Stelzer kritisiert Reform der Gesundheitskassen
Thomas Stelzer (55, ÖVP) ist seit 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich.
KURIER: In Wien gibt es eine schwere Konfrontation zwischen der Ärzteschaft und der Stadt wegen der Zustände in den Spitälern. Vor allem der Personalmangel ist eklatant. Ist es in unseren Krankenhäusern ähnlich?
Thomas Stelzer: Die Spitäler haben mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den vergangenen zweieinhalb Jahren Enormes geleistet. Sie sind sehr gefordert, mancherorts auch überfordert. Die Pandemie hat speziell in den Hochphasen Verschiebungen verursacht, zum Beispiel bei geplanten Operationen.
Wir haben Gott sei Dank viele regionale Kliniken. Wir haben dort viele Patienten, die laut der Aufstellung unseres Gesundheitssystems gar nicht dorthin kommen sollten. Sie sollten eigentlich von den niedergelassenen Ärzten betreut und behandelt werden.
Ganz offensichtlich funktioniert das dort aber nicht, weil sich die Zuständigen, die Versicherungen oder wer auch immer, zu wenig engagieren, und vielleicht sogar im Hinterkopf haben, ohne jemandem etwas zu unterstellen, es ist ja ganz gut, wenn wir das in das Spitalssystem verlagern, das die Länder und Gemeinden finanzieren.
Die Patienten werden vom niedergelassenen Bereich (Haus- und Fachärzte) in die Spitalsambulanzen verlagert. Die Ambulanzen sind überlaufen.
So ist es. Es gehört so gemacht, wie es von der Struktur gedacht ist. Unsere Mitarbeiter in den Spitälern werden immer stärker belastet. Das schlägt sich mittlerweile auch in der Finanzierung nieder. Das, was die Sozialversicherungen leisten, ist leider gedeckelt.
Wir, die Länder und Gemeinden, tragen die Kosten für den medizinischen Fortschritt, für die Steigerung der Ausgaben für die Medikamente etc. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der Sozialversicherungen an den Gesundheitsausgaben massiv nach unten gegangen ist. Er liegt nun bei knapp 40 Prozent. Er war schon bedeutend höher.
Was ist nun zu tun?
Wenn man bei dieser Struktur bleibt, die wir haben, müssen die Gesundheitskasse und die Sozialversicherungen dafür sorgen, dass der niedergelassene Bereich wieder besser funktioniert. Es kann nicht sein, dass wir keine Ärzte für die Ordinationen bekommen, sondern es muss überlegt werden, wie man das attraktiviert.
Die Mittel sind da. Leider sind viele Mittel der Gesundheitskasse aus Oberösterreich durch die Reform abgezogen worden. Man hätte also Möglichkeiten, hier etwas zu tun. Wir können es auf Dauer nicht verkraften, dass die Spitäler das alles auffangen.
War die Reform der Gesundheitskassen durch die schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Kurz ein Fehler?
Es hat sich das, was als Erfolg versprochen wurde, nicht eingestellt.
530 Millionen Euro an oberösterreichischen Rücklagen sind nach Wien geflossen.
Es wurde zugesichert, dass die Rücklagen aus Oberösterreich in Oberösterreich eingesetzt werden. Diese Zusage wurde nicht zurückgenommen. Die Österreichische Gesundheitskasse hat diese Rücklagen. Wir kämpfen dafür, dass dieses Geld hier im Land eingesetzt wird. Darauf muss ich bestehen.
Die Reform der Gesundheitskassen war ein Flop von Schwarz-Blau, was inzwischen auch vom Rechnungshof bestätigt worden ist.
Ich kann nur sagen, dass der versprochene Erfolg nicht eingetreten ist und sich für uns kein Vorteil gezeigt hat.
Das Landesbudget für die Gesundheit wird von einer auf 1,2 Milliarden Euro aufgestockt. Was passiert mit den zusätzlichen 200 Millionen Euro? Wird mehr Personal aufgenommen?
Wir haben die Gehälter für die Ärzte, für die Mitarbeiter in der Pflege und im handwerklichen Bereich aufgebessert. Es gibt mehr Medikamente, die auch teilweise sehr teuer sind, dazu kommen noch die medizinischen Geräte, die ebenfalls viel kosten. Wir würden gerne mehr Mitarbeiter aufnehmen, ähnlich wie viele Firmen und Unternehmen, aber wir bekommen sie nicht immer. Obwohl wir neben Gehaltsaufbesserungen gute Rahmenbedingungen schaffen. Im Kepleruniklinikum werden die Mitarbeiterküche und das Restaurant erneuert, ein wird das Kinderspital neu gebaut.
Was können Sie tun, damit es künftig wieder mehr Hausärzte gibt?
Das Thema praktischer Arzt sollte in der Ausbildung stärker betont werden. Wie häufig im Leben wird man auch hier an einer finanziellen Attraktivierung nicht vorbeikommen. Hier geht es auch um die vielen Kombinationsmodelle, um primäre Versorgungseinheiten, die es mancherorts schon gibt.
Aber die Ärztekammer legt sich hier quer.
Es gibt hier bereits Ansätze. Die dafür Zuständigen sollen schauen, dass die Dinge vorankommen.
Sie sind Mitglied der vierköpfigen Gruppe der Landeshauptleute in den Verhandlungen zum Finanzausgleich mit Finanzminister Magnus Brunner. Was wollen Sie erreichen?
