Univ. Prof. Clodi: Der Fortschritt in der Medizin ist unglaublich
Schon sein Urgroßvater Eduard Clodi (1866–1917) war HNO-Facharzt in Linz. Dessen beide Söhne Eduard Clodi (1894–1958) und Carl Clodi (1890– 1966) machten sich ebenfalls als Mediziner einen Namen. Eduard als Internist und Magenspezialist, bekannt als „Magen-Clodi“, Carl als Lungen-Spezialist, „Lungen-Clodi“ genannt.
Peter Hans Clodi (1929– 2014) war der Sohn von Eduard Clodi, er war Gastroenterologe, Universitätsprofessor, Primarius und Leiter des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Linz. Sein Sohn Martin Clodi ist ebenfalls Universitätsprofessor, er leitet heute bei den Barmherzigen Brüdern die Interne Abteilung und ist Präsident der Österreichischen Diabetesgesellschaft und Mitglied im Obersten Sanitätsrat. Auch die Kinder und Kindeskinder vom „Lungen-Clodi“ wurden Mediziner. Der jüngste Spross ist Christian Clodi, er arbeitet in der Notaufnahme des AKH Wien.
Kann man angesichts dieser Vorfahren überhaupt etwas anderes studieren als Medizin? „Die Medizin war durch den Beruf des Vaters schon immer da“, erzählt Martin Clodi im Gespräch mit dem KURIER. „Er hat zwar nicht viel davon erzählt, aber es kam immer wieder die eine oder andere Geschichte, wie er jemandem helfen konnte, wo etwas passiert ist, warum er selbst Arzt geworden ist. Was ich immer ganz gern machen wollte, war in die Tiefe des Körpers, in die Biologie einzudringen. Bei einer Krankheit geraten die bioloschen Abläufe aus dem Lot.“
Zwei Jahre in den USA
Clodi studierte in Wien Medizin, „ich wollte immer interne Medizin machen, ich wollte Wissenschaft betreiben und mich habilitieren. Wahrscheinlich auch, weil mein Vater Professor war. Man ist von den Eltern mitgeprägt.“ 1997/’98 ging er für zwei Jahre nach San Diego (Kalifornien). „Da habe ich ziemlich viel Basisforschung gemacht. Es gab in den USA nur zwei, drei andere, die sich in meinem Forschungsgebiet so gut ausgekannt haben wie ich.“
Clodi kehrte zurück an die Wiener Uniklinik „ich bin nicht nur Diabetesspezialist, sondern habe auch Nierenerkrankungen und Intensivmedizin gemacht.“ Zwei Jahre war er in der Klinik Ottakring und im SMZ Ost.
Der Hauptteil sei immer die Arbeit mit Patienten gewesen, „ich war auf den Stationen. Die Wissenschaft läuft nebenbei. Früher haben wir 80 bis 100 Stunden in der Woche gearbeitet, sechs bis zehn Nachtdienste pro Monate waren die Regel.“ Heute beginnt er um sieben Uhr im Krankenhaus, „ich arbeite sicher acht bis zehn Stunden täglich, auch am Wochenende. Außer ich mache etwas anderes, ich gehe Skitouren und Radfahren.“
Martin Clodi ist verheiratet, seine Frau ist Richterin am Landesverwaltungsgericht in St. Pölten. Seine beiden Söhne studieren ebenfalls Medizin, der eine in Salzburg, der andere in München. „Ich habe meinen Söhnen nicht eingeredet, Medizin zu machen. Nein, gar nicht.“
Zweiter von fünf Geschwistern
Clodi war der Zweitgeborene in der siebenköpfigen Familie. Florian, der Älteste, hat den Beruf des Kunsttischlers ergriffen. „Meine Schwester Katharina ist Kinderpsychiaterin geworden, sie arbeitet hier bei den Brüdern am Institut von Professor Fellinger.“ Seine Schwester Elisabeth hat Molekulargenetik studiert und arbeitet für das Pharmaunternehmen Octapharma. Die jüngste Schwester heißt Karoline und ist Tierärztin in Oftering.“
