"Reinhold Mitterlehner, wir waren besser als die heute. Nur, dass das einmal gesagt ist", rief er selbstbewusst ins Auditorium.
Venedig und die Verschiebung der Welt
Bei der Erklärung der geopolitischen Weltlage, zu der er sprechen sollte, ging Sigmar Gabriel zur einstigen Weltmacht Venedig zurück, die nach Jahrhunderten der Vorherrschaft durch die Verschiebung der wirtschaftlichen Achsen vom Mittelmeer in den Atlantik an Einfluss verloren habe. "Glauben Sie, dass den Herrschern in Venedig das bewusst war?", fragte er rhetorisch in die Menge, um die Antwort zu geben: "Nein."
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Das passiere gerade wieder. Jetzt sei der Atlantik nicht mehr die Achse der Welt - die Dynamik verlagere sich in den Indopazifik. Mit der Auswirkung, dass die USA Europa weniger Bedeutung zumesse. Deshalb sei eine Stärkung der militärischen Kraft Europas wichtig, Amerikas Hilfe dennoch weiter nötig.
Europas militärischer Bedeutung misst Gabriel nicht die größte Durchschlagskraft zu: "Das ist, als ob Sie ein Golf-Masters spielen wollen, aber nicht einmal Minigolf können." Seine größte Sorge gilt demnach der Wahl in den USA.
Sorge wegen US-Wahl
Denn abgesehen davon, dass eine Wahl Trumps den Russland-Feldzug zu Ungunsten der Ukraine beeinflussen würde, fürchtet er bei jedem Wahlausgang die drohende Zerrissenheit der USA. "Ein Amerika, das zerrissen ist, fällt als westliche Spitzenmacht aus."
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Das passiere dort, weil die Parteien zutiefst verfeindet seien. In der herrschenden Zeitenwende sei es nötig, sich "einer Welt zu stellen, die schlimm aus der Wäsche guckt, aber wenn wir weiter eine Rolle spielen wollen, müssen wir uns ändern".
Sein Rat: Weniger Provinzialisierung und Besinnung auf die große Stärke, die Europa als ökonomische Binnenmacht darstelle. Denn mit Blick etwa auf China, das wirtschaftlich und politisch an die Spitze drängt, sei nicht die Strategie Chinas das Problem, sondern dass Europa keine Strategie habe.
Wobei er sehr versöhnlich die Gründung der EU als "große politische Leistung" bezeichnete: "Innerhalb eines Menschenlebens ist es gelungen, dass europäische Staaten gemeinsam mit Deutschland von Auschwitz nach Brüssel kommen und aus Feindschaft Freundschaft wurde."
Vom Applaus zeigte er sich überrascht: "So viel habe ich nicht einmal beim SPD-Parteitag bekommen."
Bankchef liest die Leviten
Unabhängig zeigte sich zuvor schon Franz Gasselsberger, Vorstandschef der Linzer Oberbank, mit einem ironischen "Lob" für die Politik: Diese habe sich bei der Inflation etwa durch Coronaförderungen mit der Gießkanne in Österreich einen Vorsprung von zwei Prozent geholt.
Dabei lässt ihn eine Umfrage unter den Bankkunden positiv in die Zukunft blicken: "Industrie und Mittelstand sind optimistischer als vor einem Jahr. Da steckt viel Glauben an die Zukunft drinnen."
Sein Appell an die Unternehmen: Noch mehr in Richtung Transformation und Nachhaltigkeit tun, seine Bank tue das, versicherte er, und sie werde das unterstützen.
Gasselsberger ist jedenfalls überzeugt: "Die Wirtschaft wird sich erholen, die Zinsen werden sinken, der Aufbruch wird spürbar werden."
Gefeiert wurde dann auch. Künstlerisch und kulinarisch. Unter den Gästen neben SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger, Bischof Manfred Scheuer und der Wirtschaftselite von Stadt und Land auch die Rektoren der bestehenden und künftigen Hochschulen von Linz.
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