Ried im Innkreis: Die Wiege des Nobelpreisträgers
Das Haus an der Ecke Bahnhofstraße, Josef-Kränzl-Straße in Ried im Innkreis ist in die Jahre gekommen. Die gelbe Fassade blättert ab, das schmiedeiserne Balkongeländer hängt leicht schief und die Hecke erinnert eher an Gestrüpp. An einem der Fenster kleben Deko-Schneeflocken. Von Plakaten mit Glückwünschen fehlt aber jede Spur. Auch von einer Menschenansammlung. Dabei ist in diesem Haus der am Dienstag gekürte Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger geboren.
Am 20. Mai 1945 kam er dort zur Welt. „Wahrscheinlich eine Hausgeburt“, mutmaßt der Rieder Zeithistoriker Gottfried Gansinger, der nur knappe zwei Kilometer weiter wohnt und auf dem Esstisch alte Fotos und Artikel hervorkramt.
Zeilingers Vater stamme aus Lohnsburg, seine Mutter aus Schildorn, erläutert er den Stammbaum, mit dem nach wie vor auch einige Rieder verwurzelt sind. Schon Zeilingers Großvater sei ein „Universaltalent“ gewesen. Er hat beim besagten Haus die erste Innviertler Dampfmolkerei gegründet. 1939 wurde ihm jedoch von Nationalsozialisten die Berechtigung entzogen.
Kriegszeit
„Es waren schwierige Zeiten“, so Gansinger. Es war am Ende des Zweiten Weltkriegs, die Amerikaner kamen 17 Tage vor Zeilingers Geburt in die Stadt und statt eigentlich 8.000 hatte die Stadt plötzlich 30.000 Einwohner. „Es war noch alles mit Nationalsozialisten durchsetzt und alles voll mit Flüchtlingen. Keiner wollte zu den Russen.“
Bis auf eine Bombardierung des Bahnhofs blieb die Stadt jedoch heil. Demnach sind die jetzigen Häuser jene, die auch Zeilinger zu seinen Windelzeiten zu Gesicht bekam.
Zwischen diesen alten Fassaden tummeln sich am Mittwoch wenige Menschen, vielleicht wegen der Vollbeschäftigung, die in Ried herrsche. Aufregung über einen Rieder Nobelpreisträger ist nur mäßig zu spüren. Zwar sind über den Straßen Wimpeln angebracht, die würden dort aber immer hängen. Beim Café am Hauptplatz haben sich drei Männer eingefunden. Zeilinger ist bei ihnen nur auf Anfrage Thema: „Über den hab’ ich grad was gelesen“, sagt der eine. „Schön für ihn“ meint der andere, bevor der dritte ergänzt: „Dass er sich bei den Steuerzahlern bedankt hat, fand ich aber schon gut.“
Auf der anderen Straßenseite haben sich zwei Ehepaare zu einem Tratscherl getroffen – über Zeilinger: „Wir kennen ihn alle. Persönlich“, betonen sie das letzte Wort. „Wir sind stolz, auch wenn wir Normalsterblichen nicht verstehen, was er macht. Aber wissen’s, was mich wundert? Dass der nicht ins Gymnasium in Ried gegangen ist“, sagt eine der Frauen.
Sieben prägende Monate
Da hat die Dame recht. „Laut Melderegister zog er schon im Jänner 1946 mit seinem Vater nach Linz weiter. Wie viel Zeit er dann noch in Ried verbrachte, ist nicht klar“, sagt VP-Bürgermeister Bernhard Zwielehner. Laut der Fakultät für Physik der Uni Wien besuchte Zeilinger die vierte Klasse Volksschule bereits in Hütteldorf.
„Recht viel Bildungsanteil am Nobelpreisträger hatten wir nicht“, lacht Zwielehner deshalb. Dass dennoch etwas von seinem Glanz auf die Stadt abfärbt, freue ihn natürlich, sei man ja wirklich eine ausgezeichnete Schulstadt. Man müsse aber demütig bleiben: „Es haben viele andere Institutionen mehr Recht darauf, mit ihm zu feiern als Ried.“
Am Traunsee
Wie etwa Traunkirchen mit der Internationalen Akademie, die Zeilinger 2009 gründete. Immer wieder besuchte er den Ort, hat er am Traunsee doch auch einen Zweitwohnsitz. „Wir gehen immer wieder Mal auf einen Kaffee“, heißt es vom dortigen Bürgermeister Christoph Schragl (ÖVP).
Über einen Besuch von Zeilinger würde sich auch der Rieder Bürgermeister freuen, möchte man ihn doch auch ehren: Zwielehner würde auf eine Straße spicken, doch das ist gar nicht so einfach: „Wir taufen die eigentlich immer nur nach Verstorbenen. Mal schauen, ob wir eine Ausnahme machen.“ Straßen dafür gebe es in Ried auf alle Fälle genug. Wie etwa jene, die gleich an Zeilingers Geburtshaus grenzt, das übrigens schon seit Jahren nicht mehr in Familienbesitz ist.
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