Lindner: „Praxistests für Hunde und Halter“
Michael Lindner ist Landesrat für Kinder- und Jugendhilfe, für Gemeinden und den Tierschutz. Der 40-Jährige ist seit einem Jahr Landesparteivorsitzender der SPÖ Oberösterreich.
KURIER: 2022 gab es österreichweit laut dem Kuratorium für Verkehrsstatistik rund 4.000 Hundebisse, das sind zehn pro Tag. Das sind doch viel zu viele.
Michael Lindner: Die Statistik für Oberösterreich zeigt 182 Hundebisse in den beiden vergangenen Jahren. Die Anzahl ist stabil geblieben, obwohl die Anzahl der angemeldeten Hunde auf 82.000 gestiegen ist.
Das ist eine positive Entwicklung, sie soll aber nicht kleinreden, dass Hundebisse zu massiven Verletzungen führen können. Bis zu dem tragischen Todesfall.
Es sind sich mehr oder weniger alle Parteien darin einig, dass es einen Hundeführerschein geben soll.
So weit sind wir noch nicht. Ich habe am Tag nach dem Vorfall die Evaluierung des Hundegesetzes in Auftrag gegeben. Mit einer Arbeitsgruppe auf fachlicher Ebene, mit Experten, die wir uns themenorientiert holen.
Wir wollen den anderen Parteien einen Entwurf präsentieren, der ein fachliches Fundament hat, der eine Nachschärfung und eine bessere Ausbildung bedeutet. Ein Entwurf, der greift und kein Schnellschuss ist.
Was bedeutet bessere Ausbildung konkret?
Die Bissstatistik zeigt, dass die Bisse sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich passieren. Wir wollen den Sachkundenachweis weiterentwickeln. Mein Begriff dafür ist Hundeführerschein, weil es um noch mehr Praxis in der Ausbildung geht. Es geht um eine Praxisprüfung.
Professionelle Hundetrainer sollen darauf schauen, ob das Zusammenspiel von Hundehalter und Hund funktioniert. Ist der Hundehalter wirklich in der Lage, seinen Hund zu führen und zu beherrschen?
Es gibt ja bereits jetzt eine verpflichtende Schulung, die aber offensichtlich zu wenig greift. Wie soll sie künftig ablaufen?
Das Konzept ist im Detail nicht fertig. Der derzeitige Sachkundeunterricht mit sechs Stunden Theorie reicht nicht aus. Wir werden ihn mit Praxisausbildungen und Praxisprüfung erweitern.
Wir wollen das mit gut ausgebildeten Hundetrainern machen, damit wir ein hohes Niveau in der Ausbildung garantieren können. Und damit wir das berechtigte Schutzbedürfnis der Bevölkerung einhalten können.
Es wogt eine Diskussion um die Hunderassen. Die Organisation „Vier Pfoten“ ist gegen Rasselisten, die ÖVP fordert eine Leinen- und Beißkorbpflicht für die sogenannten Kampfhunde. Der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal ist für ein Verbot der Kampfhunde. Welche Meinung vertreten Sie in dieser Frage?
Die Meinungen gehen sehr stark auseinander, auch bei den Experten. Es gibt Hunde und Hunderassen, die eine intensivere Ausbildung brauchen als Chihuahuas.
Wir werden uns Regeln überlegen, wie man hier gut differenzieren kann, wie das in Wien und Niederösterreich funktioniert, wie wir das Schutzbedürfnis der Bevölkerung am besten erfüllen können.
Sollen gewisse Hunderassen verboten werden?
Ein Verbot von gewissen Hunderassen treibt diese in die Illegalität. Es kommt zu illegalem Handel und es gibt keine Garantie, dass es zu keinen derartigen Bissattacken kommt. In Oberösterreich sind bereits Hunde angemeldet, die dann unter dieses Verbot fallen würden.
Was macht man mit diesen Hunden? Das sind offene Fragen, die mit der Verbotsforderung nicht beantwortet sind.
Ein Verbot bringt also nichts?
Das treibt sie in die Illegalität und das Ganze ist damit noch schwerer kontrollierbar. Es verhindert, dass die Hundehalter eine ordentliche Ausbildung absolvieren müssen.
Die Vier Pfoten fordern, dass die Schutzhundeausbildung, sprich die Ausbildung von Hunden auf den Kampf gegen Menschen, verboten werden soll. Halten Sie das für sinnvoll?
Die Schutzhundeausbildung ist ein Bereich, der noch zu wenig geregelt. Die Regeln sollten auch auf Bundesebene weiterentwickelt werden. Der Zuchtbereich ist zu wenig reglementiert. Hier ist vieles im Graubereich. Ich bin dafür, dass es nur mehr bewilligungspflichtige Hundezuchten gibt. Das ist eine Aufgabe von Minister Johannes Rauch im Bundestierschutzgesetz.
