Wirt: "Kontrollen sind in der Praxis schwer durchführbar"

Robert Seeber im Gastgarten seines Promenadenhofs
Die Lokale dürfen zwar am Mittwoch aufsperren, aber unter erschwerten Bedingungen. Diese schänken die Wirtschaftlichkeit stark ein, sagt Robert Seeber vom Linzer Promenadenhof.

Robert Seeber ist Wirt und betreibt mit seiner Frau Elfriede in Linz den Promenadenhof, das Café Ecco an der Ecke Landstraße/Spittelwiese, den Schnellimbiss Seeber gegenüber dem Hauptbahnhof und die Gastronomie im WIFI. Der 66-Jährige ist seit 2016 Mitglied des Bundesrates (ÖVP), weiters Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Bundeswirtschaftskammer. Dazu gehören die 90.000 Betriebe der Gastronomie, der Hotellerie, der Reisewirtschaft, der privaten Kuranstalten, der Freizeiteinrichtungen, der Sportbetriebe und der Veranstaltungsbranche. In Oberösterreich ist er auch der Spartenobmann. Zudem ist er Obmann des Oberösterreich-Tourismus.

KURIER: Ihre Betriebe dürfen ab 19. Mai öffnen. Was bedeutet das für Sie?

Robert Seeber: Wir freuen uns. Wir hatten fast ein Jahr geschlossen. Wir hatten nie eine richtige Perspektive. Es war ein einziges Hinzittern. Viele Betriebe befinden sich einer wirtschaftlichen dramatischen Situation, was psychisch sehr belastend war. Nach vielen Ups und Downs und vielen Stops und Goes können wir wieder unserer Gastgeberrolle gerecht werden. Das erwarten wir sehnsüchtigst.

Es gibt aber einen Wermutstropfen. Wir müssen nun sechs Wochen lang bis zum 1. Juli Auflagen erfüllen, die die Wirtschaftlichkeit stark einschränken.

Wie werden Sie das Einhalten der Regeln kon trollieren?

Die Gäste müssen entweder getestet, geimpft oder an Corona genesen sein. Wir sind darüber nicht glücklich. Die Kontrollen sind in der Praxis sehr schwer durchzuführen. Zum Beispiel bei Cafés in Frequenzlagen mit einer hohen Fluktuation und einem Schanigarten. Es muss auch im Freien getestet werden. Das ist für mich nicht verständlich. Manche Gäste werden sagen, angesichts der Kontrollen überlege ich mir es, ob ich ins Lokal gehe. Aber wir tragen das im Sinne der Freude über das Öffnen mit, weil wir wissen, dass es mit 1. Juli und dem Impffortschritt weitere Öffnungsschritte geben wird. Wir haben auch durchgesetzt, dass wir bis 22 Uhr öffnen dürfen.

Es wird also noch dauern, bis der Betrieb wieder voll laufen wird.

So ist es. Man darf zum Beispiel Hochzeiten machen, aber nichts ausschenken. Das bedeutet, dass Hochzeiten de facto erst ab Juli gehen werden. Ich bin zuversichtlich, dass es ab diesem Zeitpunkt besser wird. Denn dann sind bereits vier bis fünf Millionen Österreicher geimpft. Das ist dann eine andere Situation als im Vorjahr. Wir haben damals schon bewiesen, dass wir unsere Hygiene- und Präventionskonzepte umgesetzt haben. Österreich ist inzwischen auch Europameister im Testen. Die sechs Wochen sind eine Übergangszeit, die wirtschaftlich noch nicht das Gelbe vom Ei sind.

Wie darf man sich die Kontrolle praktisch vorstellen? Muss sich jeder Gast beim Eintritt ausweisen?

Das wird so sein. Meine Empfangsdamen Barbara und Traudi werden die Gäste ansprechen und sie bitten, die Testbestätigung, einen Antigen- oder einen Impfnachweis vorzulegen. Für jene, die keinen Test haben, gibt es eine Notlösung, einen Selbsttest, der vom Bund finanziert wird. Er gilt nur im jeweiligen Betrieb. Der Gast kann damit aber kein anderes Lokal besuchen. Ich appelliere an die Gäste, sich bereits vorher testen zu lassen, wenn sie vorhaben, mehrere Lokale zu besuchen.

