Militärkomandant: Jeder Oberösterreicher soll in Oberösterreich dienen

Militärkomandant: Jeder Oberösterreicher soll in Oberösterreich dienen
Nach einem Jahr Amtszeit zieht Militärkommandant Dieter Muhr Schlüsse für die Zukunft.

Brigadier Dieter Muhr (58) ist seit einem Jahr Militärkommandant von Oberösterreich. Der gebürtige Wiener wohnt mit seiner Familie – er ist Vater von Kindern – in Kronstorf (Bez. Steyr).

KURIER: Aufgabe des Heeres ist es, das Land zu verteidigen. Was verteidigen die Soldaten in Oberösterreich eigentlich? Wir sind von uns wohl gesonnenen Staaten umgeben.

Dieter Muhr: Aktuell schützen wir das Land und seine Bevölkerung vor der Pandemie und ihren Auswirkungen.

Soldaten waren bei den Grenzkontrollen im Einsatz, nun bei den Teststraßen.

Wir haben zuerst das Virus an der Grenze abgewehrt. Personen mit Symptomen, mit Fieber und Personen, die nicht getestet waren, durften nicht einreisen bzw. ausreisen. Wir sind assistenzmäßig bei den Bezirkshauptmannschaften im Einsatz. Damit sorgen wir vor, dass sich das Virus nicht weiter verbreitet.

Wie viele Soldaten waren im Einsatz?

Die Höchstzahl war 800 an einem Tag. Insgesamt waren Tausende Soldaten eingesetzt, weil sie ja nach sechs Monaten abrüsten und durch andere ersetzt werden. Wir sind jetzt im Contact-Tracing engagiert. 60 bis 80 Soldaten sind im Landesdienstleistungszentrum. Sie arbeiten das ab, was von den Bezirkshauptmannschaften nicht geleistet werden kann. Weiters bedienen wir das Impf-Telefon, wo die Menschen erfahren, wo sie ihre Angehörigen impfen lassen können. Bei den Impfungen haben wir zuerst die Logistik unterstützt. In der Logistik sind wir auch bei den Anti-Gen-Tests unterwegs.

Bei den Teststraßen sind wir ebenfalls engagiert. Wir betreiben aktuell 15 Teststraßen.

Unsere Leute sind zudem im Grenzschutz (Migration) im Burgenland, der Steiermark, in Kärnten und in Tirol engagiert.

Wie viele sind das?

Es waren im vergangenen Jahr 300 bis 400 Soldaten aus Oberösterreich. Sie sind drei Monate im Einsatz und werden dann durch andere Soldaten abgelöst. Das Aufkommen von Migranten hat sich trotz Corona von 2019 auf 2020 verdoppelt. Wenn sich Corona abschwächt, wird die Anzahl der Migranten neuerlich zunehmen.

Viren und Pandemien werden auch in der Kriegsführung gezielt eingesetzt. Ist das Heer darauf vorbereitet?

Es gibt ABC (atomare, biologische und chemische Kampfmittel, Anm.). Wir haben hier in Hörsching eine eigene Kompanie (rund 120 Soldaten, Anm.). Wie sind wir vom Heer darauf vorbereitet? Erstens durch Maßnahmen, wie man sich schützen kann und zweitens hat jeder eine Selbstschutz-Ausrüstung.

Ein Virus macht keinen Unterschied zwischen einem Soldaten und Zivilisten. Wenn Österreich davon betroffen wäre, stellt sich die Frage, wie die Zivilbevölkerung geschützt ist. Das ist eine strategische Frage der Landes, ob wir für solche Szenarien vorbereitet sind.

Biologische Kampfführung hat es schon immer gegeben. Indem zum Beispiel mit Pest infizierte Kadaver mit Katapulten in belagerte Städte geschleudert worden sind. Brunnen sind vergiftet worden.

Bei Ihrer Antrittsrede vor einem Jahr haben Sie vom Aufholbedarf des Heeres bei neuen Bedrohungen gesprochen. Wo sehen Sie den Bedarf genau?

