Kunst von Obdachlosen: „Ich will noch ein bisserl leben“
Seit sieben Jahren lebt Zoran auf der Straße. Derzeit schläft er in einer Garage irgendwo in Linz. „Wenn es kalt wird, wärmt mich mein Gasbrenner“, sagt er.
Vor 43 Jahren kam Zoran von Serbien nach Österreich, um Deutsch zu lernen. Seitdem ist viel passiert, das Schicksal hat es nicht immer gut gemeint mit ihm, seine Lebenslinie verläuft alles andere als linear.
Soziale Kälte
Seit zwei Jahren ist Zoran Teil des Kreativ-Workshops, der regelmäßig in den Räumlichkeiten der Stadtpfarre Linz angeboten wird. Am Donnerstag wurde in der Galerie Kulturformen gleich daneben die Ausstellung „Lebenskünstler:innen“ mit Werken wohnungsloser Menschen eröffnet.
Auch Zorans Werke hängen dort, er zeichnet minimalistisch nur in Schwarz-Weiß. Seine Botschaft ist eine kritisch-religiöse: Die Wege des Herrn sind sonderbar.
Aber wie geht es Menschen derzeit, die auf der Straße oder in großer Armut leben müssen?
Untertags wärmt sich Zoran im Vinzistüberl, einer karitativen Einrichtung, auf, duschen geht er ins öffentliche Bad. Wenn er sich etwas wünschen dürfte? „Dass die Menschen jeden Sonntag in die Kirche gehen.“ Die Gesellschaft an sich sieht er problematisch: „Viele Verbrechen, viel Kälte.“
Ähnlich empfindet das Anita. Seit einem – sie nennt es selbst – „Kollaps“ vor drei Jahren, kämpft sie jeden Tag um ihre Existenz. „Ich möchte schon noch ein bisserl leben“, sagt die 57-Jährige, und ringt dabei um Fassung. Anita hat zwar eine eigene Wohnung, leidet aber sehr an Armut und Einsamkeit. „Ich bin an sich sehr kunstinteressiert, kann es mir aber nicht leisten, am kulturellen Leben teilzunehmen.“
Zoran lebt auf der Straße, er schläft in einer Garage.
Beim Kreativ-Workshop gibt es keine Vorgaben.
Viele der Zeichnungen und Bilder muten kindlich an.
Thematisiert wird, was beschäftigt: Alltag, Hobbys, Sorgen, Wünsche und Träume
Jedes Bild erzählt eine Geschichte. Es geht um Würde und soziale Anerkennung.
Ihre Geschichten drücken die Obdachlosen auch über Kunstwerke aus.
Anita will „raus aus der Isolation und eine Perspektive“.
Zu den Kunstworkshops der Pfarre will sie ab sofort öfter kommen: „Ich will raus aus der Isolation, dieses Malen und Experimentieren hat schon für sehr viel Freude bei mir gesorgt.“ Stolz zeigt sie auf ihr buntes Bild, das prominent in der Ausstellung präsentiert wird. Es sei schön, in diesem Umfeld neue Menschen, vielleicht sogar Freunde kennenzulernen: „Ich will nicht immer alleine beim Essen sitzen, das ist traurig.“ Denn bei den Treffen wird nicht nur gemalt, es gibt auch immer Verpflegung.
"Keiner redet mehr miteinander"
Die 57-Jährige hatte einen stressigen Beruf in der Gastronomie, irgendwann kam der körperliche und psychische Zusammenbruch. Anita konnte nicht mehr. „Nun suche ich eine andere Perspektive.“ Die soziale Kälte in der Stadt mache ihr sehr zu schaffen: „Ich weiß, dass alle Leute ihre eigenen Probleme haben. Aber niemand ist mehr offen für andere, keiner redet mehr miteinander.“
Zoran und Anita stehen stellvertretend für viele, die bei der Ausstellungseröffnung ihre Lebensgeschichte erzählen, aber damit anonym bleiben möchten. Zu groß ist die Scham, zu groß die Angst vor sozialer Ausgrenzung.
INFO Es gibt Kälteschutz-Hotlines in jedem Bundesland. Dort kann auf Obdachlose aufmerksam gemacht werden. Sozialvereine nehmen dann Kontakt auf. In Linz: 0732/776767-500 (Di., Do., Fr. 10 bis 12 Uhr)
Kommentare