Arbeiten im Haushalt anderer: Neue Märkte für Arbeitsmigration

Arbeiten im Haushalt anderer: Neue Märkte für Arbeitsmigration
Guter Stoff, ein Gastkommentar von Brigitte Aulenbacher, Vorständin des Instituts für Soziologie an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz.

Forschungen an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz befassen sich seit geraumer Zeit mit der Vermittlung von Dienstleistungen und Arbeitskräften in private Haushalte, in denen sie Haushalts- und Betreuungsarbeiten leisten.

In Österreich wird die sogenannte 24-Stunden-Betreuung auf diese Weise organisiert. Es handelt sich – wie  auch  in vielen anderen Ländern Europas – um  eine Strategie, dem demographischen Wandel mit dem stark steigenden Bedarf an Pflege durch Aufrechterhaltung häuslicher Betreuung zu begegnen. In Österreich wohnen und arbeiten zentral- und osteuropäische, vor allem slowakische und rumänische, aber auch ungarische und kroatische Migrant*innen in den Haushalten der Betreuten, wobei sie in Zwei- bis Vier-Wochen-Rhythmen zwischen ihrem Arbeits- und Heimatland pendeln.

Unterschiedliche Herkunftsländer

Ähnlich und mit Blick auf die Arbeitsverhältnisse doch sehr unterschiedlich – etwa Selbstständigkeit, Angestelltenarbeit oder Entsendearbeit – ist es in Deutschland, wo vor allem Pol*innen arbeiten, und der Schweiz, in der Migrant*innen aus allen genannten Ländern kommen. (Die D-A-C-H-Studie kann HIER kostenlos heruntergeladen werden).

In anderen Ländern, z.B. in Spanien oder in Griechenland, aber auch in Nordamerika oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten, arbeiten Migrant*innen aus dem globalen Süden, etwa aus Lateinamerika, den Philippinen, Sri Lanka, und verbleiben oftmals mehrere Jahre in den Haushalten.

Viele Einflüsse auf Migration

In welcher Weise Migration erfolgt, unterliegt vielen Einflüssen: Pendelmigration beispielsweise, also die kurzzeitige Hin- und Herfahrt zwischen Herkunfts- und Ankunftsland, gründet auf der räumlichen Nähe. Migration von Lateinamerika nach Spanien hängt mit der Kolonialgeschichte und der Sprache zusammen. Die Migration aus Sri Lanka in die Vereinigten Arabischen Emirate findet auf einer Route statt, die wesentlich durch staatliche Politik gestützt ist.

Neue Märkte entstanden

Migration und die bezahlte Verrichtung von Haushalts- und Betreuungsarbeiten in privaten Haushalten sind nicht per se neu, sondern lassen sich über mehr als zwei Jahrhunderte zurückverfolgen. In den vergangenen beiden Jahrzehnten sind jedoch global boomende und umkämpfte, politisch und staatlich regulierte Märkte entstanden, auf denen Vermittlungsagenturen zu mächtigen Playern in dem Geschäft mit der Migration geworden sind.

For-profit-Vermittlungsagenturen können zum Beispiel privatwirtschaftliche Ein-Personen-Unternehmen, Familienbetriebe oder transnationale Konzernunternehmen sein, um die Bandbreite nur anzudeuten. Aber auch non-profit-Einrichtungen wie beispielsweise die Wohlfahrtsträger*innen betreiben Vermittlungsagenturen: in Deutschland, Österreich und der Schweiz beispielsweise die Caritas, in Österreich etwa auch die Volkshilfe und das Hilfswerk.

Vermittlungsagenturen

Das Angebot der Vermittlungsagenturen umfasst verschiedene Dienstleistungspakete, Qualifizierungsmaßnahmen, Fahrdienste für die Arbeitskräfte, die Vertragsgestaltung für alle Parteien und noch sehr viel mehr. Damit und mit ihrer Lobbyarbeit oder derjenigen ihrer Verbände beeinflussen sie die Qualität der Dienstleistungen und die  Arbeitsverhältnisse.

Ebenso  wirken sich die politische Regulierung von Migration auf der inter- und nationalen Ebene oder sozialpolitische Maßnahmen – in  Österreich beispielsweise die indirekte finanzielle Unterstützung der Haushalte durch das frei verwendbare Pflegegeld und einen Zuschuss ab Pflegestufe 3 – auf die Vermittlung von Betreuungsdiensten aus.

Haushalt als schwieriger Arbeitsplatz

Die Agenturvermittlung geht nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern einerseits damit einher, die Dienstleistungsangebote zusehends zu standardisieren, Preise und Leistungen damit überschau- und vergleichbarer zu machen, Qualitätskontrollen durchzuführen u.a.m. Andererseits erweist sich der Haushalt als schwieriger Arbeitsplatz und werden Arbeitsbedingungen dort nach wie vor weitgehend informell ausgehandelt: Pausenzeiten und überbordende Arbeitsanforderungen führen zu Dauerkonflikten, aber auch Gewalt wird begünstigt, wo Zusammenleben und Arbeit im Haushalt zur Überforderung werden.

Wenngleich es sich um ein globales Phänomen handelt – einheimische Mittel- und Oberschichtshaushalte lagern Haushalts- und Betreuungsarbeiten an Migrant*innen aus – so unterscheiden sich die Dienstleistungsangebote und Arbeitsverhältnisse erheblich und beides ist mit dem Boomen dieser Migrationsindustrie stärker ins öffentliche Interesse gerückt.

Migrationsindustrie

Ein internationales Symposium zum Thema „Care Migration – Care Marketization: Reflections on a Complex Interplay“ findet am 23. und 24. März an der JKU statt. Es steht allen Interessierten offen (Infos, Programm und Anmeldung finden Sie HIER) und präsentiert Erkenntnisse aus verschiedenen Weltregionen und zeigt, die diese Migrationsindustrie funktioniert, welche Angebote sie den Haushalten macht, wie die Arbeitsverhältnisse gestaltet sind, wie die Sende- und die Ankunftsländer beteiligt sind, wie alle Beteiligten diese Form der Haushalts- und Betreuungsarbeit sehen, welche Konflikte es gibt und wie versucht wird, Dienstleistungen und Arbeit zu regulieren.

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