Es gibt einen Aufholbedarf in der Grundleistung. Wir brauchen neue Küchen, Unterkünfte, die dem Standard entsprechen, eine neue Fahrzeugflotte für Transporte, Schießplätze und Personal.

Die Pandemie hat gezeigt, dass die Wehrpflicht unser strategischer Vorteil ist. Ohne Grundwehrdiener wären die Leistungen nicht möglich. Sie lösen ihre Aufgaben bravourös. Das ist höchstwertige Arbeit.

Hand in Hand damit müsste eine Modernisierung des Bundesheeres erfolgen. In Verbindung mit Szenarien, die uns in Zukunft betreffen werden. Das sind Pandemie, Blackout, Fake News, Cyber-Krieg. Man muss heute gar keinen Krieg beginnen, man kann zum Beispiel Wahlen manipulieren und Volksmeinungen über Deep Fake beeinflussen. Das führt zu einer Fragmentierung der Gesellschaft und unterminiert das Vertrauen in die politische Führung.

Kann das Militär diese Abwehr überhaupt leisten?

Von der Definition her ja. Wir verteidigen unseren Willen zur Selbstbestimmung, wir verteidigen den Frieden in demokratischer Freiheit.

Sie würden gern personell aufstocken. Wie viele Soldaten, Mitarbeiter etc. brauchen Sie zusätzlich?

In der Grundaufstellung wäre es schön, wenn wir ein Bataillon mehr hätten. Das sind rund 600 Personen.

Wie viele sind es derzeit?

Mit den Grundwehrdienern sind es 3.200. 1.200 sind Grundwehrdiener. Das heißt, wir haben 2.000 Bedienstete und Berufssoldaten. Ein Drittel sind Zivilbedienstete. In Oberösterreich sind viele Kommanden, Logistik- und Verwaltungsdienststellen. Und wenig Truppe. Es wäre schön, wenn man das ausgleichen könnte, damit jeder Oberösterreicher in Oberösterreich einrücken kann. Derzeit müssen 600 in andere Bundesländer. Diese hätte ich gern da.

Das wäre möglich, wenn diese Änderung in das Gesamtkonzept des Bundesheeres hineinpasst.

Die neuen Bedrohungsszenarien hängen zusammen. In einer Pandemie ist die Gefahr eines Blackouts größer. Dazu kommen die Gefahren politischer Verwerfungen. Was ist, wenn noch ein Hochwasser dazukommt? Wir brauchen die Kapazitäten da in Oberösterreich.

Sie waren im Auslandseinsatz im Kosovo. Kürzlich sind Soldaten aus der Kaserne Ried/I. aus dem Kosovo zurückgekehrt. Sind Auslandseinsätze wichtig?

Ja, im Denken, dass Krisen nicht einfach spurlos vorbei gehen, sondern dass man mitten drinnen ist und man die Auswirkungen erlebt. Im Kosovo ist man im Camp eingesperrt und man darf nur nach draußen, wenn man einen Befehl hat. Ein Lockdown ist vergleichsweise eine geringe Belastung.

Auslandseinsätze sind auch deshalb wichtig, weil man im internationalen Kontext arbeitet. Dort lernt man die internationalen Methoden, man lernt, wie die anderen Nationen agieren, man sieht den Stand der Technik. Gibt es keine internationalen Einsätze, ist das mit einem großen Industriebetrieb vergleichbar, der nicht auf dem internationalen Markt aktiv ist. Im Ausland bekommt man einen Blick in die Zukunft, auf das, was auf einen zukommen könnte, denn dort werden Dinge ausprobiert. Das fördert unser Sicherheitsverständnis. Was läuft dort ab, sind wir da mit dabei?

Der Einsatz von Drohnen verändert die moderne Kriegsführung. Verfügen Sie über welche?

Das Heer hat sie erprobt. Die Digitalisierung des Gefechtsfeldes ist weit fortgeschritten. Der Drohneneinsatz im Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan hat zum Beispiel in Deutschland erhebliche Diskussionen ausgelöst. Der Krieg hat in einem Gelände stattgefunden, das als uneinnehmbar galt. Dort wurden die einzelnen Stellungen herausgeschossen und der Widerstand ist zusammengebrochen.

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