Wie eingangs schon erwähnt, sollte korrigiert werden, dass die Spitalsabgänge uns Länder, Städte und Gemeinden zunehmend finanziell belasten, weil keine ausreichende Versorgung im niedergelassenen Bereiche da ist. Dieses Missverhältnis in Relation zu den Sozialversicherungen muss beseitigt werden.
Der Gesundheitskasse fehlt auch das Geld. Sollte die Höchstgrenze der Sozialversicherungsbeiträge angehoben werden?
Ich zerbreche mir sicher nicht den Kopf der Gesundheitskassen. Sie haben sich neu aufstellen können, sie haben nun die Struktur, die gewünscht wurde, sie sollen performen.
Die Gemeinden jammern auch über Geldmangel, vor allem über die hohen Kosten zur Abdeckung der Spitalsdefizite. Sie würden diese gerne an das Land abtreten, dafür hätten sie gern die volle Kompetenz für die Kindergärten.
Wir haben den Gemeinden die Befürchtung genommen, dass sie hohe Steigerungen haben werden. Wir haben dafür ein Sonderpaket von 40 Millionen Euro geschnürt. Über klassische Kompetenzzuschreibungen kann man trefflich streiten, es ist vieles in Oberösterreich gemeinsam organisiert und finanziert. Kindergärten sind Aufgabe der Gemeinden, das Land fördert.
Zur Kultur. Die Landesausstellungen sind still und leise begraben worden. Sie wurden durch die „Communale“ ersetzt, unter der sich die Menschen kaum etwas vorstellen können. Dieses regionale Projekt hat nun erstmalig in Eferding stattgefunden, der überregionale Zuspruch hat sich in Grenzen gehalten. Kann es sich ein Land mit dem Anspruch wie Oberösterreich leisten, auf Landesausstellungen zu verzichten? Es gibt doch wichtige Themen, die einer gemeinschaftlichen Betrachtung bedürfen.
Wir haben die Landesausstellungen weiterentwickelt. Das hat der Kulturbeirat des Landes für Großprojekte vorgeschlagen. Ein Teil davon ist die Communale, die heuer in Peuerbach zum Jubiläum von Georg von Peuerbach (1423–1461, Humanist, Hofastronom von Kaiser Friedrich III.) sein wird. Hier geht es stark um die Verknüpfung von Geschichte und zeitgenössischer Kunst- und Kultur.
Der zweite Strang ist die oberösterreichische EXPO, die überregionale Strahlkraft haben soll. Sie wird das erste Mal 2024 rund um Anton Bruckner (200. Geburtstag) stattfinden. 2024 wird nicht nur das Europäische Kulturhauptstadtjahr in Bad Ischl sein, sondern auch das große Brucknerjahr.
Sind Sie mit der Communale tatsächlich zufrieden?
Der Beginn in Eferding war ein sehr, sehr guter. Es ist all das gelungen, was wir uns vorgenommen haben. Der Gedanke ist aufgegangen.
Wie läuft die Regierungskoalition mit der FPÖ?
Sie läuft professionell, korrekt und unaufgeregt. Wir arbeiten sehr konsequent miteinander.
Es stört Sie nicht, dass Landtagsabgeordneter und Landesparteisekretär Michael Gruber notorisch die Bundes-ÖVP kritisiert?
Eine Koalition verbindet zwei unterschiedliche Parteien. Auf Landesebene läuft sie gut, wir setzen das gute Arbeitsprogramm auch um. Wenn wir überall derselben Meinung wären, wäre es keine Koalition.
Gruber sagt, die FPÖ würde nach der nächsten Nationalratswahl wieder eine Koalition mit der ÖVP eingehen. Können Sie sich das vorstellen?
(lacht) Jetzt schauen wir einmal, dass wir diese Regierungsperiode mit Bundeskanzler Nehammer gut über die Bühne bringen. Wir haben mit ihm alle Voraussetzungen. Dann wird es die Nationalratswahl geben. Es ist kein Geheimnis, dass ich mir mit Herbert Kickl keine Partnerschaft vorstellen kann.
Mit der FPÖ schon, aber ohne Kickl.
So haben wir es auch im Land gehalten.
Die Bundes-ÖVP liegt mit 19 bis 20 Prozentpunkten nur mehr auf Platz drei. Wie geht es Ihnen mit dieser Performance? Sie sind ja stellvertretender ÖVP-Bundesparteiobmann.
Wir haben schon schönere Zeiten erlebt. Die Performance unseres Obmanns Nehammer ist eine sehr gute. Er führt auch mit einer ruhigen und sehr konsequenten Art. Er leitet mit seiner offenen Art seit einem Jahr die Regierung sehr gut.
Unter den schlechten Umfragewerten der Bundespartei leiden auch die Landespartei und Ihre persönlichen Werte. Wie geht es Ihnen damit?
Unsere Gesellschaft hat Ausnahmejahre hinter sich: Corona mit den Lockdowns, der Wirtschaftsaufschwung, der Krieg gegen die Ukraine, die Inflation etc. Da sucht man sich einerseits jemanden, an dem man sich abarbeiten kann, andererseits ist so eine Ausnahmesituation eine besondere Chance, wenn man das als Politiker ernsthaft macht.
Bei historischen Vergleichszahlen muss man beachten, dass es heute ungleich mehr Parteien gibt. Es wird in Zukunft darum gehen, dass wir uns als klarer Erster positionieren. Mit einem klaren Abstand zum Nächsten, um damit den Führungsanspruch im Land zu untermauern.
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