Mit Ehrfurcht und Respekt genießen

Seppy und das sprechende Würstel
Warum dem Seppy der Bissen im Hals stecken bleibt und wieso er jetzt genau überlegt, was er isst

von Christa Koinig

Neulich gab es bei uns Bratwürstl. Ich war zwar nicht hungrig, aber ich hatte so einen Gusto, dass ich mich darauf gestürzt habe. Doch dann wäre mir der erste Bissen fast im Hals stecken geblieben, denn das Würstl hat auf einmal gesprochen: „He, warum schlingst du mich so hinunter?“ Weil ich Hunger habe, wollte ich antworten, aber ich wusste, dass das nicht stimmt. Das Würstl hat’s auch gewusst, „du wolltest mich möglichst schnell verschlingen, einfach nur so. Wo bleibt der Respekt?“ Wieso sollte ich vor einem Bratwürstl Respekt haben?

Klug und stolz

„Ich bin ein Würstl, aber ich war einmal ein kluges Tier. Also Teile von mir“, hat das Würstl gemeint und ich war gespannt, was es mir noch mitzuteilen hat. Also hab’ ich gesagt, „du bist ein Schweinsbratwürstl, also nehme ich an, dass du einmal ein Schwein gewesen bist.“ „Ja, gewissermaßen“, hat das Würstl geantwortet. Jetzt wurde ich neugierig und hab’ mich nicht getraut, diese Frage zu stellen, doch das Würstl hat von sich aus gesagt: „Ja, wir Schweine wissen, dass wir eines Tages aufgegessen werden. Wir haben uns damit abgefunden. Schweine sind kluge, stolze Tiere, sie sind gesellig, sie können Freude, Schmerz und Leid empfinden. Alle Tiere können das. Auch wenn ihnen oftmals ihre Würde genommen wurde, du kannst sie ihnen wiedergeben, indem du jedes noch so kleine Stückerl Wurst oder Fleisch achtsam und vor allem mit Genuss verzehrst.“

Eigentlich wüsste ich das alles, aber von einem Würstl hab ich’s noch nie so in echt gehört. Das hat mich ziemlich berührt. Da hat mir das Würstl verständnisvoll zugezwinkert. Ich hab’s dann doch aufgegessen, beinahe andächtig und voll Ehrfurcht, aber mit viel Genuss. Und vor allem mit Respekt.

Kommentare