"Glaubensprüfung ist Anmaßung"

Maria Katharina Moser (künftige Diakonie Chefin)
Die zukünftige Direktorin der Diakonie kritisiert das Vorgehen der Asylbehörden.

Maria Katharina Moser (43) ist in Eferding aufgewachsen und hat am Stiftsgymnasium Wilhering 1992 maturiert. Die Älteste von drei Geschwistern studierte katholische sowie evangelische Theologie in Wien und interkulturelle Frauenforschung in Manila. Ab 2007 arbeitete sie als ORF-Journalistin. 2012 übernahm sie für ein halbes Jahr eine Gastprofessour am Lehrstuhl für Sozialethik und Praktische Theologie in Saarbrücken. Hier kam es zu einem Bruch. Ein älterer Herr besuchte ihre Bioethik -Vorlesungen und gemahnte sie ständig an das römische Lehramt.

In der Folgezeit konvertierte sie zum evangelischen Glauben. Seit September 2016 ist sie Pfarrerin der Gemeinde Wien-Simmering. Im September 2018 wird sie Direktorin der Diakonie.

KURIER: Was ist für Sie das Christkind?

Maria Katharina Moser: Es ist Gott als Säugling. Es ist für mich ein ganz faszinierender Gedanke, dass Gott auf die Welt kommt, aber nicht als großartiger Herrscher, sondern völlig abhängig. Denn ein Baby kann für sich allein nicht überleben. Gott setzt sich der menschlichen Realität komplett aus. Ich bin ein großer Fan der Weihnachtskrippe, denn sie zeigt wie Menschen in den verschiedensten Ländern der Welt die Weihnachtsbotschaft in ihre Realität holen.

Sind Sie selbst auch ein Christkind?

(lacht).

Jeder kann doch dem anderen gegenüber ein Christkind sein?

Wir dürfen uns nicht an die Stelle Gottes setzen, aber gleichzeitig sind wir dazu aufgerufen das nachzuahmen, was Jesus getan hat. Unsere Hilfe denen gegenüber, die sie brauchen, ist Christus-begegnung.

Was bedeutet für Sie Weihnachten?

Mir persönlich ist Weihnachten ganz wichtig, denn es ist ein Geburtstagsfest. Gott hat sich auf die Menschen eingelassen. Weihnachten und Ostern hängen eng zusammen, es ist der Anfang und das Ende des Lebens. Christus ist hier in einer schwachen Position, in der Abhängigkeit als Säugling und als Leidender am Kreuz.

Wie feiern Sie persönlich?

Ich feiere hauptsächlich als Pfarrerin in der Kirche. Um 17 Uhr mit den Kindern und den älteren Menschen.Um 23 Uhr feiern wir die Mette, die für mich immer besonders schön ist. Die dunkle Kirche wird immer heller, wenn wir das Weihnachtslicht weiter geben.

Sie sind vom katholischen zum evangelischen Glauben übergetreten. Was ist bei den Evangelischen anders?

Für mich waren mehrere Dinge entscheidend. Das Amtsverständnis ist ein anderes. Das allgemeine Priestertum der Gläubigen wird hoch gehalten und alle haben dasselbe Recht. Sie wählen aus ihrer Mitte den/die Pfarrer/in.

Was bedeutet allgemeines Priestertum?

Martin Luther sagte, alles, was aus der Taufe gekrochen ist, ist zugleich Priester, Bischof und Papst. Das heißt, dass die priesterliche Funktion nicht nur den Amtsträgern vorbehalten ist, sondern dass sich das alle teilen. Für die katholische Tradition ist wichtig, dass eine wesensmäßige Differenz zwischen dem geweihten Priester und dem Laien besteht.

Weiters ist für mich die evangelische Grundbotschaft wichtig, die mit der Rechtfertigungslehre zusammen hängt. Alle Menschen sind vor Gott gleich viel Wert, unabhängig von ihren Leistungen. Zunächst zählt einmal das gemeinsam geteilte Menschsein.

Im von Ihnen herausgegebenen Buch "Meine persönliche Reformation – Warum ich konvertiert bin" nennen Sie auch die Frauenordination. In der römisch-katholischen Kirche sind die Frauen nach wie vor nicht gleichgestellt.

