Hallstatt: Global Village der Alpen

Hallstatt
Eine historische Reise in die 7000 Jahre alte Kultur des Salzabbaus.

Das Salzbergtal oberhalb von Hallstatt zählt zu den ältesten Industrie-Regionen der Welt. 7000 Jahre lang hat der Salzabbau Mensch und Umwelt geprägt.

Nach einer im 13. Jahrhundert vor Christus durch einen gewaltigen Erdrutsch verursachten Ende des bronzezeitlichen Bergbaus wurde im 9. Jahrhundert weiter oben im Salzbergtal intensiver Bergbau begonnen. Der neue Rohstoff Eisen brachte tief greifende Veränderungen. Riesige unterirdische Hallen wurden errichtet – 170 Meter lang, bis zu 27 Meter breit und bis zu 20 Meter hoch. 15 sechsstöckige Hochhäuser fänden darin Platz. Das Salz wurde nicht mehr in kleinen Stücken, sondern in Platten gewonnen und vertrieben. Diese herzförmigen Salzplatten waren als "Trademark Hallstatt" bekannt und dienten auch der Unterscheidung vom Salz des Konkurrenzbetriebes am Halleiner Dürrnberg.

Industrielle Produktion

Die einzigartige kulturelle Blütezeit war auch für die Namensgebung Hallstattzeit (800–400 v. Chr.) ausschlaggebend. Dieser Begriff bezieht sich auf den geografischen Großraum nördlich der Alpen während der frühen Eisenzeit. Zu dieser Zeit, als das römische Imperium noch in den Kinderschuhen steckte, war Hallstatt durch seine industrielle Produktion von Salz bereits ein reicher Ort mit weltweiten Handelsbeziehungen. Dass die Bevölkerung wohlhabend war, zeigt sich in den Grabbeigaben des Gräberfeldes. Die Hallstätter Funde gehören zu den wertvollsten Beständen der gesamten europäischen Urgeschichte.

6000 Gräber

Seit 170 Jahren wird Hallstatt archäologisch erforscht, seit den 1960er-Jahren von der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums. 1500 Gräber wurden bisher entdeckt – je zur Hälfte in Körper- oder in Urnengräbern. Insgesamt vermutet man 6000 Gräber. Viele Skelette – Männer, Frauen und Kinder – zeigen Spuren von starker körperlicher Arbeit im Bergbau. Daran sieht man: Das Hallstätter Gräberfeld ist ein Friedhof der Bergleute. 50 Prozent der gefundenen Skelette hatten zum Zeitpunkt ihres Todes ein Alter zwischen 40 und 60 Jahren und immerhin 14 Prozent dürften sogar über 60 Jahre alt geworden sein. Die durchschnittliche Größe der Männer betrug 170 cm, die der Frauen 160 cm.

Hallstatt lieferte das lebensnotwendige Salz nach ganz Europa. Das "weiße Gold" diente zum Würzen, zur Konservierung von Fleisch, der Veredelung von Häuten und Fellen bis zum Einsatz in Viehhaltung, Metallurgie, Glasherstellung und Heilkunst. Dazu war eine entsprechende Infrastruktur notwendig, ein Wegesystem über die Flüsse und künstlich angelegt Wegtrassen verbanden den Ort mit der Außenwelt.

Alle profitierten

Die gesamte Region war in die Erhaltung dieses Wirtschaftszweiges eingebunden. Die körperlich arbeitenden Menschen mussten mit dem nötigen Arbeitsgerät, aber auch mit Nahrung, Kleidern und sonstigen Gütern des täglichen Bedarfs versorgt werden. Holzarbeiter lieferten das in riesigen Mengen erforderliche Holz, Bauern das Fleisch.

Im vierten Jahrhundert vor Christus beendete eine riesige Mure den "Salzboom" und das blühende Leben am Salzberg. Bis zu acht Meter hoher Schutt und Erde bedeckten die ursprüngliche Oberfläche. Das brachte das Ende des hallstattzeitlichen Bergbaus.

1734 wurde die durch Salz konservierte Leiche eines prähistorischen Bergmannes gefunden. Wahrscheinlich war dieser "Mann im Salz" ein Opfer der gewaltigen Mure und somit ein vorgeschichtlicher Unfalltoter.

