24-Stunden-Betreuung: Großer Reformbedarf zur Rettung des Berufes
Eine im letzten Jahr veröffentlichte Studie der Johannes Kepler Universität Linz beleuchtet die alarmierenden Herausforderungen, mit denen 24-Stunden-Betreuer*innen in Österreich konfrontiert sind.
Viele von ihnen stammen aus Ländern wie Kroatien, Serbien und Ungarn und arbeiten oft seit Jahren unter schwierigen Bedingungen.
Die Umfrage, die zwischen Juli und September 2023 von Laura Thäter (Doktorandin am Linz Institute for Transformative Change der JKU) und Alexander Reichmann (Reichmann Research Consulting) mit Unterstützung der Gewerkschaft vida durchgeführt wurde, befragte über 2.000 in Österreich tätige Betreuer*innen und offenbart ein düsteres Bild: Unzufriedenheit, finanzielle Belastungen und mangelnde Wertschätzung drohen, dieses wichtige Berufsfeld zu destabilisieren.
Ein Beruf in der Krise - Anerkennung bleibt aus
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, dass viele Betreuer*innen ihre berufliche Zukunft in Österreich in Frage stellen. Nur drei von zehn Befragten möchten weiterhin in der 24-Stunden-Betreuung in Österreich tätig sein, während 16% über einen Wechsel in ein anderes Berufsfeld nachdenken und 7% sogar erwägen, ihre berufliche Tätigkeit in Österreich ganz aufzugeben.
Hauptursachen für diese besorgniserregende Entwicklung sind massive finanzielle Belastungen und das Gefühl, nicht ausreichend wertgeschätzt zu werden.
Fast alle Befragten – 95% – gaben an, ihre Ausgaben aufgrund der Inflation und steigender Lebenshaltungskosten in ihren Heimatländern einschränken zu müssen.
Hohe Reisekosten
Zusätzlich belasten hohe Reisekosten und Zahlungen an die österreichische Sozialversicherung sowie das Finanzamt die Betreuer*innen erheblich. Diese finanzielle Last ist so drückend, dass 82% der Befragten bereits aufgrund dessen darüber nachgedacht haben, ihre Tätigkeit aufzugeben.
Doch es sind nicht nur die Finanzen, die die Betreuer*innen an ihre Grenzen bringen. Auch das Gefühl, in ihrer Arbeit nicht wertgeschätzt zu werden, spielt eine große Rolle.
Zu wenig Wertschätzung
Während knapp die Hälfte der Betreuer*innen angibt, sich von den betreuten Personen und deren Familien anerkannt zu fühlen, glaubt nur ein Viertel, dass ihre Arbeit von der österreichischen Öffentlichkeit geschätzt wird.
Noch düsterer sieht es bei der Wertschätzung durch politische Entscheidungsträger*innen aus: nur 4 Prozent der Betreuer*innen fühlen sich von der Politik wirklich wahrgenommen.
Ein Aufruf zur Veränderung
Trotz der Herausforderungen haben die Betreuer*innen klare Vorstellungen davon, wie ihre Situation verbessert werden könnte. Sie fordern unter anderem einheitliche und höhere Tagessätze, offizielle Musterarbeitsverträge in Deutsch und ihrer Muttersprache sowie eine strengere Kontrolle der Vermittlungsagenturen.
Ein weiteres Anliegen ist die Einführung eines festen monatlichen SVS-Beitrags, um unerwartete Nachzahlungen zu vermeiden. Darüber hinaus wünschen sich die Betreuer*innen eine Vereinfachung der bürokratischen Prozesse, etwa durch Steuererklärungen in ihrer Muttersprache.
Auch die Schaffung eines Unterstützungsfonds für Betreuer*innen in finanziellen Notlagen sowie eine bessere Zusammenarbeit mit medizinischem Fachpersonal stehen auf ihrer Wunschliste.
Krise in der Betreuung droht
Die Studie verdeutlicht, wie dringend Reformen in der 24-Stunden-Betreuung in Österreich notwendig sind. Ohne rasche und umfassende Maßnahmen, die sowohl die finanziellen als auch die emotionalen Belastungen dieser Berufsgruppe adressieren, droht Österreich eine Krise in der Betreuung seiner alternden Bevölkerung.
Es ist jetzt an der Zeit, dass politische Entscheidungsträger*innen handeln, um sicherzustellen, dass diese unverzichtbaren Arbeiter*innen die Unterstützung und Anerkennung erhalten, die sie verdienen.
Forschung mit Bedeutung für Österreich
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der zentralen Rolle der häuslichen Betreuung im österreichischen Pflege- und Gesundheitssystem wird es immer wichtiger, nachhaltige Lösungen zu entwickeln, die sowohl qualitativ hochwertig als auch bezahlbar sind – und dabei nicht auf der Ausbeutung bestimmter Gruppen beruhen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich Laura Thäter in ihrer Forschung der Frage, wie die 24-Stunden-Betreuung im Sinne des Gemeinwohls organisiert werden kann.
Sie begleitet dafür die Plattform betreuerinnen.at, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine faire, transparente und sichere Vermittlung von Betreuungskräften österreichweit zu etablieren. Das Beispiel der Gemeinwohlplattform zeigt, dass 24-Stunden-Betreuung fairer gestaltet werden kann – für Familien und Betreuer*innen gleichermaßen.
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