Rieder Radarrebellen

Günther Kitzmüller (li.) und Erwin Seifriedsberger
Ein Unternehmer und ein Lehrer warnen Autofahrer vor Tempofalle.

Von Gerhard Marschall

Ein Wohnmobil gehört fast schon zum Stadtbild von Ried im Innkreis. Es wechselt regelmäßig den Standplatz, steht einmal hier und einmal da. „Geld sparen, 30 fahren“ steht groß auf Vorder- und Rückseite – dezenter Hinweis auf einen in der Nähe platzierten Pkw, in dessen Kofferraum ein Radargerät versteckt ist.

Stadtkasse wird gefüllt

Hinter der leicht subversiven Aktion stehen der Unternehmer Erwin Seifriedsberger (59) und der Berufsschullehrer Günter Kitzmüller (64), die sich politisch für die Neos engagieren. Kitzmüller bildet die pinke Ein-Mann-Fraktion im Gemeinderat, Seifriedsberger sitzt im Verkehrsausschuss. Er hat die Initiative 2018 gestartet. „Wir wollen die Polizei nicht frotzeln“, erklärt er. Schließlich sei es auch in deren Sinn, wenn die Autofahrer abbremsen. „Wir sind natürlich für Verkehrsberuhigung und Sicherheit“, stellen die beiden Radarrebellen klar. „Was die Gemeinde hier macht, hat damit allerdings nichts zu tun. Es solle einzig die Stadtkasse aufgefüllt werden.“

Bereits acht fixe Radarboxen

Als Beispiel nennen sie den Voglweg, wo das verdeckte Radarauto den ganzen Februar über abgestellt war. Auf der einen Seite die Oberach, auf der anderen ein Parkplatz – wo hier eine Gefahrenstelle sein soll, erschließe sich nicht. Die Rieder Verkehrspolitik ist im Zwiespalt verfangen. Zum einen sollen möglichst viele Menschen aus dem Umland zur Arbeit und zum Einkaufen in die Stadt kommen, dementsprechend ist das vor einigen Jahren neu gestaltete Zentrum angelegt: Die Plätze sind mit Autos voll.

Strafgelder von 1,8 Millionen Euro

Zum anderen soll der überbordende Autoverkehr eingebremst werden. Eine ganze Reihe von Straßen ist bereits 30-km/h-Zone. „Es gibt kein durchgängiges Konzept“, kritisiert Kitzmüller den „Fleckerlteppich“. Speziell für Auswärtige sei schwer durchschaubar, welches Tempo wo erlaubt ist. Zudem gibt es bereits acht fixe Radarboxen. Plus den mobilen Tempomesser, der monatlich seinen Standplatz wechselt. Die Einnahmen sprudeln, 2020 kamen alles in allem 1,8 Mio. € an Strafgeldern herein. Ein zweites Fahrzeug wurde angeschafft. Die Rieder Wirtschaft ist zunehmend beunruhigt. Sie befürchtet, dass immer mehr Kunden wegen der massiven Kontrollen die Stadt meiden könnten. Wegen einer als besonders schikanös empfundenen Maßnahme hat sich jetzt der Protest der Kaufleute öffentlich entladen. Ein Teil der Braunauer Straße war über Nacht zur 30er-Zone erklärt, jedoch nur mit recht kleinen Verkehrszeichen ausgeschildert worden. Da das Wohnmobil dort nicht aufgestellt werden konnte, tappten Autofahrer reihenweise in die Falle. Die Rede ist von einigen Tausend Blitzen.

Ortig für Tempolimit

Der Ärger der Betroffenen sei verständlich, sagt Bürgermeister Albert Ortig (ÖVP), der mit dem Auslaufen der Periode im Herbst aufhört. Er habe veranlasst, dass größere Schilder montiert wurden. Das Tempolimit verteidigt er. Es sei hier immer wieder zu Unfällen auch mit Personenschäden gekommen. „Das ist wirklich ein Unsinn“, widerspricht Ortig dem Verdacht, dass es der Stadt vornehmlich um Einnahmen gehe. Mehr Sicherheit ohne Strafe gebe es nicht. Dass sich der wachsende Unmut über das dicht gewobene Radarnetz gegen ihn richten könnte, sieht Ortig gelassen: „Wenn mich jemand nicht mehr wählt, weil ich mich für Rechtsstaatlichkeit einsetzte, muss ich das zur Kenntnis nehmen.“

Neos wollen in den Stadtrat

 Nicht nur, aber doch auch wegen ihrer Initiative hoffen die Neos im Herbst auf Zuwachs. „Drei Mandate wären fesch“, sagt Kitzmüller. „Vier wären noch schöner, dann wären wir auch im Stadtrat vertreten.“

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