Haus am Traunsee bringt Anwälte und Notar auf die Anklagebank
Heute sind noch mehr Anwälte als sonst im Gerichtssaal. Denn, und das kommt nicht so häufig vor, zwei von ihnen müssen auf der Anklagebank im Welser Landesgericht Platz nehmen. Ebenso ein Notar und drei Leute aus der Immobilienbranche.
Die Verbindungen der Angeklagten sind eng. Sehr eng. Die Erstangeklagte ist Immobilienmaklerin. Sie trifft eine Bekannte auf einem Fest, eine Anwältin, Sie bietet ihr ein Haus am See an. Die Pension Neuwirth. 750.000 Euro soll sie kosten.
Die Frau, der das Haus angeboten wurde, ist die Schwester eines Immobilienentwicklers. Ihr Mann hat mit ihrem Bruder eine Immobilienfirma gemeinsam. Und diese Firma kauft das Haus am See am 14. Oktober 2019.
Heute sitzen sie deshalb nebeneinander auf der Anklagebank. Ein weiterer Anwalt und der Notar - ein guter Bekannter der Rechtsanwälte, die Kinder gehen gemeinsam in die Schule - sind ebenfalls angeklagt. Alle bekennen sich nicht schuldig.
Auf der anderen Seite: Die Staatsanwaltschaft, der Richter und die Schöffen. Der Vorwurf wiegt schwer: Die Angeklagten sollen einer alten Frau eine Pension in Gmunden am Traunsee abgeluchst haben. Wert laut Staatsanwaltschaft: über 1,6 Millionen Euro. Kaufpreis: 750.000 Euro. Daraus schließt die Staatsanwaltschaft einen schweren Betrug mit einem Schaden von rund 900.000 Euro.
Verkäuferin über den Tisch gezogen?
Abgesehen vom Preis sei die Liegenschaft nur der einen Gesellschaft angeboten worden. Und dass das Seegrundstück mit verkauft wurde, habe sich nicht gleich erschlossen. Denn dieses habe samt dem Bootshaus und dem Steg alleine einen Wert von 750.000 Euro.
Dass die alte Frau, die mittlerweile verstorben ist, nicht ausreichend über die Vertragsinhalte informiert war, liegt für die Staatsanwaltschaft auf der Hand. Auch die Enkeltochter, die bei der Vertragsunterfertigung dabei war, wird von der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführt: "Sie hatte den Eindruck, dass ihre Oma überfordert ist."
Dass die Enkelin einen weiteren Rechtsanwalt zur Vertragsunterzeichnung hinzuziehen wollte - was von den Käufern abgelehnt wurde - bekräftige den Vorwurf der Anklage, dass es sich um einen Betrug gehandelt habe.
Bruchbude ohne großen Wert?
Die Ausführungen der Verteidiger der sechs Angeklagten zeichnen ein gänzlich anderes Bild. Die frühere Eigentümerin sei mehrfach an die Immobilienmaklerin herangetreten, um ihre Pension zu verkaufen. Dabei habe sie einen Kaufpreis von 600.000 Euro genannt, den sie erzielen hätte wollen.
Die Bewertung der Maklerin habe - für Pension, Wald, Seeufer und Bootshaus - einen Kaufpreis von 750.000 Euro ergeben. Besichtigungen habe es mehrmals durch die Kaufinteressenten gegeben. Samt Seegrund und Bootshaus. Dann wurde ein Kaufangebot gelegt, sagt der Verteidiger: "Ein ganz normaler Vorgang."
Moralisch verwerflich, aber nicht strafbar
Dass ein gerichtliches Gutachten später zumindest 1,1 Millionen Euro errechnet, allerdings nur 750.000 Euro bezahlt wurden, sei ebenfalls kein Problem - ein Verkauf innerhalb von 30 Prozent sei kein Problem: Vielleich moralisch verwerflich, "aber nicht strafbar".
Selbst bei der Unterfertigung des Vertrages im Oktober 2019 habe die Pensionsbesitzerin noch Änderungen am Vertrag vornehmen lassen. Das beweise, dass niemandem auffallen hätte können, dass die Frau - wie sich später herausstellen sollte - zu dem Zeitpunkt bereits dement gewesen war.
Dazu wurde in einem Zivilrechtsprozess, der im Vorfeld zu diesem Fall angestrengt wurde, bereits festgestellt: Eine Geschäftsunfähigkeit sei zwar vorgelegen, diese sei aber nicht erkennbar gewesen.
Was die Verteidiger im Sinne ihrer Angeklagten noch vorbringen: Die Pension selbst, die über 60 Zimmer hat, sei höchst sanierungsbedürftig oder abbruchreif, und das angrenzende Wohnhaus sei im Eigentum der Pensionsbetreiberin verblieben.
Samt Verpflichtung der neuen Eigentümer, für die Energieversorgung dieses Gebäudes in jedem Fall zu sorgen. Und für sie und ihre Nachkommen sei auch der Seezugang lebenslang zugesicherte worden.
Den Seezugang - der von der Staatsanwaltschaft so hoch bewertet wurde - stellte die Verteidigung auch anders dar: "Auf der Wiese liegen sie geschätzte fünf Zentimeter von der stark befahrenen Traunsteinstraße entfernt und haben einen eineinhalb Meter breiten Zugang zum See."
Notar in der Bredouille
Für den Notar, der für die Staatsanwaltschaft in dem abgekarteten Spiel mitgemacht hat, hält sein Anwalt fest: "Wenn die Beglaubigung dazu führt, dass man angeklagt wird, wird kein Notar mehr einen Verkauf beglaubigen. Vor allem nicht, wenn ältere Menschen etwas verkaufen."
Sein Anwalt ist sicher: "Wenn irgendjemand gesagt hätte, die Frau ist nicht geschäftsfähig, hätte der Notar sofort abgebrochen. Und betont: „Ein Notar ist ja kein Psychiater, wie soll denn der feststellen, dass eine Frau nicht geschäftsfähig ist?“
Und er bringt noch einen Aspekt ins Spiel: "Warum sollte jemand einen Notar zum Komplizen machen, wenn da eine Linke gelaufen wäre. Er gerät in die Bredouille für einen Vertrag, für den er 700 Euro erhalten hat."
Bei der Befragung durch den Richter räumte der Notar ein, dass die Enkelin der Verkäuferin definitiv mit dem Kaufvertrag nicht einverstanden gewesen sei.
Der Prozess ist für zumindest drei Tage angesetzt, um alle Vorwürfe gegen die sechs Angeklagten im Detail zu klären. Eines haben die Verteidiger schon vorab gesagt: Von der Staatsanwaltschaft werden die Angeklagten keine Fragen beantworten. Und es sind viele Fragen, die Staatsanwalt und Privatbeteiligtenvertreter haben, die offen bleiben.
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