„Brauchen Radverleih-Systeme“

11.07.2013, Linz, Radlobby, Foto Alfred Reiter
Das Rad als Alltagsverkehrsmittel führt in Oberösterreich ein Schattendasein. Die Radlobby fordert mehr Geld, Verleihsysteme und mehr Radwege.

Mirko Javurek ist Vorsitzender der Radlobby Oberösterreich, der 400 Mitglieder angehören. Österreichweit hat die Organisation mehr als 6000 Mitglieder. Beruflich ist der 40-Jährige Forschungsassistent im Bereich Mechatronik an der Johannes Kepler Universität.

KURIER: Der Straßenbauer in der Landesregierung, Franz Hiesl, plakatiert nun die Benützung des Fahrrads. Das ist doch ein Erfolg für Sie.
Mirko Javurek: Das ist in jedem Fall ein Erfolg. Wir haben das seit Jahren gefordert.

Was müsste aus Sicht Ihrer Organisation gemacht werden?
Es gibt hier das Henne-Ei -Problem. Muss man zuerst gute Bedingungen schaffen, damit die Menschen auf das Rad umsteigen, oder muss man die Menschen zum Radfahren motivieren, wodurch automatisch der Druck entsteht, dass Maßnahmen ergriffen werden? Es gibt das Beispiel Paris, wo man ein dichtes Leihsystem mit 300 Stationen aufgebaut hat. Plötzlich ist die Stadt von Radfahrern überschwemmt worden. Wir halten es für wichtig, dass man beides macht.

Sie haben auf der Linzer Nibelungenbrücke demonstriert.
Der Radweg ist vor 20 Jahren einfach auf den Gehsteig platziert worden. Er ist zu schmal, es kommt zu Konflikten mit den Fußgängern. Er ist andererseits zu nahe an der Fahrbahn und es gibt eine sehr hohe Kante, wo es schon zu schweren Unfällen gekommen ist. Deswegen soll die Brücke entweder verbreitet oder auf eine andere Weise mehr Platz für die Radfahrer geschaffen werden. Ein weiteres Problem sind die Anschlüsse von der Brücke an die Stadtteile. Beim Ars Electronic Center hört der Radweg bei der Busbucht auf, die Radfahrer müssen sich in den fließenden Verkehr einordnen.

Verkehrsexperten sagen, dass in Städten den Schwächeren eindeutig der Vorrang vor den Autos eingeräumt werden müsse. Also den Fußgängern und den Radfahrern.
Der Großteil des Raumes in der Stadt ist den Autos gewidmet. Man hat in Linz viel für den Radverkehr gemacht, aber nur dort, wo es sich platzmäßig ausging. Dort, wo man den Autofahrern Platz hätte wegnehmen müssen, hat man einfach aufgehört. Deshalb schaut das Linzer Radwegenetz wie ein Emmentaler aus. Wo es eng wird, fehlt etwas. Ein Radwegenetz ist nur gut, wenn es durchgehend ist und keine Lücken hat. Entweder nimmt man dem Auto Platz weg oder man entscheidet sich für teure Lösungen.

Sie vermissen eine klare Priorität für die Radfahrer.
Die Verkehrsexperten sagen, wenn man Leute dazu bringen will, vom Auto auf das Rad oder den öffentlichen Verkehr umzusteigen, dann genügt es nicht nur, diese Alternativen zu attraktivieren. Man muss zugleich die Rute ins Fenster stellen und das Autofahren unattraktiver machen. Man hat die Energie der vergangenen 50 Jahre verwendet, um das Autofahren in der Stadt noch anziehender zu machen. Man steht jetzt an und muss das wieder ein bisserl zurücknehmen, damit ein Gleichgewicht entsteht.

Das Radfahren erfährt durch das E-Bike noch mehr Attraktivität. Man könnte damit den Weg vom 15-Kilometer-Umkreis bis ins Linzer Zentrum problemlos zurücklegen. Für diese Gruppe gibt es aber auch keine geschützten Wege oder Fahrradstreifen.
Im eben verabschiedeten Gesamtverkehrskonzept ist festgehalten, dass das Radfahren im Umfeld von Linz ein großes Manko ist.

Bei der Studienreise von Landeshauptmannstellvertreter Franz Hiesl und Landesrat Reinhold Entholzer nach Belgien fiel auf, dass es ein sehr gutes und günstiges Rad-Verleihsystem gibt. In Gent wurden riesige, gut überdachte Parkflächen für Abstellplätze geschaffen, die auch betreut werden.
In Linz gibt es beim Hauptbahnhof im Parkbereich eine große Fläche für Radabstellplätze. Sie ist nur ein bisserl versteckt. Was fehlt, ist eine betreute Station, wo man sich das Rad reparieren lassen und sich auch Räder ausleihen kann. In Sevilla gibt es ein gutes derartiges System. Wenn man am Busbahnhof ankommt, kann man sich mit seiner Buskarte für 24 Stunden ein Rad kostenlos ausborgen. Die 300 Räder waren sofort weg. Bei den Verleihsystemen ist Oberösterreich weit hinten.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie bei den Politikern vorsprechen?
Es wird immer stärker erkannt, dass Rad fahren ein ernstes Thema ist und dass es ein Alltagsmittel ist. Ich glaube, Landeshauptmannstellvertreter Franz Hiesl hat durch diese Reise nach Belgien erkannt, dass es beim Alltagsradverkehr Nachholbedarf gibt. Generell werden wir zwar ernst genommen, aber es fehlt dann bei den Entscheidungsträgern an der Konsequenz in der Umsetzung. Es wird argumentiert, man müsse sparen, man habe kein Geld. Gleichzeitig werden noch immer riesige Summen für den Autoverkehr und für den öffentlichen Verkehr ausgegeben. Zum Beispiel für die zweite Linzer Straßenbahnbachse, wo man durch die unterirdische Führung Kosten hat, die überhaupt nicht dafür stehen. Oder der neue Autobahnanschluss für die Universität, der zwei Millionen Euro teuer ist. Gleichzeitig kosten Maßnahmen für den Radverkehr sehr wenig.
Das Radfahren macht nur ein Prozent der Linzer Verkehrskosten aus. Fünf Prozent aller Verkehrswege werden in Linz mit dem Rad zurückgelegt. Aber in Salzburg oder Graz sind es 20 Prozent. Davon sind wir sehr weit weg. Wir würden uns fünf Prozent des Verkehrsbudgets wünschen. Linz hat auch die EU-Charta unterzeichnet, dass man bis 2020 rund 15 Prozent Radverkehrsanteil anstrebt. Man müsste für das Rad mehr Geld in die Hand nehmen und mehr Platz schaffen. Auch personell müsste man aufstocken. Es gibt sowohl bei der Stadt als auch beim Land nur einen Radverkehrsbeauftragten.
Rad fahren ist immer noch attraktiver, als viele glauben. Vor allem die bisherigen Nichtradfahrer sollten es einfach ausprobieren und sich trauen. Es gibt viele Wege, die sie gar nicht kennen.

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