Köche und Kellner waren während des langen Lockdown in Kurzarbeit oder arbeitslos. Bekommen Sie nun genügend Personal?

Nein. Ich habe im Promenadenhof fast alle beieinander, aber zwei sind mir abgesprungen. Sie sagen, sie sehen keine Perspektive. Eine lässt sich in einen Gesundheitsberuf umschulen, der andere sucht sich etwas anderes. Er will nicht mit der Maske arbeiten. Manche haben auch Gefallen an der sozialen Hängematte gefunden. Sie haben sich an die Kurzarbeit gewöhnt.

Diese Mitarbeiter kehren nicht mehr zurück?

Das ist ein gewisser Prozentsatz. Rund zehn Prozent kehren generell der Branche den Rücken. Die Personalsituation war schon vor Corona angespannt, jetzt ist sie es noch stärker. Unsere Branche hatte 2019 österreichweit 2700 Lehrlinge, jetzt sind es 1700. Das ist ein Rückgang von 35 Prozent, da müssen die Alarmglocken schrillen.

Die Lücken werden in den meisten Fällen durch Mitarbeiter aus Osteuropa gefüllt.

Wir kämpfen immer darum, dass wir unsere Saisonnier-Kräfte bekommen. Die Politik ist gefordert über eine flexiblere Arbeitswelt nachzudenken. Auch über die Zumutbarkeitsbestimmungen.

Was heißt das konkret?

Ein arbeitsloser Koch wohnt zum Beispiel in Amstetten und ich biete ihm einen Posten in Linz an, er weigert sich aber, die 50 km zu fahren. Die Zumutbarkeitsbestimmungen müssen verschärft werden. Es gibt Leute, die sagen, ich gehe lieber zum AMS und verdiene zusätzliches Geld durch Gelegenheitsjobs bei Festen. Im Westen Österreichs werden händeringend Köche und Kellner gesucht, es werden gute Unterkünfte angeboten, aber die Arbeitssuchenden sind nicht bereit, aus dem Wiener Raum in den Westen arbeiten zu gehen. Sie verlangen, dass die Jobs in der Nähe sein müssen. Hier muss man die Regeln nachschärfen.

Potenzielle Gäste erzählen, dass für die Zeit ab dem 19. Mai sehr viele Reservierungen vorliegen und es sehr schwierig ist, einen Tisch zu bekommen.

Das stimmt. Wir verzeichnen im Promenadenhof auch einen Boom. Es besteht ein Nachholbedarf. Wenn die Krise etwas Gutes gehabt hat, dann die Erkenntnis, dass das Leben ohne Gastronomie, ohne Hotellerie und ohne Tourismus viel weniger Freude macht. Sie sind ein sozialer Kitt. Ich sehe das an den Buchungen. Wir haben zwar viele Anfragen von größeren Gruppen, müssen sie aber wegen der Regeln für die nächsten sechs Wochen ablehnen.

Wie groß ist der Schaden für die Gastronomie, für die Hotellerie und für den Tourismus durch den Lockdown?

Ich kann das momentan schwer überblicken. Die Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung waren nicht schlecht und haben Probleme in der Branche zugedeckt. Alle Experten sagen, die Schwierigkeiten kommen erst ab Herbst. Die Kurzarbeit, der Umsatzersatz, der Fixkostenzuschuss und die ermäßigte Mehrwertsteuer haben schwachen Betrieben geholfen, aber es wird einen gewissen Prozentsatz geben, der in die Insolvenz schlittern wird. Richtig zeigen wird sich im nächsten Jahr.

Können Sie das nicht abschätzen?

Das ist Kaffeesudleserei. In der Anfangsphase haben wir von 25 Prozent geredet. Es wird aber nicht so arg werden. Es können möglicherweise zehn Prozent werden. Die Insolvenzen werden mit Sicherheit ansteigen.

Welche Konsequenzen muss man aus der Krise ziehen?