Es sollte auch für die Hundeschutzausbildung eine bundesweite Regelung geben. Ich halte es für verfehlt, Hunde mit einer Schutzhundeausbildung bewusst scharfzumachen.
Die Neos wollen die Kompetenz für Hunde von den Ländern zum Bund verlagern. Was halten Sie von dieser Forderung?
Ich unterstütze sie ausdrücklich und habe Minister Rauch aufgefordert, dass wir uns österreichweit dieselben Hundehalterichtlinien geben. Es versteht kein Mensch, dass in Bregenz andere Regeln gelten als im Burgenland.
Wir sehen, dass die Züchter österreichweit verkaufen, wir sehen den legalen und illegalen Import von Welpen. Darum machen einheitliche Regeln einen Sinn. Aber bis es so weit ist, mache ich meine Hausaufgaben.
Regeln funktionieren aber nur dann, wenn sie kontrolliert werden.
So ist es. Dazu braucht es aber auch die Ressourcen. Bei 82.000 angemeldeten Hunden bedeutet das einen entsprechenden Kontrollaufwand. Ein Gesetz ist aber nur so gut wie seine Kontrolle. Die Frage ist dann, wer stellt bei allfälligen Vorkommnissen fest, ob der Hund auffällig ist oder nicht?
Zur SPÖ. Sowohl der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig als auch der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil als auch der Linzer Bürgermeister Klaus Luger lehnen es ab, in Bundesgremien der Partei vertreten zu sein.
Es sind deren höchstpersönliche Entscheidung, die man akzeptieren muss. Es ist bedauerlich, wenn sich gewichtige Stimmen von SPÖ-geführten Städten aus den Bundesgremien zurückziehen.
SPÖ-Vorsitzender Andreas Babler hat bereits einige Vorstellungen vorgelegt. So fährt er selbst nur 100 km/h auf der Autobahn, er möchte 100 km/h dort generell verankern. Identifizieren Sie sich mit dieser Forderung?
Es geht um eine andere Verkehrspolitik in diesem Land. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, brauchen wir einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Vor allem im ländlichen Raum ist das eine massive Herausforderung. Da geht viel zu wenig weiter.
Sollen die 100 km/h eingeführt werden oder nicht?
Babler sagt nicht, dass die 100 km/h verpflichtend kommen sollen.
Babler hat ein Modell für die Einführung einer Vermögenssteuer vorgelegt. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger ist hier skeptisch, er sieht die Gefahr, dass daraus plötzlich eine Häuslbauersteuer wird. Welche Position nehmen Sie ein?
Vermögen ist in Österreich extrem ungerecht verteilt. Die Diskussion, wie man Vermögen fairer verteilen kann, muss möglich sein. Babler hat im Sommer ein realistisches Konzept vorgelegt, das ich unterstützt habe und das genau die Häuslbauer mit einem Freibetrag von eineinhalb Millionen Euro für das eigene Heim ausnimmt.
Und einer zweiten Million als Vermögensfreibetrag. Kein durchschnittlicher Hausbesitzer ist von dieser fairen Abgabe betroffen.
Wann soll die von Babler angepeilte 32-Stunden-Woche kommen?
Unsere größte Herausforderung ist der Arbeitskräfte- und Facharbeitermangel. Wie können wir zu mehr Arbeitskraftstunden pro Woche kommen? Wir brauchen mehr Frauen am Arbeitsmarkt, bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten, eine schnellere Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen und eine zielgerichtete Anwerbung von Arbeitskräften im Ausland.
Bei der 32-Stunden-Woche soll man die Emotionen rausnehmen und das nicht so echauffiert diskutieren wie das die ÖVP tut. Die Arbeitszeitverkürzung kann ganz normal auf der Ebene der Sozialpartner von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und von Branche zu Branche diskutiert werden.
Das passiert seit Jahren in ganz vielen Bereichen, wo schrittweise auch Arbeitszeit reduziert wird und wo es wirtschaftlich verträglich ist.
Mit wem soll die SPÖ nach der nächsten Nationalratswahl koalieren?
Mein Fokus ist, dass wir mit unseren eigenen Themen das Gesundheitssystem retten. Dass wir eine Klimapolitik machen, die unseren Industriestandort absichert.
Wir wollen für mehr Gerechtigkeit sorgen. Man wird dann in den Koalitionsverhandlungen sehen, mit wem man dieses Programm umsetzen kann. Ausgeschlossen bleibt für mich die FPÖ.
Was erwarten Sie sich vom Bundesparteitag am 11./12. November?
Wir haben die Chance zu zeigen, wie wir dieses Land anders führen würden als die ÖVP. Diesen Unterschied müssen wir klar sichtbar machen.
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