"Brauchen Energiepreis-Deckel, sonst haben wir die nächste Krise“
Andreas Stangl ist seit November 2021 Präsident der Arbeiterkammer Oberösterreich. Im Mai 2022 wurde er zudem zum ÖGB-Landesvorsitzenden gewählt.
KURIER: Verfolgen Sie die Fußball-WM?
Andreas Stangl: In Katar hätte die Weltmeisterschaft nie stattfinden dürfen. Aber man kommt nicht aus, wenn man so wie ich viel unterwegs ist.
Im Vergleich zu Katar können wir doch stolz auf die Arbeitsbedingungen hierzulande sein.
Sicher. Deshalb sollte man sich aber nicht auf die faule Haut legen. Wir müssen hinschauen, wenn Arbeitsbedingungen nicht funktionieren. Wie in der Gastro. Wenn 51 Prozent der Lehrlinge zur Restaurantfachkraft die Lehre nicht abschließen, haben wir Handlungsbedarf.
Den gibt es auch in der Pflege und den Spitälern. Gesundheitslandesrätin und LH-Stv. Christine Haberlander (ÖVP) hat angekündigt, dass es mehr Personal geben soll. Wie viel bräuchte es?
Die Fachgruppenvereinigung des ÖGB sagt, es braucht ein Plus von 20 Prozent. Ich glaube, dass man genauer hinschauen muss. Nicht jedes Krankenhaus ist gleich. In Rohrbach ist sicher nicht so der Druckpunkt wie in den Spitälern in Linz. In Linz braucht es die 20 Prozent.
Mehr Personal heißt mehr Defizite in den Spitälern. Sollte man die Höchstgrenze der Sozialversicherungsbeiträge erhöhen?
Die Sozialversicherung zahlt bei den Krankenhäusern mit, wäre aber zuständig für den ganzen niedergelassenen Bereich. Wir hätten dort keinen Mangel an offenen Stellen bei den Ärzten, wenn es noch die oö. Gebietskrankenkasse in der alten Form gäbe. Unsere Leute haben das viel besser im Griff gehabt. Seitdem es im Bund zentralisiert worden ist, ist das Interesse nicht mehr so groß, für die Versicherten etwas zu verbessern. Das wirkt sich auf die Spitäler aus. Weil wenn ich nicht eine Vollversorgung im niedergelassenen Bereich habe, dann muss ich in die Ambulanzen gehen und das ist das Teuerste. Nur die Ausweitung der Höchstbeitragsgrundlage wird es nicht sein.
Der Landtag hat zum Budget getagt. Sind Sie mit der Erhöhung im Gesundheitsbereich zufrieden?
Mit der Erhöhung bin ich einverstanden. Die Frage ist nur: Wo geht sie hin? Geht sie nur in die Bauten oder landet das Geld auch bei den Beschäftigten? Ich kann schon zusätzliche MR bauen, aber dann brauche ich auch das Personal dazu und Dienstplansicherheit. Wo die Budgeterhöhung nicht passt, ist im Sozialbereich. Sechs Prozent sind zu wenig. Das wird sich nicht ausgehen.
Bei der vergangenen Pressekonferenz haben Sie mit Soziallandesrat Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) aber recht vereint gewirkt.
Der Herr Landesrat hat einen Diskussionsprozess angestoßen, was die Zukunft der Pflege betrifft. Die Stellungnahme der Arbeiterkammer dazu hat 18 Seiten voll mit Verbesserungsvorschlägen. Empfänglich war er dort, wo nicht so viele Millionen bewegt werden. Bei sechs, sieben Projekten hat er zugebilligt, sie gemeinsam zu machen. Wenn man unsere Vorschläge aufnimmt und damit Arbeitsbedingungen verbessert, dann hat man mich als Bündnispartner.
Klare Differenzen gibt es bei der Pflegelehre.
Da gibt es kein Wackeln oder Herumdeuten. ÖGB und Arbeiterkammer glauben, dass 15-Jährige am Pflegebett nichts verloren haben.
