"Taxis auf Elektroautos umstellen"

Rudolf Anschober
Der Grüne Landesrat über ein Diesel-Verbot, die Reform der Grünen und Asyl-Verschärfungen.

Rudolf Anschober (57) ist seit 2003 Mitglied der Landesregierung, nun zuständig für Integration und Umweltschutz.

KURIER: In Deutschlands Städten dürfen Fahrverbote für Pkw mit Dieselantrieben der Norm Euro 5, Euro 4 und älteren Modellen verhängt werden, wenn die Schadstoffgrenzwerte überschritten werden. Werden Sie als zuständiger Umweltlandesrat solche Verbote ebenfalls aussprechen? Beim Linzer Römerbergtunnel und in Enns-Kristein kommt es auch oft zu Messwertüberschreitungen.

Rudolf Anschober: Bei Enns-Kristein sind wir auf einem guten Weg, dass die gesetzten Maßnahmen mit Tempo 100 und dem Verbot von Uralt-Lkw greifen. Beim Römerberg gibt es Handlungsbedarf. Wir arbeiten an einem Maßnahmenpaket, das im April fertig sein sollte. Priorität hat die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs. Es wird eine Reihe von Optionen geben. Eine ist die Umrüstung der Taxiflotte auf E-Mobilität. Sie soll nach dem Münchner Vorbild freiwillig und schrittweise erfolgen.

Die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs ist der entscheidende Hebel. Wir haben einen Einpendleranteil im öffentlichen Verkehr von 17 Prozent. In vergleichbaren Städten in Deutschland und der Schweiz beträgt er 30 bis 45 Prozent. Das ist unser Problem.

Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs liegt in weiter Ferne, er wird frühestens in 15 bis 20 Jahren realisiert. Das ist alles viel zu spät.

Es gibt Maßnahmen, die man vorziehen kann wie den Ausbau der Park-&- Ride-Anlagen oder die Errichtung von Busspuren bei den Zufahrtsstraßen nach Linz. Diese Maßnahmen gehen relativ schnell und haben eine positive Wirkung. Aber es ist klar, dass die Zeit des Herumredens und Verschiebens vorbei sein muss. Es muss gehandelt werden, sonst sind wir zu Maßnahmen wie Fahrverboten gezwungen, die wir nicht möchten.

Was haben Sie gegen Fahrverbote, die die Luft für die Menschen doch deutlich verbessern?

Das sind die letzten Maßnehmen, weil sie sozial ungerecht sind.

Die Landtagswahlen in Niederösterreich und Tirol haben leichte Verluste für die Grünen gebracht. Wie geht es den Grünen?

Wir sind am 15. Oktober absolut am Boden gewesen. Wir haben uns als Bundes-Grüne wieder aufgerichtet. Der erste große Schritt war die Umschuldung, das heißt, die Vermeidung eines Konkurses. Der zweite Schritt ist die Stabilisierung bei den Landtagswahlen. Da werden aber auch wieder Rückschläge kommen. Der dritte Schritt ist der wichtigste, das ist der Reformschritt. Die nächste Etappe ist am 5. Mai in der Tabakfabrik in Linz.

Was soll inhaltlich passieren?

Wir haben sehr genau die Ursachen analysiert. Sie liegen größtenteils in der Eigenverantwortung. Eine der Struktur- und Systemfragen ist die Kandidatinnenfindung. Sie gehört reformiert.

In welche Richtung?

Ich bin für ein strikt demokratisches Modell. Mir gefällt das Modell der deutschen Grünen, wo alle MitgliederInnen über das Spitzenkandidaten-Duo abstimmen. Sie werden dann breitest getragen.

Aus meiner Sicht müssen sich die Grünen ganz massiv öffnen. Wie das bei der Kandidatur von Van der Bellen der Fall war. Der Reformprozess soll ein Signal der Öffnung sein. Bei der ersten Reformveranstaltung in Wien am 17. Februar waren die Hälfte der Anwesenden keine Mitglieder. Es waren Vertreter von Initiativen, von NGO, von Bürgerinitiativen etc. Es gibt ein breites Interesse in diesem Land, dass es eine Alternative zu Schwarz-Blau gibt. Die Grünen werden Dreh- und Angelpunkt dieser Bewegung werden.

