Prammer (SPÖ): "Ich werde manchmal laut, das tut mir dann gleich leid"

Dietmar Prammer (SPÖ) wurde am Sonntag mit einer überwältigenden Mehrheit zum Nachfolger von Klaus Luger als Bürgermeister von Linz gewählt. Im Interview gibt er einen Einblick in kurz- und langfristige Pläne und gibt preis, wie er tickt.
KURIER: Mögen Sie eigentlich die Linzer Torte?
Dietmar Prammer: Ja.
Können Sie diese auch backen?
Ich bin eigentlich ein guter Koch und ein sehr passabler Mehlspeisenbäcker. Aber die Linzer Torte habe ich komischerweise noch nie probiert.
Wie schaut es mit dem OÖ Nationalgericht, dem Knödel, aus?
Knödel kann ich. Innviertler hab' ich noch nie gekocht, aber die mag ich gerne. Die Mühlviertler, die gebackenen Speckknödel, die kann ich, mach' ich aber selten, weil das ein riesiger Aufwand ist.
Wer kocht bei Ihnen zu Hause?
In der Vergangenheit war das meistens ich. Im letzten Jahr ist es bei mir weniger geworden. Ich schaue, dass ich am Wochenende ein bisschen zum Kochen komme.

Was essen Sie am Liebsten?
Ich mag meine Lasagne. Aber ich mag die ganze Bandbreite, von der Leberkässemmel bis zur Sterneküche, vom Bratwürstel bis zum Asiaten. Und ich gehe auch gerne essen.
Kommen wir zu Linz. Außerhalb von Linz hört man oft: Echt? Linz soll schön sein? Warum wird Linz im Rest von Österreich immer noch als wenig attraktiv angesehen? Ist es so „schiach“, wie ein Protagonist im Werbevideo „Linz ist Linz“ gesagt hat?
Überhaupt nicht. Jeder, der Linz von früher gekannt hat und später wieder hier aufschlägt, ist begeistert, wie sich die Stadt entwickelt hat. Vielleicht sind wir so etwas wie ein Hidden Champion, das kann ja auch ein Vorteil sein. Wir werden sicher auch unterschätzt, das macht vielleicht auch die Stärke von Linz aus, dass wir uns in Ruhe entwickeln können. Wir müssen uns nicht in die Auslage stellen, weil der Erfolg für uns spricht.
Gibt es einen Bürgermeister einer Stadt in Österreich, an dem oder der Sie sich orientieren?
(denkt lange nach) Nein.
Haben Sie überhaupt ein Vorbild in der Politik?
Ich sage jetzt sicher nicht Gandhi oder John F. Kennedy. Auch nicht Bruno Kreisky. Aber natürlich bin ich seit meiner Kindheit politisch interessiert. Da hat es immer wieder prägende Persönlichkeiten gegeben.
Wen zum Beispiel?
Natürlich ein Bruno Kreisky vom Fernsehen. Und in der Zeit von Franz Vranitzky bin ich politisch aktiv geworden. In Linz waren das ein Franz Dobusch und ein Klaus Luger. Barbara Prammer zählt auch dazu.
Und Andreas Babler und Hans Peter Doskozil?
Für mich nicht, weil ich fast auf Augenhöhe mit ihnen in der Politik bin. Das sind keine Personen, auf die ich hinaufschaue.
Sind diese beiden, wie sie in der Politik agieren, Vorbilder?
Wenn man Andreas Babler als den erfolgreichen Bürgermeister von Traiskirchen sieht, wo er in einem schwierigen Umfeld mit einer großen Mehrheit ausgestattet war und gestalten konnte, ja. Und Doskozil als erfolgreicher Landeshauptmann, der in einem strukturschwachen Bundesland gute soziale Politik für die Menschen macht, auch. Wie man jetzt sieht, kann man als Oppositionspolitiker im Bund weniger gestalten und wird daran gemessen.
Und das macht Babler nicht so gut?
Ich glaube und hoffe, dass er das in Zukunft besser machen wird.

Dietmar Prammer beim Wahlkampfauftakt von Andreas Babler in Linz mit dem Wiener Bürgermeister Michael Ludwig.