Wir müssen etwas im touristischen Arbeitsmarkt tun. Viele wechseln den Job. Wir müssen das Image der Branche heben. Wir brauchen interessante Arbeitszeitmodelle. Wir müssen uns stärker um die älteren Mitarbeiter kümmern und versuchen, sie mit Teilzeitarbeitsmodellen zurückzuholen. Die Mitarbeiter sind unser höchstes Kapital.

Das andere Problem im Tourismus ist, das die Betriebe eine sehr geringe Eigenkapitalquote von sechs bis sieben Prozent haben. Rund 15 Prozent haben überhaupt ein negatives Eigenkapital. Die Hälfte lebt zwar, verdient aber nichts. Wir müssen das Eigenkapital erhöhen. Wir denken an eine Tourismusanleihe oder an die Gründung eines Tourismusfonds über die Hotel- und Tourismusbank und andere Banken.

Wirt: "Kontrollen sind in der Praxis schwer durchführbar"

Das Gästeverhalten hat sich verändert. Wir müssen wegkommen vom Phänomen des Overtourism (Massentourismus, der zu Konflikten mit Einheimischen führt, Anm.) wie zum Beispiel in Hallstatt. Wir brauchen eine neue Lenkung der Besucherströme. Die Gäste sehnen sich viel stärker nach einer intakten Natur. Corona hat eine gewisse Entschleunigung im Urlaubsverhalten gebracht. Darüber hinaus ist Tourismus auch Regionalpolitik. Wir sollten in Wertschöpfungsketten denken. Die Gastronomie und Hotellerie sind quasi die Trägerraketen, über die die heimischen Produkte an die Kunden gebracht werden. Die Bauer, die Erzeuger, die Händler, die Gewerbetreibenden sollen ebenso eingebunden werden wie die heimische Bevölkerung, die die Gäste bei ihren Bräuchen mitleben lässt. Das ist ein Lebensmodell zurück zum Ursprung. Es gehört alles vernetzt.

Von den Bauern kommt der Wunsch, dass die Gastronomie auf ihre regionalen Produkte zurückgreift und dass die Herkunft des Fleisches, des Gemüses etc. auf der Speisekarte angegeben wird. Warum wird das nicht realisiert?

Wir sind dafür, aber es muss freiwillig sein. Wir haben Angst vor einem weiteren Bürokratiemonster. Die Allergenverordnung ist uns in schlechter Erinnerung. Letztendlich wird der Kunde diese Frage entscheiden. Wenn er es verlangt, wird es gemacht. Ein Großteil unserer Betriebe macht das bereits, ich mache es auch, aber nicht bei allen Speisen. Bei diesem Thema geht es auch um die Verfügbarkeit. Wenn ich als Wirt jeden Tag 150 Steaks benötige, ist das nicht so einfach. Ein weiterer Punkt ist der Preis. Es gibt auch Gäste, die finanziell nicht so gut gestellt sind.

Die Buchungen in der Hotellerie für den Sommer sind sehr gut. Sind Sie zufrieden?

Ja, das sind wir. Wir merken, dass die Buchungen immer kurzfristiger vorgenommen werden. Die Gäste fürchten sich weniger vor der Ansteckung mit Corona, sondern vielmehr vor der Quarantäne. Ein wichtiger Punkt sind auch die Stornobedingungen. Hier brauchen wir Flexibilität. Dass man zum Beispiel bis drei Tage vor Antritt stornieren kann. Wenn das in Zusammenhang mit der Pandemie ist, sollten den Gästen keine Kosten erwachsen.

Die Österreicher haben heuer zu 60 Prozent vor, im Inland Urlaub zu machen. Auch die deutschen Gäste sind wichtig. Wir brauchen unbedingt den Grünen Pass, der zumindest europaweit gültig werden soll. Auch die Veranstalter und Reisebüros benötigen ihn dringend. Solange es den Grünen Pass und die internationale Reisefreiheit nicht gibt, wird die Stadthotellerie kein Geschäft haben. So gut das Aufsperren jetzt ist, braucht es für die Stadthotellerie weitere Hilfen des Staates. Zum Beispiel eine Verlängerung der Kurzarbeit. Die Stadthotellerie hat eine Auslastung von 20 Prozent.

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