KURIER OÖ-Kolumnist und Autor René Freund fragte Leserinnen und Leser kürzlich ebenfalls, was er denn mit dem alten Nerz seiner Mutter anstellen solle: Kurz probegetragen – „ich sehe darin aus wie ein ziemlich durchgeknallter Transgender-Mafioso“ –, löste sich das Pelzproblem sogleich durch einen Online-Verkauf. Eine Dame erstand das Stück, das einst 40.000 Schilling gekostet hatte, und wolle es sich umschneidern lassen, erzählt Freund.
Ein Trend geht in Richtung Upcycling, sprich dem alten Kleidungsstück eine neue Bedeutung zu geben. Wer das mag, wendet sich zum Beispiel an Marietta Ahörndl, Kürschnermeisterin aus Gallspach. „Aus Respekt vor dem Tier verarbeite ich nur bestehende Pelze, keine Neuwaren. Die Nachfrage ist derzeit sehr groß. Am häufigsten mache ich Polster, Decken, Taschen aus den Mänteln, aber manche wollen auch eine Wandverkleidung oder einen Stuhl tapeziert haben. Das geht natürlich auch.“
Seit 40 Jahren arbeitet Ahörndl als Kürschnerin, ihr Vater war ebenfalls Kürschner, „aber es ist ein aussterbender Beruf.“ Sie trage selber Pelz und habe deswegen noch nie Anfeindungen bekommen: „Das Tier ist vor 20, 30 Jahren gestorben. Den Pelz jetzt wegzuschmeißen, das täte mir wirklich im Herzen weh.“
Der Pelz als Stuhlbezug
Doris Schulz betreibt die Edelwerkstatt mit Firmensitz in Wels und hat sich dort ganz dem Thema „Upcycling“ verschrieben. Neben Möbeln aus alten Brockhaus-Bänden, Taschen aus Werbeplanen und vielen anderen besonderen Stücken, gibt es auch in der Edelwerkstatt die Möglichkeit, den alten Pelz neu designen zu lassen. Dafür arbeitet Schulz mit einer Tapeziererin zusammen, die etwa Polster fertigt oder alte Stühle mit den Erbstücken überzieht.
„Eine Kundin hatte zum Beispiel einen bodenlangen Nerz. Sie hat daraus drei Kissen für ihre drei erwachsenen Kinder machen lassen, wir haben die Geschichte des Kleidungsstücks festgehalten und das hat sie dann verschenkt“, so Schulz. Manche kämen gleich mit Pelz und Fauteuil von der Oma, um sich daraus ein neues Möbel machen zu lassen. „Bei den Möbeln verwenden wir nur Persianer, alles andere würde sich sofort abstoßen“, erklärt Doris Schulz.
Verkaufen, verschenken, als Statement tragen, upcyceln oder wegschmeißen? Diese Frage müssen sich alle stellen, die unfreiwillig Pelz besitzen. Einfach hängenlassen und abwarten, wäre übrigens auch eine Option. Zumindest für die, die genug Platz im Kasten haben.
"Pelz kann nie nachhaltig sein"
Die Botschaft von Veronika Weissenböck, Kampagnenleiterin bei der Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ ist klar: „Auf keinen Fall verkaufen, auf gar keinen Fall tragen.“ Wenn es um alte Pelzmäntel aus Omas Kleiderschrank geht, könne niemals von Nachhaltigkeit die Rede sein: „Da ist beim Ausgangsprodukt schon so viel schiefgegangen, das kann nicht mehr ausgeglichen werden.“
Influencerinnen, die auf sozialen Medien den alten Pelz zeitgemäß stylen, das sei ein schrecklicher Trend: „Damit macht man Pelzmode wieder salonfähig. Dabei haben diese Tiere unter schrecklichen Bedingungen gelebt und wurden grausam getötet.“ Außerdem seien die Pelze chemisch so stark bearbeitet, dass man sich selbst und der Umwelt nichts Gutes tue, so Weissenböck. Auch von Upcycling-Ideen wie etwa Polstern und Möbelstücken aus Pelz hält die Expertin nichts.
Wohin also mit den Erbstücken? „Es gibt zwei Möglichkeiten: Man kann den Pelz entweder an Tierheime und Wildtierauffangstationen verschenken. Dort werden daraus Decken für die Tiere gemacht. Oder man spendet die Kleidungsstücke für karitative Zwecke, etwa für Menschen in Kriegsgebieten.“
Prinzipiell gelte, so Weissenböck, den Pelz lieber wegzuschmeißen als ihn zu tragen, denn „Pelz kann niemals hip und nachhaltig sein.“
"Pelz ist Emotion pur"
Seit 1933 gibt es das Pelzatelier Neundlinger an der Linzer Promenade, heuer wird endgültig zugesperrt: „Ich bin 60 Jahre alt und es gibt niemanden, der übernehmen will“, sagt Charlotte Binder-Küll, die das Familienunternehmen in dritter Generation leitet. Seit sich in der Stadt herumgesprochen hat, dass bald geschlossen wird, sei der Ansturm enorm: „Wir nehmen jetzt noch kleinere Aufträge an, aber ich suche mir schon sehr genau aus, was ich machen kann und will.“
Lamm, Nerz, Kaninchen, Hamster – sie alle hängen zu Jacken, Gilets und Mänteln verarbeitet in Reih und Glied auf Kleiderbügeln. „Wir leben in einem freien Land, darauf poche ich. Außerdem lege ich die Hände dafür ins Feuer, dass meine Ware aus ordentlichen Zuchtbetrieben in Europa kommt“, sagt Binder-Küll.
Direkte Angriffe habe es nicht gegeben, an anderes gewöhne man sich, wenn man Pelz trägt. Pelz sei Emotion pur, „mir lacht das Herz, wenn ich dieses Material in der Hand habe.“ Und: „Ich finde es bedenklich, wenn sich Menschen jedes Jahr einen neuen Plastikmantel kaufen. Oder alles online shoppen.“
Ein Pelzkragen sei um 120 Euro zu haben, das teuerste Stück, das im Pellatelier verkauft wurde, sei eine russische Zobeljacke um 18.000 Euro gewesen. „Die Kundschaft hat sich geändert. Früher war Pelz ein beliebtes Geschenk, heute kaufen sich Frauen mit ihrem Geld, was sie möchten.“
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