Wäre Ihnen Doskozil in der Rolle lieber?
(Denkt sehr lange nach). Schwer zu sagen. Ich habe Andreas Babler ja nicht als Parteichef gewählt. Aber ich glaube, nein. Wenn ich mir vorstelle, wie Doskozil gegen blau-schwarz agiert, könnte das durchaus funktionieren. Aber er würde ein gewisses Spektrum gar nicht mehr ansprechen.
Wie gefällt Ihnen die Performance von Alois Stöger in der SPÖ Oberösterreich?
Er führt die Partei sehr ruhig und führt viele Gespräche, auch in Abstimmung mit mir. Er ist aktuell die richtige Person.
Aber so attraktiv ist das Bild der SPÖ Oberösterreich auch nicht. Was ist so schwer daran, einen Landesrat und Parteichef zu finden?
Wir brauchen jemand, der den Willen hat, anzupacken und 2027 gewinnen zu wollen. Er muss die Partei mitnehmen können und von breiten Teilen der SPÖ akzeptiert sein. Es gibt die Person aus der zweiten Reihe nicht. Es gibt Jüngere, für die das gerade noch zu früh kommt. Natürlich sieht man daran auch das Manko in der Personalentwicklung der SPÖ.
Haben Sie einen Favoriten oder eine Favoritin?
Nein.
Eva Schobesberger hat eine Wahlempfehlung für Sie abgegeben. Sind die Grünen Ihr favorisierter Partner in Linz?
Wir haben ein Proporzsystem, es gibt keine Koalitionen.
Aber es hat schon Arbeitsübereinkommen der SPÖ in Linz gegeben, etwa mit der FPÖ.
Auch mit den Grünen, das wird immer vergessen. Die Frage stellt sich nicht, weil ich mit allen gut zusammenarbeite. Mit Schobesberger, in machen Bereichen auch mit Michael Raml. Und sogar mit Martin Hajart.
Was manchmal schwieriger ist?
Was manchmal schwieriger ist, ja. Aber auch wir haben Themen, die wir gemeinsam abarbeiten.
Das Innenstadtkonzept „Best of Linz“ hat viele hehre Ziele, manches sehr grün, vieles bleibt vage. Wie stellen Sie sicher, dass diese schönen Sätze Linzer Realität werden?
Viele Maßnahmen sind in einer langfristigen Perspektive enthalten. Einige Punkte - wie den Hauptplatz - wollten wir rasch umsetzen. Die südliche Landstraße gehen wir heuer an. Eine Person aus dem Magistrat wird sich mit der Umsetzung der Punkte aus dem Konzept weiter beschäftigen. Ja, die Umsetzung wird auch in meiner Verantwortung liegen.
Wird es zusätzlich Budget dafür geben?
Zahl gibt es noch keine dafür. Einige Maßnahmen kosten ja nicht viel. Die größte finanzielle Maßnahme ist der neue Hauptplatz. Alle anderen werden wir einplanen.
In Linz gibt es viele Bürgerinitiativen. Sind die Menschen von der Politik so alleine gelassen, dass sie sich so formieren müssen?
Ich glaube nicht, dass wir mehr Initiativen in Linz haben als anderswo. Wir wollen keine Versiegelung außerhalb der Stadt, sondern innen nachverdichten und Quartiere neu entwickeln. Da ändert sich das Lebensumfeld der Menschen. Das ruft viele auf den Plan.
Finden Sie solche Initiativen gut?
Grundsätzlich ist es gut, dass sich Menschen dort, wo sie leben, engagieren. Sie kennen sich meistens vor Ort gut aus, wissen, was los ist. Andererseits geht es immer um die eigenen Partikularinteressen. Das richtige Modell dazu haben wir alle noch nicht gefunden.
Der Diskussion stellen Sie sich schon?
Ja.
Und das fließt in Ihre Entscheidungen auch ein?