Wie beurteilt er das österreichische Gesundheitssystem im internationalen Vergleich? „Wir liegen an der Weltspitze. Wir haben in Österreich mittlerweile 49.000 Ärzte, ihre Zahl hat sich seit 1990 verdoppelt. Im europäischen Vergleich verfügt Österreich mit Abstand über das beste Verhältnis zwischen Ärzten und Einwohnern. Wir haben eine wirklich gute Versorgung, jeder bekommt zu jeder Zeit de facto jede Behandlung auf dem höchsten Niveau. In meinem medizinischen Bereich gibt es kein Land, das mehr Ressourcen hat oder Medikamente verwendet, die wir nicht haben. Wenn eine Krankheit durch eine Untersuchung bestätigt ist, bekommen die Patienten die Behandlung, unabhängig davon, was es kostet.“
Moderne Therapien
Der Fortschritt in der Medizin sei unglaublich. „Ich hatte in meiner Laufbahn schwerkranke Leute, die es heute nicht mehr gibt, weil es die modernen Therapien gibt. Auch im Bereich der Diabetes.“ Der Typ-1-Diabetes-Patient verliere in der Jugend die Insulinproduktion und müsse immer Insulin spritzen und den Blutzucker messen.
„Heute misst ein Sensor konstant den Blutzuckerspiegel, das Handy berechnet den Insulinbedarf und eine Insulinpumpe gibt ihn ab. Man nennt das den Closed Loop. Das geht alles automatisch, man braucht sich um den Zucker nicht mehr zu kümmern.“
Zivilisationskrankheiten
Wo liegen die größten Herausforderungen? Clodi: „Es ist die demografische Entwicklung. Alle werden älter. Damit steigen die Zivilisationskrankheiten. Das ist an sich nichts Negatives, denn wir haben ein gewisses Wohlstandsniveau erreicht. Die Menschen werden schwerer, teilweise adipös, sie bewegen sich weniger. Damit kommt der Diabetes, die Herzinsuffizienz, die Herz-Kreislauf-Erkrankung, auch Karzinome werden mehr, der Bewegungsapparat ist geschädigt.“
Die Therapie von Übergewichtigen koste viel Geld. „Hier sollten Incentives kommen, die dazu beitragen, dass die Leute nicht zu schwer werden und sie mehr Bewegung machen. Das ist eine wesentliche Aufgabe. Ich fürchte, es wird uns nicht gelingen. Aber versuchen könnte man es.“
Der Ärztenachwuchs gehe momentan etwas zurück, es gebe einen Mangel an Pflegekräften. Das sei eine weitere Herausforderung. „Unser Hauptdefizit im österreichischen Gesundheitssystem ist, dass zu spät reagiert wird. Wir sind zu langsam.“ Denn man könne aufgrund der demografischen Entwicklung ablesen, welche Fachkräfte in welchem Bereich in zehn Jahren benötigt würden.
Digitalisierung
Rein medizinisch gedacht sei die Digitalisierung die größte Herausforderung. „Sie kann uns enorm weiterbringen, wenn wir sie richtig einsetzen. Das reicht von der automatischen Befundung bis zur Weiterführung der diagnostischen Gedanken.“ Die Digitalisierung gehe in der Medizin viel langsamer vonstatten. Denn die Softwareentwickler hätten Angst vor den Konsequenzen von Fehlern. „Wenn eine Software ein Röntgenbild diagnostiziert und es kommt zu einem falschen Befund, dann ist der Softwareentwickler haftbar.“
Moderne Medikamente und Roboter
Es müsse eine gewisse Sicherheit da sein. Aber: „Die computergesteuerten Techniken werden uns enorm weiterbringen.“ Dazu komme die Entwicklung neuer Medikamente und der Einsatz von Robotern bei den Operationen. „Digitalisierung, moderne Medikamente und Roboter sind die Zukunft.“
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