„Der Standortkatalog ging im Krieg verloren. Kein Buch steht richtig“, erklärt Grafinger und zeigt auf eines der alten Regale in der Stiftsbibliothek Lambach: „Dort stehen die Bände 1 bis 3, im anderen Regal Band 4“. Auch für Laien ist ersichtlich: Die Bücher wurden nur nach Farbe und Größe der Einbände eingeräumt.
Was wie ein Luxusproblem wirken mag, reicht viel tiefer: „Ohne Katalog ist eine Bibliothek unbenützbar.“ Selbst der Konvent des Stifts könne sie seit 70 Jahren nicht nutzen, weiß doch niemand, was darin steht, und auch nicht wo. Nur eine ungefähre Anzahl ist bekannt: In dem Saal und den Nebenräumen gibt es etwa 20.000 gedruckte Werke, die aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammen.
Seit drei Jahren ist Grafinger deshalb im Zuge eines vierwöchigen, freiwilligen Sommerpraktikums mit ihren Studenten dabei, jedes einzelne Buch aus dem Regal zu nehmen, über den knarrenden Dielenboden zu tragen und es auf dem Laptop in eine Liste einzutragen. Autor, Erscheinungsort, Verlag werden erfasst, auch der grobe Inhalt (Die meisten sind in Latein), handschriftliche Vermerke und Aussehen – etwa, ob es ein Abtwappen trägt, einen Kaffeefleck oder einen Wasserschaden hat.
Student Stefan Neumann (31) erkennt das sofort, er ist das dritte Mal dabei. „Die meisten Bücher haben theologischen Inhalt“, sagt er. Aber auch rechts- und naturwissenschaftliche Bücher sind zu finden. „Ich hatte ein Buch über Pflanzen, die man Tieren gibt, wenn sie krank sind“, erzählt Michael Rößle (23) und schmunzelt.
Zeit, wirklich zu lesen, hat man allerdings nicht, wie Studentin Margit Link (61) bedauert. Sie hat ein Buch aus Anfang 16. Jahrhundert vor sich liegen. Auch vergangenes Jahr fand man derartige Schätze: Inkunabeln, Wiegendrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks. „Die sind mehrere Hunderttausend Euro wert“, weiß Grafinger, weshalb diese Bücher nicht auf ihren alten Platz kommen, sondern ins Archiv wandern.
Bis 2024 soll es durch die Erfassung jedoch möglich sein, dass alle anderen Bücher künftig wieder richtig stehen.
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