Die Zuständigkeit der Politik, auch meine, ist es dann, diese Interessen abzuwägen und zu entscheiden. Wir müssen die gesamtstädtischen Interessen berücksichtigen, ob das jetzt leistbarer Wohnraum ist, die Verkehrssituation oder wirtschaftliche Interessen von Unternehmen, Versiegelung, Klima - da gibt es vielfältige Interessen.
Ganz anderes Thema. Welche Musik hören Sie und wie stehen Sie zu Anton Bruckner?
Musik höre ich mittlerweile fast nur noch im Auto. Ich laufe auch nicht mit Musik. Aber ich bin sehr musikinteressiert. Bruckner war nie so meins, eher Strawinsky, ein bisschen Schönberg und Richard Strauss. Bruckner war mir nie so zugänglich, ich war auch in der Klassik eher bei den progressiven Musikern. Aber ich bin in allen Genres daheim.
Würden Sie da einen Lieblingsinterpreten nennen?
Die Beatles haben mich geprägt über die Jahre. Das war mein Spezialgebiet bei der Matura. Und ich bin ein großer Prince-Fan. Das ist auch meinem Alter geschuldet.
Wo wir bei Bruckner sind: Welche Rolle soll das Brucknerhaus in Linz spielen?
Das Brucknerhaus ist - und da muss ich mich auf Erzählungen verlassen, weil ich im gleichen Jahr geboren wurde, als das Brucknerhaus eröffnet wurde - zu Beginn für Avantgarde gestanden. Das passt gut zu Linz.
War jetzt zu viel Mainstream?
Ich will nicht Mainstream sagen. Das Brucknerhaus muss sich breiter aufstellen - was das Angebot für die Bevölkerung betrifft. Das ist auch kein Widerspruch. Es gibt auch breitenwirksame Avantgarde. Wir müssen mit dem Brucknerhaus einen Kontrapunkt setzen in der Kulturlandschaft Oberösterreichs.
Nicht „more of the same“...
Wir machen eine urbane, zeitgenössische Kultureinrichtung, die sich mit den anderen städtischen Playern gut austauscht, auch mit der freien Szene. Es kann ja sehr befruchtend sein, sich nicht nur auf Klassik oder Jazz zu fokussieren. Wir wollen uns zur Bevölkerung öffnen.
Braucht es dazu einen neuen Theatervertrag mit dem Land?
Es braucht Gespräche und Diskussionen auf Augenhöhe. Ob das dann ein Vertrag ist oder eine anderen Kooperationsform, da bin ich offen.
Die Drei-Millionen-Euro-Klage von Kerschbaum lässt Sie immer noch kalt?
Ja. In solche Verhandlungen wird oft mit einem hohen Betrag hineingegangen. Unsere Argumente, also die der LIVA, ihn zu entlassen, sind sehr stichhaltig.
Wenn Klaus Luger verurteilt wird: Sollen die Kosten, die er verursacht hat, von ihm zurückgefordert werden und soll sich die LIVA im Falle einer Niederlage gegen Kerschbaum an Luger schadlos halten?
Diese Frage stellt sich noch nicht. Aber das müsste man dann vorher mit unseren Anwälten besprechen.
Ihr aktuelles Verhältnis zu Klaus Luger?
Wir sind in regelmäßigen Abständen im Gespräch. Er hat mir persönlich gratuliert und sich für mich gefreut.
Die I:TU ist ein großes Thema. Minister Polaschek fordert von der Stadt jetzt Geld. Haben Sie ihm geantwortet?
Nein, sein Schreiben war die Antwort auf eine Resolution des Gemeinderats. Ich weiß ja nicht einmal, ob es für eine Antwort jetzt einen Adressaten gibt. Ich nehme das als Geplänkel, wir werden mit dem Bund, der BIG und dem Land konstruktive Gespräche führen.
Beim Land gibt es einen Ansprechpartner: Landeshauptmann Thomas Stelzer. Er hat seinem Ärger zu Ihrer Entscheidung beim Grüngürtel mehrmals freien Lauf gelassen und die Stadt kritisiert, dass „sprunghafte“ Entscheidungen getroffen werden, ohne dass man selbst mitfinanziere. Haben Sie mit ihm schon darüber geredet?
