Neuer Energie-AG-Chef: Die Strom- und Gaspreise werden stabil, aber hoch beiben
Leonhard Schitter ist seit Jahresbeginn neuer Vorstandsvorsitzender der Energie AG. Der 55-Jährige ist in Elixhausen bei Salzburg aufgewachsen, er war unter anderem fünf Jahre in den Büros der Landeshauptleute Hans Katschthaler und Franz Schausberger tätig. Von 1999 bis 2011 gehörte er der Geschäftsführung der Kaindl-Gruppe an. Von 2012 bis 2022 war er Vorstandssprecher der Salzburg AG.
KURIER: Mit Ihnen ist erstmalig ein Außenstehender Chef der Energie AG geworden. Was wird jetzt anders?
Leonhard Schitter: Die Energie AG ist ein sehr stabil aufgestelltes Unternehmen. Es wird von starken Wurzeln und Menschen getragen. Wir werden das Unternehmen allerdings noch stärker in Richtung Unabhängigkeit in der Energieversorgung entwickeln und mehr in den Ausbau der Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind und Photovoltaik investieren.
Wo sehen Sie Reformbedarf im Haus?
Das Haus ist robust aufgestellt, wie zum Beispiel beim Thema Versorgungssicherheit. Die Gasspeicher der Energie AG sind mit 91 Prozent noch sehr gut gefüllt, wenngleich die Preise bei der Einspeisung vor dieser Heizungsperiode sehr hoch waren. Wir haben immer darauf geschaut, dass die Bezugsquellen diversifiziert sind. Das werden wir auch künftig machen.
Wie viel Prozent des Erdgases beziehen wir aus Russland?
In Österreich sind wir nach wie vor von russischem Erdgas abhängig. In der Energie AG haben wir allerdings keine direkten Handelsverträge mit russischen Lieferanten.
Was heißt das?
Wir verfolgen eine ausgewogene Handelsstrategie und haben bei den bilateralen Verträgen solide, europäische Handelspartner, wie zum Beispiel die Schweizer Axpo oder die Energie Baden-Württemberg. Weiters gehen wir zu 55 Prozent über die Börse.
Welche Initiativen wollen Sie im Bereich der erneuerbaren Energie setzen?
Die Erneuerbaren und die damit verbundene Regionalität bieten mehr Unabhängigkeit. Wir konzentrieren uns auf die Erzeugungsmöglichkeiten bei Wasser, Wind und Sonne. Zusätzlich haben wir uns auch intensiv mit dem grünen Wasserstoff zu beschäftigen. Er ist ein Zukunftsthema und eine Absicherung für den Industriestandort.
Wir werden daher bis 2030 eine Milliarde Euro in den Ausbau erneuerbarer Energiequellen investieren. Eine Milliarde Euro fließt zusätzlich bis 2030 in die Ertüchtigung und Ausbau der Netze. In Summe investieren wir somit bis 2030 etwa zwei Milliarden Euro.
Was sind die konkreten Projekte?
Wichtige Projekte sind zum Beispiel das Kraftwerk Weißenbach in Bad Goisern. Weiters der Ersatzneubau des Kraftwerks Traunfall, der weiteres Leistungsvolumen bedeutet. Dazu sollte noch die größte Investition der Unternehmensgeschichte, das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee, umgesetzt werden.
Ist hier die Finanzierung bereits gesichert?
Die Verhandlungen laufen. Ich bin guter Dinge, dass wir bis Mitte des Jahres dem Aufsichtsrat die Vorlage für den Baubeschluss präsentieren können. Dann könnte heuer noch der Spatenstich erfolgen.
Bei der Photovoltaik haben wir bis zu 200 Gigawattstunden zusätzlicher Leistung geplant. Sowohl beim Ausbau mit Privaten als auch durch die Errichtung auf Freiflächen mit geringer Bodengüte. Wir versuchen, die Projektliste sukzessive abzuarbeiten. Beim Wind haben wir nochmals um die 200 GWh an Potenzial in den kommenden Jahren.
Wo zum Beispiel?
Ich denke da zum Beispiel an den Ausbau bestehender, aber auch an neue Standorte.
Ihr Aufsichtsratsvorsitzender Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) bremst in der politischen Diskussion mit den Grünen, die die Windkraft wesentlich stärker ausbauen möchten. Achleitner will vornehmlich bestehende, alte Anlagen durch neue, effizientere ersetzen.
Um die Transformation der Energiewende voranzutreiben, werden wir alle Einheiten der erneuerbaren Energie abdecken müssen.
Wo planen Sie weitere Windkraftanlagen?
Wir prüfen verschiedene Projekte und versuchen, sie auch umzusetzen. Es ist noch zu früh, darüber öffentlich zu reden, weil die internen Prüfungen im Gange sind. Wir wollen hier mit Behutsamkeit vorgehen.
Eines ist auch klar. Man wird die Energiewende sehen. Es sind nicht nur die Netze, sondern auch die Erzeugungsanlagen dafür erforderlich. Sie werden in der Landschaft sichtbar sein. Innovation und Fortschritt sind immer mit Infrastruktur verbunden. In der Vergangenheit wurden Gleise, Tunnels oder Kraftwerke gebaut. Sie alle haben uns den Wohlstand gesichert.