Bei den deutschen Grünen werden die Spitzen regelmäßig ausgetauscht. Sie sind nun mit 15 Jahren das dienstälteste Mitglied der Landesregierung. Werden Sie 2021 wieder antreten?

Bei den deutschen Grünen gibt es beides. Die Parteifunktionen werden gewechselt. Bei den Regierungsfunktionen wird aber auch Kontinuität gelebt. Ein Beispiel, mit dem ich mich nicht vergleiche, ist der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er steht kurz vor dem 70er. Er hat durch seine kontinuierliche Politik großes Vertrauen erworben.

Ist er Ihr Vorbild?

Ein Grüner Ministerpräsident ist immer ein Vorbild. Er liegt in den Umfragen stets bei 30 Prozent.

Sie haben die Frage nach Ihrem neuerlichen Antreten nicht beantwortet.

Ich bin für diese Legislaturperiode gewählt. Ich fühle mich gesund und fit wie seit langer Zeit nicht mehr. Ein Jahr vor dem Ende der Periode setze ich mit den Grünen zusammen, wo wir überlegen, wie machen wir am geschicktesten weiter und was braucht die Situation.

KURIER: Die EU will die Unterstützung für die 5000 Soldaten umfassende Eingreiftruppe der Staaten der "G5 Sahel" – Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad und Mauretanien – von 50 auf 100 Millionen Euro verdoppeln. Damit soll die Bekämpfung des Menschenschmuggels, des Terrorismus und anderer Formen der Kriminalität bekämpft werden. Halten Sie das für gut?Ich würde die Verwendung von 100 Millionen Euro für die Bekämpfung der Fluchtursachen für richtig finden. Aber nicht für militärische Aktionen. Die Fluchtursachen lassen sich nicht durch Militär und Polizei bekämpfen, sondern durch Lebensmittel und durch die Möglichkeit vor Ort überleben zu können. Deswegen gehen die Menschen weg. Sie in ihrer Heimat einzusperren ist keine Lösung. Es wäre sinnvoll, die EU-Hilfe für die Krisenregion rund um Syrien zu verdoppeln.

Präsident Macron verschärft das französische Asylrecht massiv. Wer beispielsweise kein Asyl erhält, soll künftig nicht 45, sondern 90 Tage in Abschiebehaft genommen werden.

Frankreich schließt sich dem europäischen Trend von immer schärferen Asylregeln an. Solange wir die Fluchtursachen nicht entschärfen, werden wir das Problem nicht lösen. Auch nicht dadurch, dass wir die Lebensbedingungen für jene verschlechtern, die zu uns kommen.

Mette Frederiksen, die Chefin der dänischen Sozialdemokraten, will, dass Asylwerber in Zukunft weder an der Grenze noch in Dänemark einen Asylantrag stellen können, sondern in einem von Dänemark geführten Lager in Nordafrika. Sollten sie Asyl erhalten, dürfen sie im Lager bleiben. Sie kommen nicht nach Dänemark.

Ich halte das für menschenunwürdig. Das widerspricht sämtlichen Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention. Wir lehren die Menschen, die zu uns kommen, als Erstes die Menschen- und Grundrechte, also müssen wir sie auch leben. Diese Negativentwicklung entsteht dadurch, dass die EU beim Asylrecht restlos versagt. Flucht und Asyl lassen sich nicht national regeln, sondern sind europäische Herausforderungen. Wir brauchen europäische Regelungen, eine neue Dublin-Regelung und eine gute Verteilung der Flüchtlinge auf alle Mitgliedsstaaten.

Die EU will in der nächsten Budgetperiode die Mittel für die Landwirtschaft und die Regionen um fünf bis zehn Prozent kürzen. Das bedeutet einen weiteren Schub für industriell produzierte Lebensmittel.

Es muss das Agrarfördersystem in Richtung Qualität umgestellt werden. Das bedeutet, dass es eine Förderungsgrenze für die großen Einheiten geben muss. Derzeit kassieren einen Großteil der EU-Agrarbudgets ein paar großindustrielle Konzerne, die sich als Landwirte ausgeben. Es muss die kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaft den Vorteil aus der Förderung erhalten. Jene, die Qualität produzieren, die auf das Tierwohl schauen, die, die unsere Landschaftserhalter sind, sollen die Profitierenden sein. Die jetzige Budgetknappheit gibt die Chance, das System zu ändern.

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