(zögert mit der Antwort): Ja. Wir führen regelmäßig Gespräche.
Was haben Sie mit ihm bezüglich des Standorts besprochen?
Wir sind beide willens, eine gute Lösung zu finden.
Die in Linz liegt?
Ja.
Brigitte Hütter, Rektorin der Kunstuni und Vorsitzende der Universitätenkonferenz hält die inhaltliche Ausrichtung der I:TU noch nicht für hinlänglich geklärt.
In diese Diskussion mag ich mich nicht einbrigen, dazu fühle ich mich nicht im Stande. Es gibt ein Gesetz, das die Universität so vorsieht. Ich bin aufgerufen, einen Standort für die Uni zu finden. Die ersten Masterstudien starten jetzt. Ich sehen keinen Grund, an der inhaltlichen Ausrichtung zu zweifeln.
Und als Standort favorisieren Sie die PostCity?
Das wäre ein guter Standort. Es gibt aber auch andere. Darüber wird man sich austauschen.
Ihrem Gegner in der Stichwahl, Michael Raml von der FPÖ, war das Integrationsleitbild ein großes Anliegen. Wird das jetzt überarbeitet?
Da gibt es ja auch einen Antrag dazu. Das werden wir uns anschauen. Unser Leitbild wird regelmäßig evaluiert.

Dietmar Prammer und Michael Raml (FPÖ)
Werden Sie blaue Inhalte in dieser Frage übernehmen – Stichwort Kürzung von städtischen Sozialleistungen oder höhere Hürden beim Anspruch - oder haben Sie eine eigene Vorstellung, wie die herrschenden Probleme in Linz zu lösen sind?
Ich verschließe mich gegen nichts, aber bei vielen Maßnahmen der FPÖ sehe ich keinen Nutzen, sondern nur das populistische Schlagwort. Ich kenne die Diskussion mit der Verschärfung im Wohnbau. Manfred Haimbuchner hat auf Landesebene in mehreren Schritten den Zugang für Migrantinnen und Migranten zum geförderten Wohnbau beschränkt. Das bringt Probleme mit sich. Das gleiche gilt jetzt für den Zugang zum Gesundheitssystem. Will man das? Was hat das für Folgen? Medizinische Unterversorgung etwa.
Diese Themen kommen für Sie nicht infrage?
Ich würde mir gerne anschauen, was das bringen soll. Man will damit ja Integration und Deutsch erzwingen. Aber ob das funktioniert?
Ihr Vorschlag?
Wir waren eine der ersten Städte mit Deutschförderung im Kindergarten. Das wird evaluiert, ob wir unsere Ziele erreicht haben.
Offensichtlich nicht.
Ja, offensichtlich nicht. Wir sind nicht so gut unterwegs, wie wir uns das wünschen würden. Da gibt es Nachbesserungsbedarf, wir sehen das auch in den Schulen. Der große Hebel ist die Integration am Arbeitsmarkt. Auch das funktioniert noch immer nicht so gut. Wir sind ein Ballungsraum, wir werden die Herausforderung der Zuwanderung immer haben. Ob wir das durch restriktive Maßnahmen verbessern können? Ich hege meine Zweifel. Aber ich bin gerne bereit, darüber zu diskutieren.
Abschließend nochmals zu Ihnen: Wie würden Sie ihren Führungsstil bezeichnen?
Sachlich und teamorientiert.
Werden Sie laut auch?
Ja. Aber meistens ärgere ich mich danach und es tut mir leid.
Wollen Sie bis zu Ihrer Pension Bürgermeister von Linz bleiben?
Hm. (denkt nach).
Wenn Sie so lange Bürgermeister sind, wie Ihr Vorgänger Klaus Luger, geht sich das aus.
Ja, wenn das Pensionsalter nicht erhöht wird, das weiß man ja nicht. Natürlich bin in angetreten, um länger als bis 2027 Bürgermeister zu sein. Und wenn es mir so lange Spaß macht, gehe ich schon davon aus. Die Linzerinnen und Linzer müssen das aber auch wollen. Die Wähler haben das letzte Wort.
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