Elektorauto verwenden. Nicht unbedingt zu Hause, sondern zum Bespiel in Vorarlberg. Durch den Smart Meter wird das möglich.

Man muss den erzeugten Strom messen und er wird durch eine Art Online-Verbindung auf einem Art Sparbuch verbucht. Der Kunde loggt sich mit einer ID-Karte in Vorarlberg ein und bucht den Strom ab. Wenn man am Sparbuch nichts mehr hat, kauft man zu den angebotenen Tarifen ein.

Wer seinen Haushalt optimieren will, benötigt den Smart Meter. Denn er liefert die Basisdaten, um eine Homeautomation betreiben zu können. Ich übergebe dem Autopilot die Steuerung für die gesamte Hauselektrik. Man will zum Beispiel die Gelichzeitigkeit von Saunabetrieb und dem Herausbacken von Schnitzeln verhindern. Das bedeutet eine Kostenersparnis und eine Steigerung des Komforts.

Welche Schwerpunkte sind neben dem neuen Tarifmodell vorgesehen?

Wir sind in eine neue Business-Case-Welt massiv eingestiegen. Das sind Rechenzentren. Wir bauen derzeit am ehemaligen Kraftwerkstandort in Riedersbach ein Back-up-Rechenzentrum für den Lidl-Konzern in Europa. Wir sind mit größten amerikanischen Unternehmen über weitere Rechenzentren im Gespräch. Warum? Ein Rechenzentrum braucht jahresdurchgängig 8760 Stunden lang die gleiche Leistung. Sie haben einen unendlichen Hunger nach Steigerung der Bandbreiten. Das gesamte Online-Geschäft bis in den Lebensmittelhandel hinein geht auf Kosten von unglaublichen Bandbreitenzuwächsen. Wir können auch mit Kühlwasser umgehen.

Niedrigtemperaturiges Kühlwasser ist der Schlüssel für die Ansiedelung eines Rechenzentrums.

Ein ähnliches Thema ist das Daten-Business. Wir wollen in Oberösterreich die Nummer eins im Breitbandsektor sein. Hier werden wir in einigen Jahren den letzten Winkel versorgt haben.

Beim Strom- und Gasnetz sind wir die Nummer eins in Österreich.

Die Strompreise sind unter Druck. Kann die Energie AG auf Dauer als eigenständiges Unternehmen bestehen?

Das glaube ich schon. Vor zehn Jahren hätte ich die Frage mit Nein beantwortet. Viele haben damals fusioniert. Mittlerweile weiß man, nicht die Größe ist das Entscheidende, sondern die Fantasie und die Geschwindigkeit. Habe ich im Umgang mit meinen Kunden kreative Ideen und bin ich schnell genug? Es geht auch um Regionalität. Wir sind hier nun 125 Jahre am Markt.

Ein Zukunftsthema ist die E-Mobilität. Wird sich die Energie AG beim Elektroauto engagieren?

Sie wird sich engagieren. Die Elektromobilität hat eine Zukunft. Man muss sie aber relativieren. Sie wird das Verbrennungsauto nicht per se ablösen. Denn das Problem des Energieinhalts kann nicht mit noch so viel Forschung egalisiert werden.

Die Batterien haben eine bestimmte Reichweite.

Und wie viele Kilowattstunden bringe ich in diese schwere Batterie hinein? Wenn man sie reduziert auf eine Größe von einem Kilogramm, bringt man 0,2, Kilowattstunden hinein. Nimmt man ein Kilogramm Benzin, gehen 20 Kilowattstunden hinein. Der Unterschied ist also eins zu hundert beim selben Gewicht. Jetzt träumen viele davon, dass das Gewicht geringer und der Energieinhalt höher werden muss. Das ist ungefähr so, als wie wenn man davon träumt, dass man aus einem 10-Liter-Kübel 20 Liter rausleeren kann. Das werden wir nicht erleben.

Die Elektromobilität hat eine tolle Zukunft in den großen Metropolen der Welt. Aus der Notwendigkeit, dort den Verkehr emissionsfrei zu gestalten. Adressiert sich dieses Zukunft nur an den Pkw oder an den öffentlichen Verkehr? Die elektrischen O-Busse gibt es ja bereits. Oder auch an den innerstädtischen Lkw-Verkehr? Wenn MAN nun auf den Elektro-Lkw setzt, setzt es hundertprozentig auf das Richtige. Denn die Müllautos haben aufgrund des Stop-and-go-Verkehrs so viele Schadstoffemissionen, die man wegbekommen muss. Hier haben Elektro-Lkw eine Riesenchance.

Die Pkw-Hersteller vergeben sich trotz aller Begrenzung durch die Produktion von Elektroautos nichts. Es sind Leichtbauweisen. Die Antriebsart sind Radnarbenmotoren. Das heißt, in der Felge ist ein Gleichstrommotor, der durch Prozessorsteuerung angetrieben wird. Ob der Gleichstrom aus einer großen Batterie oder einer Brennstoffzelle kommt, ist dem Rad egal.

Die Zukunft wird die Wasserstofftechnologie sein. Sie wird meiner Ansicht nach den derzeitigen Hype an Elektromobilität ablösen, wenn sie von der Kosten-Nutzen-Rechnung, von der Kilometertauglichkeit und von der Robustheit der Brennstoffzellenaggregate so weit ist. Hier arbeiten sehr viele mit Hochdruck, etwa Südkorea oder und Japan. Sie werden dann das Elektroauto in den Hintergrund rücken.

Nichtsdestotrotz engagiert sich die Energie AG bei der Errichtung von Schnellladestationen nicht nur entlang der Autobahnen, sondern auch in den Bezirksstädten. Das ist eine große Herausforderung für das Netz.

Die Linz AG will ihren 10,3-Prozent-Anteil an der Energie AG verkaufen. Landeshauptmann Josef Pühringer will hingegen die Linz AG und die Energie AG noch stärker vernetzen.

Das ist ein Thema der Eigentümer. Die Rückgabebeziehung zwischen Linz AG und dem Land besteht. Da spielen wir keine Rolle.

Ich gehe davon aus, dass sich Thomas Stelzer sehr bald mit Bürgermeister Klaus Luger zusammen reden wird, wie man damit umgeht.

Wir haben mit der Enamo eine gemeinsame Vertriebspartnerschaft. Wir sind momentan damit beschäftigt, wie wir die Enamo für die dynamischen Märkte noch weiter entwickeln kann.

Was sehen Sie in nächster Zeit als Ihre Hauptaufgabe?

Das Thema Enamo zu entscheiden, ob hopp oder tropp. Hopp heißt, den eingeschlagenen Weg mit der Linz AG so weiter zu gehen, dass das Unternehmen zukunftsfähig ist. Die Mitbewerber werden nicht weniger. Nun bietet sich beispielsweise Hartlauer als Stromverkäufer an.

Er wird sich hier vermutlich ein Geschäft sehen.

Vielleicht sieht er nicht ein Geschäft, sondern nur den Frequenzbringer. Mit dem Hintergedanken, dass ihm die Kunden mehr Hörapparate abkaufen. Bei Billa und Hofer könnte das Motiv sein, dass sie den Strom als Enabler, als Ermöglicher sehen, es ihnen aber um die Bierkiste geht, die sie verkaufen wollen.

Sie müssen mit den zusätzlichen Mitbewerbern leben.

Die Frage ist, wie weit gelingt es Außenseitern in der Materie nachhaltig den Konsumenten als stabilen Kunden zu gewinnen. Erste Konkurse von Billiganbietern zeigen aber das Gegenteil.

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