Die Gewerkschaft bremst bei der Rot-Weiß-Rot-Karte, trotz Arbeitskräftemangels. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) und SPÖ-Landesrat Michael Lindner forderten nun, Asylwerber sollen sofort arbeiten dürfen.
Wenn wir über die Rot-Weiß-Rot-Karte reden, dann ist das nie Schwarz oder Weiß. Wenn ich einen Techniker von Amerika nach Europa hole, weil man für die Stelle hier keinen hat, dann passt das. Die Rot-Weiß-Rot-Karte darf aber nicht das sein, dass ich aus Ländern Menschen hole, um bei uns Arbeit mit schlechten Arbeitsbedingungen zu verrichten, nur weil sie sie akzeptieren. Wir müssen die Arbeitsbedingungen so verbessern, dass auch Österreicher diese Arbeiten machen möchten. Außerdem haben wir 3.326 Jugendliche unter 24, die nicht in Beschäftigung sind, 6.475 Langzeitarbeitslose und 8.753 ältere Arbeitslose, wovon laut Schätzung vom AMS 3.000 zu krank zum Arbeiten, aber zu gesund für die Pension sind. Da steckt Potenzial drinnen. Und zu den Asylwerbern: Ich halte es für legitim sich zu fragen, warum Asylwerber nicht sofort arbeiten können, solange sie nicht einen Verdrängungswettbewerb auslösen.
Experten sagen eine Rezession voraus, es werde kein Wirtschaftswachstum mehr geben. Das hieße für 2023 wieder mehr Arbeitslose.
Wenn Wirtschaftsforscher nach der Einhaltung ihrer Prognosen bezahlt werden würden, dann hätten sie sich ihren Verdienst nicht verdient. Ich habe keinen Forscher gesehen, der nach dem Angriffskrieg der Russen einen Beschäftigtenhöchststand für Ende Oktober prognostiziert hätte – hatten wir aber. Wirtschaftlich geht es noch immer hervorragend, die Aussicht ist betrübt. Wir müssen deshalb unsere Hausaufgaben machen: Wir brauchen beim Heizen und den Energiepreisen einen Deckel. Haben die Menschen kein Geld, weil sie alles für Strom und Heizen ausgeben, dann kommen wir in die Krise.
Durch die hohe Beschäftigungsrate hat die Arbeiterkammer OÖ Rekordeinnahmen. Was machen Sie mit dem zusätzlichen Geld?
Wir haben auch mehr Mitglieder. Das heißt mehr Anfragen und mehr Arbeit. Die AK tut aber mehr fürs Geldtascherl der Bevölkerung als das Land OÖ. Wir haben einen Schulbonus von 100 Euro für alle Volksschulkinder. Wir haben im März angefangen, der Jugend einen Hunderter beim Fahrsicherheitstraining zuzuzahlen. Und wir haben den Bildungsbonus auf 150 erhöht, weil, wenn es eng wird, bei der Nachhilfe gespart wird.
Im November haben Sie Ihr einjähriges Jubiläum als AK-Präsident gefeiert. Haben Sie sich die Arbeit so vorgestellt?
Gefeiert ist gut (lacht). Ein Seiterl Bier haben wir getrunken. Ich war vor dem Amt jährlich in 150 Kollektivvertragsverhandlungen involviert. Als Präsident dachte ich mir, dass ich weniger verhandeln werde. Da habe ich mich schwer geirrt. Es war mit Corona, Lieferkettenproblemen und der Teuerung Vollgas turbulent. Aber ich bin gern Präsident.
Stichwort Verhandlungen. Wie sind Sie mit den Abschlüssen zufrieden?
Ich bin mit der Arbeit der Gewerkschaft sehr zufrieden, auch wenn es immer nur ein Kompromiss ist. Sie haben aber geschickt agiert.
Auch in Bezug auf den Streik der Eisenbahner?
Wenn ich nach einer acht Stunden langen Verhandlungsrunde am Wochenende nur 8 Euro brutto, 5 Euro netto, bekomme, würde ich auch streiken.
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