Die Frauenordination war für mich nicht der wichtigste Grund zu konvertieren. Mir war es als katholische Theologin immer wichtig, dass Frauen Priesterinnen werden können. Ich meine, dass Frauen und Männer gleichermaßen berufen sein können.

1995 war ich auf eine Tagung in Washington. Da ging es um die Frauenordination in der katholischen Kirche. Elisabeth Schüssler Fiorenza, eine wichtige feministische Theologin, hat da gemeint, dass sich zuerst das Amtsverständnis ändern müsse,um für Frauen interessant zu werden. Da war die Abgehobenheit des Priesters vom Kirchenvolk gemeint. Ich habe mich nie zur katholischen Priesterin berufen gefühlt. Wichtig ist, dass das Amt nicht so herausgehoben ist. Die evangelische Gemeinde verteilt die Aufgaben unterschiedlich, wo natürlich der/die Pfarrer/in eine wichtige Rolle spielen.

Wie geht es Ihnen bei Ihrer Arbeit als Pfarrerin von Simmering?

In Simmering, am Stadtrand von Wien, spielt sich die gesamte Bandbreite des sozialen Lebens ab. Wir haben alleinerziehende Mütter, die am Ende des Monats nicht wissen, wie sie den Kühlschrank füllen sollen. Und in der Kirchenbank sitzen sie neben einem Universitätsprofessor, einer pensionierten Lehrerin, neben einem Asylwerber oder einer Arzthelferin. Wo gibt es das noch in der Gesellschaft, dass diese verschiedenen Gruppen zusammenkommen, weil sie etwas Drittes, nämlich der Glaube verbindet? Bei uns in Simmering funktioniert das, darum bin ich ausnehmend gern hier Pfarrerin.

Die soziale Situation und die Armutsbetroffenheit sind eine große Herausforderung.

Wir sind nun zunehmend damit konfrontiert, dass Menschen aus religiösen Gründen geflüchtet sind und hier Anschluss an die christliche Gemeinden suchen und auch Mitglied werden wollen. Diese Erfahrung betrifft auch katholische Pfarren. Es gibt hier zunehmend Probleme im Asylverfahren. Die Behörden führen richtiggehende Glaubensprüfungen durch. Sie beurteilen, ob diese Person zu Recht konvertiert ist oder nicht und ob das eine Scheintaufe war. Das bewegt mich als Pfarrerin sehr.

Sie empfinden diese Vorgangsweise als unfair?

Nicht als unfair, sondern dass die Behörden sich anmaßen etwas zu beurteilen, das in der Kompetenz der Religionsgemeinschaften liegt. Sie schreiben den Menschen vor, was diese bei so einem Gespräch an inhaltlichen Dingen wissen und erklären können müssen, damit man ihnen glaubt, dass sie wirklich Christen sein wollen. Das hat aber nicht die Behörde vorzuschreiben.

Sollte man die Pfarren in diese Beurteilung miteinbeziehen?

Man soll die Glaubensprüfungen unterlassen. Es wurde zum Beispiel einmal gefragt, was am Kreuz Christi gestanden ist. Kann man daraus wirklich schließen, ob dieser Mensch gläubig ist oder nicht? Für mich als Pfarrerin ist das auch heftiger Vorwurf. Nämlich dass ich den Betreffenden nur zum Schein getauft habe.

Sie unterstützen diese Menschen?

Es geht nicht um Unterstützung, sondern darum, eine offene Gemeinde zu sein. Christsein ist nicht auf eine bestimmte Nation festgelegt, sondern es verbindet uns weltweit. Wenn jemand sein Christsein in Österreich leben will, dann soll das möglich sein, wenn er das zu Hause nicht machen kann und deswegen verfolgt wird.

Unsere Aufgabe als Gemeinde ist es zu sagen, bei uns könnt ihr euren Glauben leben. Sie erleben hier Gemeinschaft, das ist für viele neu. Sie können vertrauen, sie sind angenommen. Sie müssen nicht Sorge haben, dass sie bespitzelt werden.

Es geht nicht um Unterstützen oder Helfen, sondern um Zugehörigkeit. Viele Gemeinden in ganz Österreich machen das mit großem Engagement und einer großen Freude.

Kommentare