Wie sehen Ihre konkreten Projekte beim Ausbau der Leitungen aus?
Wir werden die Netze weiterhin ertüchtigen. Es geht um die Einspeisung der volatilen Energien. Das betrifft speziell den privaten Bereich, weil viele Photovoltaikanlagen dazukommen werden. Weiters geht es nicht nur um den Neubau von Leitungen, sondern auch um den Ersatz bestehender Leitungen und Netze.
Wann ist das Netz so weit, dass jene, die ihren Strom aus der Photovoltaikanlage einspeisen wollen, dies umgehend machen können? Ein höherer Strombedarf ist auch durch die Zunahme von Elektroautos gegeben. Wann ist das Netz für all das gerüstet?
Es geht jetzt darum, sukzessive die Maßnahmen zu setzen. Dazu zähle ich auch den Ausbau an Elektromobilität, was mir besonders am Herzen liegt, weil diese uns bei der Dekarbonisierung im Verkehr helfen wird. Die Menschen erwarten sich das auch von einer Energie AG. Dazu müssen wir mehr in die Digitalisierung investieren, damit wir Ladesysteme oder auch Abrechnungssysteme kundenfreundlich anbieten können.
Wann ist die Energie AG so weit? 2030?
Es geht gar nicht ums Wann, sondern ums Wie. Es gibt einen Plan, dass wir die Netze sukzessive anpassen und erneuern. Wir haben zum Teil noch Leitungen aus den 1970er-Jahren, die erneuert gehören. Man kann nicht A beim Ausbau der erneuerbaren Energie sagen und dann B bei der Umsetzung. Hier braucht es einen Schulterschluss aller Stakeholder.
Grüner Wasserstoff ist ein zentrales Thema. Wann wird er zur Verfügung stehen?
Grüner Wasserstoff ist eine wichtige Zukunftstechnologie. Die Frage ist: In welchen Anwendungsgebieten können wir ihn einsetzen? Die Industrie ist das eine, der Transport desselben das andere.
Es geht hier um die Verwendung von Gasleitungen für den Transport von Wasserstoff.
Genau. Sie sind zum Teil schon wasserstofftauglich.
Zu welchem Prozentsatz?
Das hängt von den Leitungen ab. Es gibt die Übertragungs- und Verteilungsbereiche. Es sind jetzt schon Ertüchtigungen des Gasnetzes möglich. Die Frage ist vielmehr, von woher bekommen wir den grünen Wasserstoff und wie bekommen wir ihn zum Kunden?
Hier geht es darum, in Kooperation mit der Industrie Forschungs- und Innovationsprojekte anzustoßen, wie wir diesen erzeugen und transportieren können und in welcher Menge das passiert. Ich möchte die Energie AG auch in dieser Frage zur Impulsgeberin im Land machen.
Der Klimawandel drückt sich in verstärkter Trockenheit aus. Im vergangenen Jahr stand weniger Wasser für die Kraftwerke zur Verfügung, wodurch die Stromproduktion der Wasserkraftwerke der Energie AG in den Sommermonaten um ein Drittel zurückgegangen ist. Wie wird sich das weiterentwickeln?
Wir leben in einer Zeitenwende. Das eine sind Krisen, das andere Unberechenbarkeiten bei den Preisen durch den Krieg in der Ukraine. Und die Klimakrise wird voranschreiten. Deshalb müssen wir noch stärker in der Erzeugungsstruktur diversifizieren, um letztlich alles gut ausgleichen zu können.
Damit wir zum Beispiel eine Mindererzeugung bei Wasser durch andere Energien abfedern können.
Der Dachsteingletscher geht deutlich zurück, damit kommt auch weniger Wasser ins Innere Salzkammergut, wo die Energie AG Kraftwerke betreibt.
In der längeren Rückwärtsbetrachtung sehen wir, dass sich das Wasserangebot nicht wirklich verändert. Es gibt aber zeitliche Verschiebungen. Im Winter gibt es mehr Wasser, im Sommer weniger. Wir werden unsere Erzeugungsstruktur anpassen müssen, damit wir das ausgleichen können.
Die Preise von Strom und Gas sind explodiert. Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung der Preise ein?
Momentan gibt es eine Entspannung, aber keine Entwarnung. Die Strompreise sind in den vergangenen Monaten stark vom Krieg in der Ukraine und durch Russland getrieben worden. Weil davon auszugehen ist, dass sich die Kriegssituation in der Ukraine nicht entspannen wird, werden die internationalen Energie-Märkte leider weiterhin unberechenbar bleiben.
Als es allerdings zu kurzfristigen Veränderungen beim Gaspreis gekommen ist, konnten wir als Energie AG diese Rückgänge unmittelbar weitergeben und zum Beispiel die Neukundentarife senken.
Bei der langfristigen Gasbeschaffung haben wir jedoch noch einen Marktpreis für das nächste Jahr, der immer noch sehr hoch ist. Ich rechne damit, dass es aufgrund der Gesamtsituation zu einer stabilen, aber nach wie vor hohen Marktpreissituation kommt.
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