Neuer Anlauf der Kelten

In der Jüngeren Eisenzeit ab dem zweiten Jahrhundert vor Christus, auch "Latènezeit" genannt, wurde von den Kelten mehrere Hundert Meter höher am Salzberg – in geschützten Lagen – ein neuer Anlauf zur Salzgewinnung unternommen. Beschützt wurden sie wohl auch von den keltischen Gottheiten Taranis, Teutates und Esus, die für Krieg, Reichtum und das Jenseits standen. In diesem feuchten Hochmoor wurde bei Grabungen ein vollständig erhaltener Stolleneingang entdeckt. Erst in der Römerzeit entstanden unten am See, im heutigen Ortsteil Lahn ausgedehnte Siedlungen.

Wie wichtig auch für die Römer das Salz war, brachte der römische Schriftsteller Cassodius auf den Punkt: "Auf Gold kann man verzichten, nicht aber auf Salz."

Älteste Pipeline

Ein markantes Datum ist das Jahr 1311. Damals wurden Bergbau und Sudwesen "verstaatlicht". Das Salz wurde nicht mehr in Stücken abgebaut, sondern aus dem Gestein gelaugt. Die Sole mit 33-prozentigem Salzgehalt wurde in Sudpfannen erhitzt und so das Salz durch Verdampfen vom Wasser getrennt. Dafür waren immer größere Mengen an Holz notwendig, die in Hallstatt schließlich nicht mehr verfügbar waren. Die Salzverarbeitung wurde daher verlagert. Ab 1604 wurde durch Kaiser Rudolf II. in Ebensee eine neue Saline errichtet, die mit einer 40 km langen Holzleitung nach Hallstatt verbunden wurde. Die älteste Pipeline der Welt war errichtet. Noch heute leistet sie – mittlerweile aus Kunststoff – wertvolle Dienste.

100 Tonnen Salz

Die Salinen Austria AG gewinnt heute jährlich 300.000 Tonnen Salz im Laug-Verfahren. In prähistorischer Zeit waren es mit mechanischer Gewinnung geschätzte 100 Tonnen Steinsalz pro Jahr.

Aktuelle Forschungen des Naturhistorischen Museums Wien in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck analysieren Moore, den Boden des Hallstätter Sees sowie den einmündenden Mühlbach aus dem Salzbergtal und den Waldbach aus dem Echerntal. Sie erwarten sich von der Analyse der Ablagerungen wertvolle Hinweise auf Lebens- und Wirtschaftsweise der frühzeitlichen Menschen. Blütenstaub, abgestorbene Wasserinsekten und Algen können Hinweise geben, ob und wie viele Menschen hier wohnten, ob Getreide angebaut und wie Land- und Forstwirtschaft betrieben wurde.

Speck vor 3000 Jahren

Die Forscher des Naturhistorischen Museums haben nun herausgefunden, dass Hunderte kastrierte Schweine im besten Schlachtalter von zwei bis zweieinhalb Jahren jedes Jahr nach Hallstatt getrieben und tranchiert worden, um anschließend in riesigen Holzbecken gepökelt und im Bergwerk getrocknet zu werden. Das ist die älteste industrielle Speckproduktion Europas.

Die enorme Anzahl von 6000 gefundenen Knochen hat laut dem Archäologen Hans Reschreiter die Frage aufgeworfen, woher die Schweine gekommen sind, da es in der näheren Umgebung im Winter für große Schweineherden nicht ausreichend Futter gegeben hat. Die Auswertung der Knochen hat gezeigt, dass die Tiere von Schweinezüchtern im Alpenvorland entlang der Donau oder im Süden (Judenburger und Klagenfurter Becken) stammten. Deren große Schweineherden haben vermutlich in Eichenmischwäldern gelebt und sich im Winter selbst von den abgefallenen Eicheln ernährt.

Tranchiertechnik

Zudem seien die Tiere in einer ganz speziellen Tranchiertechnik zerlegt worden, so Reschreiter: "Dabei werden die Schweine nicht wie heute üblich vom Bauch her geöffnet, sondern es wird am Rücken begonnen und der Brustkorb ausgelöst." Diese Technik finde sich bis heute in Teilen Kärntens, die als Zulieferregionen des bronzezeitlichen Hallstatt infrage kämen, und habe sich möglicherweise 3000 Jahre gehalten.

Import von Stielen

Das Handelsnetzwerk wurde auch für die Beschaffung von Betriebsmitteln genutzt. "Bei den Werkzeugstielen sehen wir bereits um 1200 v. Chr., dass Hunderte davon aus dem Alpenvorland nach Hallstatt importiert wurden." Das dortige Salzbergwerk sei ein hoch organisierter Betrieb gewesen, der Nahrung, Betriebsmittel und auch Kleidung für die Bergleute bereitgestellt und so eine reibungslose Salzproduktion gewährleistet habe. Die Abbauorte waren für jahrzehntelangen Betrieb ausgelegt.

Autor: Josef Leitner

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