Neues Modell: Ein Jahr "Probezeit" für Menschen mit Behinderung

Neues Modell: Ein Jahr "Probezeit" für Menschen mit Behinderung
Menschen mit Beeinträchtigungen sollen mit 25 neuen Maßnahmen in Oberösterreich besser in den Arbeitsprozess eingegliedert werden.

Knapp über 13.000 Menschen nehmen in Oberösterreich aktuell Leistungen des Chancenausgleichsgesetzes in Anspruch, über 6.700 davon sind Leistungsbezieherinnen oder -bezieher im Bereich Arbeit. Darüber hinaus gibt es mehr als 20.000 Personen, die dem Kreis der "begünstigten Behinderten" zuzurechnen sind. Das sind jene Menschen, deren Grad der Behinderung von mindestens 50 Prozent behördlich festgestellt wurde.

Unter den derzeit knapp 34.000 arbeitslosen Personen befinden sich mehr als 10.000 Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Eine große Anzahl an Personen also, auf die das Land Oberösterreich und die Wirtschaftskammer im Rahmen eines Projekts ein Jahr lang großes Augenmerk gelegt hat. 

Denn aus einer Studie mit 250 Beteiligten - Unternehmer, Menschen mit Behinderungen, Beratungsstellen - hat das Land nun 25 konkrete Maßnahmen abgeleitet, wie behinderte Menschen besser in den sogenannten 1. Arbeitsmarkt integriert werden können.

Als wichtigste Maßnahme haben Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) und Angelika Sery-Froschauer, die Vizepräsidentin der OÖ Wirtschaftskammer, ein neues, zeitlich befristetes Beschäftigungsmodell präsentiert. "Arbeitskräfteüberlassung Inklusiv" heißt es, 50 Personen pro Jahr sollen darüber vermittelt werden. Bis Herbst werden die Grundlagen dafür geschaffen. 

Inklusive Arbeitskräfteüberlassung

Konkret bedeutet das: Menschen mit Behinderung können - angestellt bei einer Trägerinstitution - bei Betrieben arbeiten. Damit wird die Probezeit für beide Seiten - Betrieb und Dienstnehmer, der sich aus einem geschützten Bereich wie einer Werkstätte herauswagt - auf bis zu ein Jahr verlängert. 

Gerade bei der Aufnahme von Menschen mit Beeinträchtigungen herrscht nach wie vor bei vielen Betrieben große Unsicherheit vor. Etwa gibt es die Sorge, aufgrund des Kündigungsschutzes nur schwer ein Arbeitsübereinkommen auflösen zu können. 

Begünstigte Behinderte Personen in OÖ: 20.539 (Österreich: 121.617)

davon erwerbstätig: 57 Prozent

In Oberösterreich erfüllen nur 26 Prozent der Betriebe die Beschäftigungspflicht, nach der pro 25 Beschäftigten eine Person angestellt sein muss, die dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehört (österreichweit: 24 Prozent).

Werden nicht ausreichend Personen beschäftigt, fällt die Ausgleichstaxe an: 320 Euro pro Monat und nicht besetzte Stelle für Betriebe unter 100 Beschäftigten, 451 Euro pro Monat für Betriebe zwischen 101 und 400 Beschäftigten, darüber 477 Euro pro Monat und Stelle (für bestimmte Branchen gelten andere, weniger strenge Regeln).

Das Land OÖ beschäftigt aktuell 1.056 begünstigte Behinderte und übererfüllt die vorgeschriebene Quote um rund zehn Prozent.

Nach einem Jahr könne man wesentlich besser abschätzen, ob ein Dienstverhältnis gut funktionieren könne. Für den Betrieb bedeutet diese neue Regel: Bezahlt wird nur, wenn der überlassene Mitarbeiter tatsächlich gearbeitet hat. Krankenstände und andere Ausfallszeiten fallen dem Unternehmen somit nicht zur Last.

Die neuen Dienstnehmer werden zum Kollektivvertragslohn angestellt - verdienen demnach wesentlich besser als in geschützten Bereichen. Und können, falls die Beschäftigung nicht funktioniert, in den geschützten Bereich auch wieder zurückkehren. 

Zuschuss zu Lohnkosten

Als zweite Maßnahme wird ein Inklusionszuschuss angeboten. Seitens des Sozialministeriums gibt es Regelungen, über die ein Anteil der Lohnkosten bei der Beschäftigung von Dienstnehmerinnen und Dienstnehmern mit Beeinträchtigungen übernommen wird. Dieser Ausgleich behinderungsbedingter Minderleistung wird vom Land mit dem Inklusionszuschuss im besten Fall verdoppelt. 

Darüber hinaus wird ein Service-Center für Unternehmer im Land Oberösterreich eingerichtet, in dem alle Fragen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen gebündelt werden. Derzeit gibt es Infos von Bund, Land, AMS und Sozialministerium, künftig gibt es diese Infos in Form eines One-Stop-Shops.

Ebenso gebündelt wird die Information für Betroffene und deren Angehörige. Dass dies nötig ist, ist auch ein Ergebnis der durchgeführten Studie. "Inklusionsbetreuerinnen und -betreuer" sollen Menschen mit Beeinträchtigungen begleiten und ermutigen, sich im Arbeitsprozess zu integrieren.

Interesse des Arbeitsmarktes

Das Interesse an Menschen mit Beeinträchtigungen ist in Oberösterreichs Betrieben jedenfalls gestiegen. Einerseits deshalb, weil generell die Nachfrage an Personal hoch ist, andererseits auch deshalb, weil die Einstellung von Menschen mit Behinderungen, wenn diese dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehören, durch die Anrechnung auf die Ausgleichstaxe finanziell relevant ist. 

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