Ein Dorf im Mühlviertel in Angst: "Wer nicht muss, geht nicht raus"

Altenfelden ist derzeit eine „Geistergemeinde“. Die Angst vor Roland Drexler hält die Bevölkerung in Atem
Roland Drexler soll zwei Männer regelrecht hingerichtet haben. Er wird im Wald vermutet und gilt als hochgefährlich. In seiner Heimat überschlagen sich die Gerüchte. 50 Personen unter Polizeischutz gestellt.

Nur wenige Menschen verirren sich am Dienstag in Altenfelden im oberösterreichischen Bezirk Rohrbach auf die Straße. Sie tuscheln, schauen misstrauisch über die Schulter oder huschen schnell in ihre Häuser, um hinter sich die Türen fest zu versperren.

In ihrer 2.000-Einwohner-Gemeinde ist seit Montag nichts mehr, wie es einmal war. Der dort ansässige Jäger Roland Drexler soll zwei Männer, ebenfalls Jäger, erschossen haben – mehr als 24 Stunden später ist er noch auf freiem Fuß und wird in den umliegenden Wäldern vermutet.

„Wer nicht muss, geht derzeit nicht raus“, erzählt eine junge Mutter. Ihre Kinder, die gebannt zum kreisenden Polizeihubschrauber schauen, hätten aber endlich frische Luft gebraucht, sagt sie, während ein Auto mit Blaulicht Richtung Wald fährt.

Hinweise gehen bei Ermittlern ein

Seit den tödlichen Schüssen gehen zahlreiche Hinweise bei den Ermittlern ein. Hunderte Polizisten, teils mit kugelsicheren Westen, Langwaffen und Sturmhauben ausgestattet, sind deshalb in Altenfelden stationiert und gehen jedem Tipp nach.

Bisher ohne Erfolg, was die Nervosität und die Spekulationen in der Ortschaft anheizt. 50 Personen stehen laut Exekutive unter Polizeischutz. Sie sollen mit Drexler auf die eine oder andere Art in Konflikt gestanden sein. Dementsprechend kennt fast jeder jemanden, der das Haus derzeit nicht verlassen soll. Und jeder hat etwas über den Gesuchten zu sagen – aus Angst fast immer anonym.

Eine Gastwirtin, gut vernetzt in der Jägerschaft, will wissen, dass es sich bei dem „unwaidmännischen“ Verhalten, das dem Verdächtigen vorgeworfen wird, nicht nur um Revierübertretungen handelt. Es sei ein offenes Geheimnis, dass der 56-Jährige Katzen misshandelt und verletzte Tiere seinen Hunden zum Fraß vorgeworfen habe. Bei der Staatsanwaltschaft Linz hieß es am Dienstag jedoch ausdrücklich, dass keine Anzeige wegen Tierquälerei vorliege. Es gebe aber welche beim Jagdlandesverband wegen jagdrechtlicher Vergehen – eingebracht von den späteren Opfern.

„Freundlich, hilfsbereit“

Margit L., eine Nachbarin, die Drexler in Schutz nimmt, ist überzeugt, dass der aktuellen Situation Jagdstreitigkeiten vorausgingen. „Von langer Hand geplant war das nicht, er hat am Freitag Rasen gemäht und mich auf einen Spritzer eingeladen. Der Roland war freundlich und hilfsbereit.“ Am Sonntagabend habe er noch das Papier rausgestellt, „dann muss sich ein Schalter umgelegt haben“.

Laut der 64-Jährigen war Drexler am Freitag auf der Bezirkshauptmannschaft. „Sie wollten ihm den Jagdschein wegnehmen, aber er ist zu 150 Prozent Jäger.“

Ein Jäger, da ist man sich in der Gegend einig, der die Wälder kennt wie seine Westentasche. „Wenn der nicht gefunden werden will, finden sie ihn nicht“, ist jene Gastwirtin überzeugt, die gehört hat, dass Drexler ein Tierquäler sei. Sie kann sich durchaus vorstellen, dass die Taten länger geplant waren. Im Ort werde gemutmaßt, der 56-Jährige habe im Wald Vorräte versteckt, um seinen Rachefeldzug fortzusetzen. Ob es sich dabei um Gerüchte handelt, Drexler vielleicht schon im Ausland ist oder sich gar selbst gerichtet hat, weiß derzeit niemand. Die Polizei betonte am Dienstag jedenfalls, man müsse, basierend auf den aktuellen Informationen, davon ausgehen, dass der mutmaßliche Täter noch am Leben und „sehr, sehr gefährlich“ sei. Die Bevölkerung wurde daher weiter aufgerufen, die Häuser nicht zu verlassen.

Altenfelden wird also vorerst eine „Geistergemeinde“ bleiben. Und diejenigen, die die eigenen vier Wände verlassen müssen, werden das bis auf Weiteres wohl nur mit einem mulmigen Gefühl tun.

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