"Hitlerhaus": Viele Widersprüche vor den Verfassungsrichtern
Die Zukunft von Hitlers Geburtshaus in Braunau regt weit über die Landesgrenzen hinaus auf. Das Gesetz, mit dem die frühere Eigentümerin Gerlinde P. Mitte Jänner von der Republik enteignet wurde, beschäftigte heute, Donnerstag, den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Sogar die New York Times habe sich tags zuvor über den Verfahrensstand erkundigt, sagte Gerhard Lebitsch, Anwalt von Gerlinde P. Die Frau blieb dem VfGH fern – sie sei gesundheitlich angeschlagen und scheue den Medienrummel.
Die Argumentation der Republik, es gehe bei der Enteignung im Wesentlichen darum, nationalsozialistische Wiederbetätigung vor dem Gebäude zu verhindern, ist für den Anwalt nicht haltbar. "Mit etwas höherer Polizeipräsenz hätte man das sicher in den Griff bekommen", meinte Lebitsch konkret über den 20. April (Hitlers Geburtstag, Anm.), an dem das Interesse von Neonazis besonders groß sei.
Architektenwettbewerb
Nach einigen Fragen der Verfassungsrichter und etwas mehr als einer Stunde beendete VfGH-Präsident Gerhart Holzinger die Sitzung. Die 14 Verfassungsrichter beraten nun intern weiter. Das Urteil sollte in den kommenden Wochen fallen.
Im Innenministerium gibt es offenbar keine Zweifel daran, wie die Entscheidung des VfGH ausfallen wird. Anfang Juli soll es unter Federführung der Bundesimmobiliengesellschaft die erste Sitzung zur Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs geben. Die Frage nach dem weiteren Fahrplan wehrte Sektionschef Feiner ab: „Kein Kommentar.“ Auch die Verhandlungen über die Entschädigung für die Enteignung der Liegenschaft gehen trotz des laufenden Verfahrens weiter. Der ursprüngliche Termin überlagerte sich allerdings mit der VfGH-Verhandlung, ein neuer steht noch nicht fest.
Mitte der 2000er-Jahre dürfte die Auseinandersetzung eskaliert sein. Die Version des Innenministeriums: Die Eigentümerin hätte bau- und feuerpolizeiliche Maßnahmen sowie Umbauarbeiten zugunsten der Barrierefreiheit in Höhe von rund 1,6 Mio. Euro abgelehnt. Die Kosten hätten demnach die Republik und die Stadt Braunau getragen. 2011 zog die Lebenshilfe als letzte Untermieterin aus.
In den Jahren darauf scheiterten sämtliche Verhandlungen über die Nachnutzung – das Gebäude steht seither leer. Gerlinde P. schlug sämtliche Kaufangebote aus. Zu niedrig seien die Entschädigungen gewesen, sagt ihr Anwalt. Ein bilaterales Gespräch mit Ex-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sei von P. gewünscht worden, aber nie zustande gekommen sein. Unter Nachfolger Wolfgang Sobotka (ebenfalls ÖVP) sei es dann sehr schnell gegangen.
Am 14. Jänner 2017 trat das Enteignungsgesetz schließlich in Kraft. Die Republik wurde im Februar im Grundbuch als Eigentümerin vorgemerkt. Gegen diese Vormerkung legte Gerlinde P. ein Rechtsmittel ein. Auf dessen Grundlage stellte sie einen Parteiantrag beim VfGH, der am Donnerstag verhandelt wurde.
Zuvor kam eine vom Innenministerium eingesetzte Historikerkommission unter der Leitung von Sektionschef Hermann Feiner zu dem Schluss, dass das Gebäude eine "tiefgreifende architektonische Veränderung" erhalten soll. Genutzt werden dürfte das Haus künftig von einer "sozial-karitativen Einrichtung", vorzugsweise wieder der Lebenshilfe.
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