Hitlers Geburtshaus: Ex-Besitzerin kämpft weiter gegen Enteignung
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte Ende Juni die Rechtmäßigkeit des Gesetzes zur Enteignung von Gerlinde P. bestätigt. Einen Schlussstrich unter die Causa hat das Höchstgericht damit nicht zu setzen vermocht. Denn die Ex-Besitzerin von Hitlers Geburtshaus in Braunau will sich rechtlich weiter zur Wehr setzen.
"Sie hat nichts zu verlieren, ihr wurde alles weggenommen", sagt ihr Anwalt Gerhard Lebitsch. Er will im Auftrag seiner Mandantin im Laufe der kommenden Woche eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg einbringen. Gerlinde P. hat dafür am Mittwoch die notwendige Unterschrift geleistet. Die Beschwerde hatte Lebitsch bereits vor der VfGH-Verhandlung am 22. Juni in Betracht gezogen – der KURIER berichtete.
Der Anwalt ortet in der Enteignung per "Maßnahmengesetz" eine Verletzung der Menschenrechte. Denn: Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention sieht bei Eingriffen in den Kernbereich des Zivilrechts, wozu das Eigentum gehört, das Recht auf ein faires Verfahren vor einem Tribunal vor. Der VfGH besitze in dieser Sache allerdings keine "Tribunalqualität", argumentiert der Anwalt unter Verweis auf eineEGMR-Entscheidung aus dem Jahr 1993.Demnach könne der VfGH ein Gesetz lediglich auf die Vereinbarkeit mit der Verfassung überprüfen. "Er kann aber nicht überprüfen, ob der Sachverhalt gerechtfertigt ist, der zur Enteignung geführt hat", meint Lebitsch.
Anwalt kritisiert VfGH
Lebitsch spart nicht mit Kritik an der öffentlichen Verhandlung im Vorfeld des VfGH-Entscheids. "Die Verhandlung war in keiner Weise einem ordentlichen Gerichtsverfahren entsprechend." Er bemängelt, dass die Redezeit mit 20 Minuten pro Partei beschränkt gewesen sei und ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten zur Causa "wie bei jedem normalen Verfahren" gefehlt hätte. Vielmehr habe sich der VfGH am Abschlussbericht der vom Innenministerium eingesetzten Historikerkommission orientiert.
Mit einer baldigen Entscheidung ist nicht zu rechnen. Die Prüfung durch den EGMR könnte Jahre dauern. Eine Verurteilung der Republik hätte jedenfalls keine unmittelbaren Folgen, wäre für das internationale Ansehen Österreichs aber eine "sehr peinliche Sache", befindet Lebitsch. "Eine Verurteilung Österreichs wegen Verletzung der Menschenrechte könnte zu einem Umdenken führen", hofft der Anwalt.
310.000 Euro "zu wenig"
Bereits in der Vorwoche hat Lebitsch beim Landesgericht Ried einen Antrag auf Festsetzung der Entschädigungshöhe eingebracht. Der im September ausgestellte Bescheid des Innenministeriums sei damit außer Kraft. Dieser sah auf Grundlage eines Gutachtens 310.000 Euro für die gesamte Liegenschaft vor – für Gerlinde P. zu wenig.
Der vom Innenministerium angekündigte Architektenwettbewerb zur von der Historikerkommission vorgeschlagenen "tief greifenden architektonischen Umgestaltung" des Gebäudes liegt unterdessen auf Eis. "Wir konzentrieren uns derzeit auf die Frage der Entschädigung", sagt Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Erst wenn die Höhe der Schadenersatzes rechtskräftig sei, wolle man die nächsten Schritte setzen.
Unmittelbar nach dem VfGH-Entscheid Ende Juni klang das noch anders. Der Wettbewerb stehe "in den Startlöchern", hieß es aus dem Ministerium. Damals war die Rede davon, dass eine Experten-Jury bis Ende des Jahres ein Siegerprojekt küren solle.
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