Eisenstangen-Mord: "Kann nicht nur einstecken"

17 Zeugen werden bei dem Mordprozess aussagen.
Der angeklagte 41-Jährige soll ein Pensionistenehepaar getötet haben. Dem Mann droht eine Haftstrafe zwischen zehn Jahre und lebenslanger Haft.

Unter großem Medien- und Publikumsinteresse hat am Montag in Linz der Prozess gegen einen 41-Jährigen begonnen, der im Februar in Leonding (Bezirk Linz-Land) ein Nachbarehepaar mit einer Eisenstange erschlagen haben soll. Der Schwurgerichtssaal im Landesgericht war voll besetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Vater zweier Kinder Doppelmord vor, die Verteidigung spricht von Totschlag.

Eisenstangen-Mord: "Kann nicht nur einstecken"
ABD0008_20160718 - LINZ - ÖSTERREICH: Ein 41-jähriger Mann muss sich am Montag, 18. Juli 2016, wegen zweifachen Mordes vor dem Landesgericht Linz verantworten. Er ist beschuldigt im Februar 2016 in Leonding (Bezirk Linz-Land) ein Nachbarehepaar mit einer Eisenstange getötet zu haben. - FOTO: APA/FOTOKERSCHI.AT

Bisher unbescholtener Ingenieur

Gerichtskiebitze und Nachbarn der Opfer und des Angeklagten waren zur Verhandlung gekommen, um zu erfahren, was den unbescholtenen Ingenieur am 13. Februar zu der Attacke getrieben hatte. Der Angeklagte hatte die beiden Pensionisten auf der Straße in der Nähe ihrer Häuser getroffen, holte eine Eisenstange von einer Baustelle und ging auf die zwei los. Diese wurden schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert, wo sie später starben. Ein Gutachten bescheinigt dem Täter Zurechnungsfähigkeit. Er sitzt seit dem Angriff in U-Haft. Dem Angriff auf den 74-jährigen Mann und seine 72-jährige Frau war ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit vorausgegangen.

Die Anklagebehörde hat 17 Zeugen beantragt, die Verhandlung ist daher für zwei Tage anberaumt. Ein Urteil ist für Dienstag geplant. Bei einem Schuldspruch droht dem Mann eine Gefängnisstrafe zwischen zehn Jahren und lebenslang.

Angeklagter plädiert auf Totschlag

Der Angeklagte erklärte sich nur wegen Totschlags für schuldig. Er berichtete auf Nachfrage von Richterin Petra Oberhuber über jahrelange Probleme mit dem Nachbarn. So stand die Polizei mehrmals vor der Tür, weil die Nachbarn ihn wegen Ruhestörung angezeigt hatten, wenn er im Garten mit Freunden grillte. Zudem fühlte er sich immer von ihnen beobachtet, was er reaktionslos hingenommen habe.

Ganz schlimm wurde die Situation, als seine künftige Frau 2006 zu ihm ins Haus einzog. Wegen des Plans, eine Familie zu gründen, beabsichtigte das Paar umzubauen, wogegen die Nachbarn erfolglos Einspruch erhoben. "Aber wir sind durch die Anzeigen finanziell und zeitlich unter Druck geraten", erklärte der Angeklagte.

Ehefrau hatte Angst um das Leben ihrer Kinder

Für seine Frau spitzte sich die Lage nach der Geburt des zweiten Kindes ab 2013 derart zu, dass sie mit Sohn und Tochter ausziehen wollte. "Immer wieder habe ich sie davon zu überzeugen versucht, die Vorteile von einem eigenen Haus mit Garten zu sehen", so der Vater vor Gericht. Er sah auch ihre Angst um das Leben der Kinder als übertrieben an. "Erst heute weiß ich, dass meine Frau damals therapeutische Hilfe benötigt hätte", meinte er.

Doch auch in ihm dürfte sich über all die Jahre "einiges aufgestaut haben". Denn am 13. Februar reichten drei Wörter der Nachbarin auf der Straße und "mich hat der Blitz getroffen", sagte der Mann mit fester Stimme. "Ich kann nicht immer nur einstecken, ich muss mich wehren", gab er seine Gefühle wieder. Danach schlug er zu.

Der Tötung eines älteren Ehepaars in Leonding (Bezirk Linz-Land) ist ein jahrelanger Nachbarschaftsstreit vorausgegangen. Warum die Situation am Samstag derart eskaliert ist, ist aber unklar. Es stelle sich "schon die Frage, wie so etwas passieren kann, dass jemand unvermittelt - oder scheinbar unvermittelt - so eine Tat setzt", sagte der Psychologe Cornel Binder-Krieglstein (Bild) am Montag.

"Überschlagshandlung"

Wenn es länger Probleme gibt, die in einem Menschen gären, und der Betroffenen das Gefühl habe, er sei ohnmächtig und könne nichts zur Lösung beitragen, dann "kann es sein, dass diese Wut gepaart wird mit Ohnmacht", erläuterte Binder-Krieglstein. Dann ist es möglich, dass sich die Aggression aufstaut und "im Effekt die Impulskontrolle weg ist". Das kann laut dem Psychologen zu einer solchen "Überschlagshandlung" führen.

"Schlechte Grundstimmung" gepaart mit "schlechtem Tag"

Die Attacke mit einer bei einer Baustelle herumliegenden Eisenstange dürfte nicht geplant gewesen sein, so die Einschätzung von Binder-Krieglstein. Er vermutete, dass sich bei dem geständigen 41-Jährigen eine "schlechte Grundstimmung" aufgestaut hatte. In Verbindung mit einem "schlechten Tag" sei der Beschuldigte "dann ausgerastet", so eine mögliche Erklärung des Psychologen für die dennoch "nicht akzeptierbare" Tat.

"Wichtig wäre, dass man sich in Konfliktsituationen überlegt: Was habe ich für Strategien?", sagte Binder-Krieglstein zur Vorbeugung solcher Situationen. "Wenn man das Gefühl hat, man kommt nicht aus, sollte ein Psychologe, Moderator oder Mediator gesucht werden, um sich zu einigen", riet der Experte zu einem "Schiedsrichter" ähnlich wie beim Sport.

Fehlende "Privatsphäre" als Thema

Bei Nachbarschaftsstreitigkeiten gehe es oft um das Thema "Privatsphäre". Das sei in ländlichen Gebieten oft weniger das Problem, wo größere Wegstrecken zwischen Nachbarn liegen, bei Reihenhaussiedlungen sehe das aber beispielsweise schon wieder anders aus. Zu der Bluttat in Leonding war es im dicht besiedelten Stadtteil Berg gekommen. Bei dem Konflikt dürfte es unter anderem um Lärmbelästigung gegangen sein.

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