Viel mehr als Prunk: Britische Monarchie als politische Institution

Falko Schnicke
Guter Stoff von Falko Schnicke, Senior Lecturer am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte an der JKU Linz.

War was im Vereinigten Königreich? Im September 2022 stand der Sarg Elizabeths II. in der Londoner Westminster Hall, neben ihr die Insignien königlicher Herrschaft.

Dann fand im Mai 2023 die prunkvolle Krönung Charles‘ III. statt. All das scheint heute, im Sommer 2023, lange her. Es ist ruhiger um die britische Monarchie geworden.

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Das könnte zum Missverständnis führen, sie bestehe nur aus ihren Ritualen und Zeremonien, oder wie es im Englischen heißt: sie sei nur pomp and circumstances.

Dieser Kurzschluss wäre aber falsch, denn abseits ihrer auf Sichtbarkeit angelegten Inszenierungen (und der Klatschspalten) ist die britische Monarchie viel mehr: Sie ist eine politische Institution und übt hinter den Kulissen Einfluss aus.

Geheime Audienzen

Was zum Beispiel während der geheimen wöchentlichen Audienzen zwischen Monarch*in und Premierminister*in besprochen wird, bleibt unklar. Es wird seit Langem darüber spekuliert, ob dabei wirklich nur informiert und gewarnt wird.

Wird nicht auch politisch beeinflusst über den privilegierten Zugang zu Entscheidungsträger*innen? Der britische Guardian hat zudem jüngst aufgedeckt, dass der royal consent, also die Zustimmung der Monarch*innen zu Gesetzen des Parlaments, nach wie vor regelmäßig eingeholt wird, und mehr als eine Formalie ist.

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Über diesen Mechanismus kann sich die Monarchie Sonderrechte für ihr Vermögen oder ihre Interessen sichern.

Auch die Profite aus der Sklaverei werden aktuell aufgearbeitet: Brooke Newman, Professorin an der Virginia Commonwealth Universität, weist in ihrem bald erscheinenden Buch zum ersten Mal nach, dass direkte Vorfahren von Charles III. versklavte Personen besaßen: William III. kaufte 1689 Anteile an der Royal African Company, die den Versklavungshandel von Westafrika in die Karibik organisierte.

Die britische Sklaverei

Die königliche Familie unterstützte ihn und verdiente daran – ein Erbe, das sie heute einholt: Herzog William und Herzogin Kate sahen sich auf ihrer Reise nach Jamaika im März 2022 mit Forderungen konfrontiert, sich für die britische Sklaverei zu entschuldigen.

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Das kann die Monarchie aber so lange nicht, wie die britische Regierung dem nicht zustimmt. Und die scheut mögliche Schadenersatzforderungen.
Neben diesen in der Öffentlichkeit diskutierten Punkten gibt es weitere Aspekte der politischen Monarchie, die bislang nicht bekannt sind.

Diese erforsche ich in meinem Forschungsprojekt an der Johannes Kepler Universität Linz. Anhand der Außenpolitik im Kalten Krieg zeige ich, wie die Monarchie Einfluss auf die britische Politik genommen hat, wie aber auch mit ihr Politik gemacht wurde.

Diplomatischer Einfluss

Um nur ein Beispiel zu nennen: Ende der 1960er Jahre versuchte die Sowjetunion über diplomatische Mittel einen Staatsbesuch von Elizabeth II. zu erzwingen. Das Regime in Moskau erhoffte sich von ihrem Prestige internationale Aufwertung.

Der britische Premierminister Harold Wilson konnte dem nicht zustimmen, um die Alliierten, die in Vietnam einen Stellvertreterkrieg gegen die Sowjetunion kämpften, nicht zu brüskieren.

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1973 unternahm die UdSSR einen neuen Anlauf und lud Prinz Philip als Präsident des Weltpferdesport-Verbandes in die Sowjetunion ein. Das britische Außenministerium war froh über diese Chance, die Wogen zwischen beiden Ländern im Sinne der Entspannungspolitik wieder zu glätten und wollte sie nutzen.

Aber Philip verweigerte sich – und konnte sich mit seinem Wunsch nach einem weitgehend unpolitischen Besuch hinter dem Eisernen Vorhang gegen seine eigene Regierung durchsetzen.

All das sind keine fiktiven Szenen aus The Crown, sondern durch Archivmaterial belegbare Erwägungen und Ereignisse. Sie zu untersuchen lohnt sich, um besser verstehen zu können, welche Stellung die Monarchie in einer modernen europäischen Gesellschaft hat.

Auch mit Blick auf diese Frage ermöglicht historische Forschung nämlich faszinierend irritierende Perspektiven auf unsere nur vermeintlich vertraute Gegenwart.

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