Südbahnhofmarkt: Wo schon Silvia Schneider Schule schwänzte
Maria Kössler ist 82-einhalb Jahre alt. Um sieben Jahre älter als der Südbahnhofmarkt in Linz, der heuer sein 75-jähriges Bestehen feiert. Der Markt ist ihr zuhause, mehr oder weniger. "Ich bin seit 1956 hier, als ich zu lernen begonnen habe", erinnert sie sich zurück.
Heute steht sie immer noch fast jeden Tag von 7 bis 14 Uhr in ihrer mittlerweile denkmalgeschützten Koje, in ihrem Geschäft. Emailgeschirr steht über dem Eingang. Das gibt es dort immer noch. Aber sie verkauft, unterstützt von ihrer Schwiegertochter, alle Haushaltswaren des täglichen Bedarfs: "Bei uns gibt es auch nur ein Häferl zu kaufen."
"Am Anfang war der Südbahnhof am Ende der Welt", erinnert sich Kössler zurück. Als der Markt nämlich 1949 vom zerbombten Hessenplatz, wo Obdachlose nach dem Krieg in den Kojen hausten, an den heutigen Standort übersiedelt und neu aufgebaut wurde, gab es fast nur Schrebergärten rundherum. Heute liegt der Markt mitten in dicht verbautem Gebiet, das Design Center Linz, der ORF, das Keplerklinikum, von überall kommen Mitarbeiter und Bewohner her, um in den Schanigärten Marktluft zu schnuppern.
"Aber damals sind die Leute nicht mit dem Auto gekommen, sie haben auch große Einkäufe mit ihren Taschen zu Fuß nach Hause getragen", erinnert sich Kössler, "heute braucht man schon ein Auto, um einen Besen nach Hause zu bringen."
1859 bis 1872 befand sich an der Stelle des heutigen Markts das Bahnhofsgelände der Pferdeeisenbahn Budweis–Linz–Gmunden, genannt Südbahnhof.
In den 1930-er Jahren wurden rund um das Areal Genossenschaftswohnungen errichtet, während des 2. Weltkriegs war es Lagerplatz für militärisches Material.
Am 4. Dezember wurde der Linzer Grünmarkt vom zerbombten Hessenplatz auf seinen heutigen Standort am Areal des ehemaligen Südbahnhofs übersiedelt, am 5. Dezember 1949 fand der erste Markttag statt, am 14. Dezember die Eröffnung.
In den Jahren blieb das Grundkonzept des Marktes immer bestehen, verändert und weiterentwickelt hat er sich dennoch. 2020 - 2022 wurde der Markt zuletzt mit einem Investitionsprogramm von über zwei Millionen Euro modernisiert – viele Oberflächen wurden neu gemacht, auch die Elektroinstallationen und die Beleuchtung wurden erneuert.
Die digitale App für den Südbahnhofmarkt wurde bisher rund 5.000 Mal heruntergeladen und ermöglicht einen aktuellen Einblick, welche Standler aktuell am Markt zu finden sind.
28 Kojen unter Denkmalschutz
28 feste Kojen mit derzeit 45 Geschäften gibt es am Südbahnhofmarkt, sie stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Aus gutem Grund, weiß Herta Neiß, Wirtschafts- und Kulturwissenschafterin und Leiterin des Tourismusmanagements am Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Johannes-Kepler-Universität Linz: "Historisch betrachtet waren Märkte über Jahrhunderte immer das Herz einer Stadt."
Daran habe sich bis heute nichts verändert, ist Neiß überzeugt: "Du kannst einen historisch gewachsenen Markt nie durch einen Supermarkt oder ein Einkaufszentrum ersetzen."
Dass der Südbahnhofmarkt durch die gesellschaftlichen Entwicklungen unter Druck geraten ist, weiß auch die zuständige Stadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP). Denn die Fluktuation ist groß. Aber zur Zeit sind alle fixen Kojen vergeben. Schuster, Nähstube, Messerschleifer, Schlüsseldienst, aber auch Obst, Gemüse, mehrere Fleischer und viel Gastronomie finden sich am Markt.
"Ein lebendiges Freiluft-Shoppingcenter", schwärmt Lang-Mayerhofer. Über 130 Standler kommen überdies regelmäßig auf den Markt. Wie der Specklois, Alois Wurm, der schnell ein paar dünne Scheiben köstlichen Speck aufschneidet und aus dem Wagen reicht. "Früher", erzählt er seinen Kunden, die gerade seine Produkte verkosten, mit einem Lachen im Gesicht, "habe ich den Speck für mein Wirtshaus gemacht. Jetzt mach ich das nur für euch." Alle lachen. Und kaufen.
Unter den Standlern kennt man sich bestens. Kein Wunder, kommt etwa Rosa Gumplmayr auch schon seit über 30 Jahre nach Linz. In Ried in der Riedmark legen ihre 4.000 Hendln täglich Eier, die am Markt verkauft werden müssen. Junior Karl Gumplmayr arbeitet schon fleißig mit.
Ein Phänomen, das die Marktälteste, Maria Kössler, gut kennt: "Bei mir waren auch schon die Großmütter, die Mütter und dann ihre Kinder einkaufen."
Schule schwänzen am Markt
Apropos Kinder: Die Schülerinnen und Schüler der 2a der Körnerschule sind mit Einkaufskörben schon den ganze Vormittag unterwegs. "Wir kaufen alle Zutaten am Markt ein, die wir für die Sendung Silvia kocht brauchen", erzählen sie stolz.
Denn die Linzer Fernsehköchin Silvia Schneider dreht eine ganze Serie zum Jubiläum des Marktes. Die Kinder sind mit Eifer bei der Sache und hören genau zu.
Dann müssen sie weghören, denn Schneider, die in der Nähe des Marktes aufgewachsen ist, gibt ihre Erinnerungen preis: "Ich war mit meiner Oma oft hier. Vor den Aalen in den Fischbecken hatte ich Angst. Und wir waren immer im jetzigen Jindrak am Markt Schule schwänzen. Im anderen Kaffeehaus waren die Lehrer."
Kevin schwänzt nicht mehr die Schule, er verkauft Gemüse am Stand, der den Vornamen seines Vaters, Gottfried, trägt. Was er so liebt am Südbahnhofmarkt? "Wir haben so ein breites Spektrum an Kunden. Vom Sozialhilfebezieher bis zum Multimillionär kommen alle her, um hier einzukaufen."
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