Aus persönlichem Interesse heraus, aber auch, weil er regelmäßig mit Gregor Gysi, dem ehemaligen Die Linke-Politiker, in den Ring steigt. Gemeinsam gestalten die konträren Persönlichkeiten den erfolgreichen Podcast "Gysi gegen Guttenberg", in dem die Meinungen und Einstellungen der beiden aufeinanderprallen.
Aus diesen Begegnungen zieht Guttenberg im Linzer Mediengespräch Schlüsse für einen respektvollen Umgang innerhalb der Gesellschaft, den er dieser Tage oft schmerzlich vermisst: "Gergor Gysi und ich kommen von zwei unterschiedlichen Planeten. Trotzdem schaffen wir es, in Versöhnlichkeit und mit Respekt miteinander zu diskutieren. Das ist kein Hexenwerk. We agree to disagree." Mittlerweile gibt es auch ein Buch und Live-Veranstaltungen dazu.
Zur aktuellen Lage in Österreichs Innenpolitik sagt Karl-Theodor zu Guttenberg: "Österreich ist ein pro-europäisches Land. Diese Situation jetzt könnte eine neue Debatte über den Zusammenhalt in Europa anstoßen."
Man könne auch aus deutscher Sicht nachvollziehen, dass eine Dreier-Koalitionen nicht automatisch Erfolg versprechen müsse: "Auch in Österreich hat das Zuckerl offenbar nicht geschmeckt", spielt Guttenberg auf die geplatzten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und den Neos an. Vielleicht ist euch dadurch auch etwas erspart geblieben." Ihm wäre eine ÖVP-geführte Regierung natürlich lieber gewesen als das, was sich jetzt abzeichne.
Auf den generellen Rechtsruck in Europa angesprochen, erklärt der Ex-Poltiker: "Jedes Land hat seine eigenen Gesetze. Wo es aber durchaus Parallelen gibt, ist in der Attraktivität kurzer, populistischer Antworten auf komplexe Sachverhalte."
Wenn sich die Ränder in einem ständigen Stärkungsprozess befinden, sei das ein Ausdruck der Schwäche der Mitte. Die politische Mitte verharre zu oft in der Selbstbeschäftigung, statt sich mit den Fragen zu beschäftigen, die die Menschen wirklich umtreiben. "Es reicht nicht, mit dem Finger nach außen zu deuten. Man muss sich auch selber den Spiegel vor die Nase halten."
Krude Thesen aus Amerika
Die Entwicklungen in Amerika könne man nicht mit jenen in Europa vergleichen, "die Strukturen und Systeme unterscheiden sich zu sehr." Wobei die USA schon Anschauungsunterricht gebe, wie man denn Menschen für krude Thesen gewinnen könne. "Das beobachten manche Lager in Europa sehr genau."
Gleichzeitig erklärt Guttenberg, warum das, was eine EU als Staatengemeinschaft für die Bevölkerung leisten kann und leistet, so oft nicht bei der Basis ankommt. "Das liegt zum einen an der räumlichen und personellen Entfernung hin zu den Entscheidern in Brüssel. Sobald das Gefühl entscheidet, Sachen werden im Hinterzimmer ausgemauschelt - das muss ja gar nicht stimmen -, dann wird das oft bedient, von denen, die dieses Gefühl gerne sehen wollen."
Das zweite sei ein Delegationsreflex auch von lokalen und nationalen Politikschaffenden: "Da wird Verantwortung nach oben oder unten und möglichst weit von sich weg geschoben. Da bieten sich immer jene an, die räumlich am weitesten weg sind." Außerdem interessieren sich die Menschen nicht dafür, was in der Vergangenheit geschaffen wurde, sondern sie seien getrieben von ihren Sorgen und Zukunftsängsten.
Angesichts der skizzierten Szenarien und Bedrohungslagen können man nun in Verzweiflung verfallen: "Man kann aber stattdessen auch Potenziale und Möglichkeiten sehen. Und die Aufforderung, endlich ins Handeln zu kommen. Wir sollten unsere europäischen Hintern in die Höhe kriegen, selbst in die Gänge kommen und eigene Leistungen erbringen." Entweder Europa werde zerrieben oder das sei die ganz große Chance, aus bestehenden Abhängigkeiten loszukommen. Und er schließt: "Wenn uns das Wasser bis zum Kinn steht, ist es ungesund, den Kopf hängen zu lassen."
Eine Rückkehr in die Politik schließt Guttenberg vehement aus: "Das ist keine Koketterie. Ich genieße meine Freiheit sehr."
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