Oberbank-Boss: „2023 wird positiv überraschen“

Franz Gasselsberger, Generaldirektor der Oberbank
Die wirtschaftlichen Fakten sind besser als die Stimmung. Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger rechnet mit einer dauerhaften Inflationsrate von drei bis vier Prozent.

Franz Gasselsberger (63) ist seit 1983 Mitarbeiter der Oberbank und seit 2005 ihr Generaldirektor. Die Bilanzsumme der Bank betrug 2021 27,5 Mrd. €., der Gewinn vor Steuern 282 Mio. €. 2.152 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in 178 Geschäftsstellen in fünf Ländern beschäftigt.

KURIER: Wie wird das neue Jahr?

 

Franz Gasselsberger: Es wird sich besser entwickeln, als die Wirtschaftsforscher derzeit voraussagen. Denn die Forscher sind mit ihren Prognosen immer zu spät. Sowohl beim Aufschwung als auch beim Abschwung. Aus den Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, dass die Faktenlage besser ist als die Stimmung.

Die Liquiditätssituation der Unternehmen ist sehr zufriedenstellend, weil sie in den vergangenen zehn Jahren einen starken Polster an Eigenkapital aufgebaut haben. Das Kreditrisiko ist nach wie vor gering.

Obwohl die Kreditzinsen steigen?

Wir werden 2023 einen bemerkenswerten Reallohnzuwachs sehen, der den Konsum stärken wird. Er erreicht eine Höhe, an die ich mich gar nicht erinnern kann. Die Kollektivvertragsabschlüsse sind sehr hoch, höher als in Deutschland. Sie sind für die Unternehmen eine Herausforderung. Dazu kommen noch die Energieunterstützungsboni und die Abschaffung der kalten Progression.

Wichtig sind Begleitmaßnahmen, die die Stimmung verbessern können. Ein Absinken der Inflation, was sich viele Menschen derzeit nicht vorstellen können. Wir haben eine etwas schwächere Konjunktur, rückläufige Rohstoffpreise, die Lieferketten kommen wieder in Schwung, die Frachtkosten sind eingebrochen.

Die Gehaltsabschlüsse treiben die Inflation noch. In Summe wird es zwar zu einer Wirtschaftsabschwächung kommen, aber ich glaube nicht an die Rezession. Wir werden ein passables Jahr 2023 erleben, auch wenn sich das im Moment nicht viele vorstellen können. Viele Menschen neigen dazu, die momentane Situation in die Zukunft zu prognostizieren. 2023 wird positiv überraschen.

Die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Bekämpfung der Inflation wirken sich negativ auf den Immobilienmarkt und den Hausbau aus. Im Oktober und November ist die Anzahl der Wohnbaufinanzierungen um die Hälfte zurückgegangen. Die Finanzmarktaufsicht hat die Regeln für die Kreditvergabe verschärft. Sind diese zu scharf, wie manche Bankmanager kritisieren?

Sie sind in Summe nicht zu scharf. Ich rede hier etwas gegen den Mainstream. Das, was die Finanzmarktaufsicht als verbindliche Regeln erklärt hat, hatte vorher Empfehlungscharakter. 20 Prozent Eigenmittel, Kreditlaufzeit 35 Jahre, maximal 40 Prozent des Haushaltseinkommens darf für die monatliche Kreditrate verwendet werden, das sind vernünftige Rahmenbedingungen. Das eine oder andere muss man reparieren.

Dass die Kreditnachfrage eingebrochen ist, hatte andere Gründe. Die teuren Immobilienpreise, die gestiegenen Lebenshaltungskosten, etc. Dieser Cocktail hat dafür gesorgt, dass die Party mit Wachstumsraten im Wohnbau von acht bis zehn Prozent vorbei ist. Nach einer Schockphase wird es im Frühjahr zu einer Normalisierung kommen.

Wie positioniert sich die Oberbank strategisch?

Wir setzen unser auf ertragsreiches Wachstum aufgebautes Geschäftsmodell fort. Wir stärken konsequent unser Eigenkapital. Hier liegen wir bei knapp 18 Prozent. Wir zählen zu den bestgerateten Banken Österreichs. Wir haben 2022 ein hervorragendes Ergebnis erwirtschaftet. Wir setzen auf Wachstum durch Gründung von Filialen.

Hauptsächlich für Geschäftskunden in Deutschland?

Das ist hauptsächlich in Deutschland, wo wir den Mittelstand servicieren. Wir sind, etwas unbeachtet, aber doch mit 50 Filialen in zehn Bundesländern vertreten. Wir haben im vergangenen Jahr in Köln, und Düsseldorf eröffnet, wir sind dabei, in Magdeburg und Kassel Filialen zu gründen. Wir sind auch in Potsdam vertreten.

Die anderen großen Themen sind Personal, die Digitalisierung und die Investition in die Nachhaltigkeit.

Hat Ihr Unternehmen ebenfalls wie viele andere Probleme, genügend qualifiziertes Personal zu bekommen?

Auch wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen. Wir haben mittlerweile gute Antworten gefunden. Es genügt nicht, mehr social benefits anzubieten oder die Arbeitszeit auf eine Vier-Tage-Woche zu verkürzen.

Das Wichtigste ist, in die Qualität der Führungskräfte zu investieren. Nur so schafft man eine entsprechende Mitarbeiterbindung. Wir haben eine Fluktuation, die deutlich unter der der österreichischen Banken liegt. Es hat wenig Sinn, sich auf der einen Seite Leute vom Markt zu holen, wenn sie dir auf den anderen Seite davonlaufen. 90 Prozent der Führungskräfte können wir aus den eigenen Reihen besetzen.

Ich bin stolz darauf, dass wir bereits 28 Prozent der Führungskräfte bereits mit Frauen besetzen können. Als wir vor vier, fünf Jahren die Frauenquote eingeführt haben, wurde ich belächelt.

Sie werden nicht belächelt, sondern daran gemessen. Ihr vierköpfiger Vorstand besteht bis heute ausschließlich aus Männern. Wo sind die Frauen?

Es wird die Zeit kommen. Es steht der Oberbank gut an, dass es im Vorstand eine Frau gibt.

Seit mehreren Jahren zieht sich der Konflikt mit ihrem 30-Prozent-Miteigentümer Bank Austria/Unicredit hin. Er will mehr Einfluss, Sie befürchten hingegen eine Zerschlagung der Bank.

Dieser Konflikt wird vom Markt relativ wenig wahrgenommen. Wir sind im vierten Jahr der Auseinandersetzung. Wir haben alle wesentlichen Verfahren gewonnen. Wir sind uns unserer Rechtsposition sehr, sehr sicher. Wir sehen mit einer gewissen Zuversicht der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Quartal entgegen.

Die Kurse der Banken steigen an den Börsen, da ihnen die Zinserhöhungen zugutekommen kommen.

Der Zinsertrag wird 2023 den Banken in der Ertragslage helfen. Weil man sowohl auf der Kredit- als auch auf der Anlageseite etwas verdient. Das war nun zehn Jahre lang nicht der Fall. Man hat nur an der Zinsspanne auf der Kreditseite verdient. Die jetzige Zinssituation hilft sowohl den Banken als auch den Kunden.

Auf welches Niveau sollten die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) steigen? Manche Experten meinen, es müsse unbedingt eine wirtschaftliche Rezession, verursacht durch zu hohe Zinsen, vermieden werden.

Das Wichtigste, das die Notenbank im Auge haben sollte, ist die Kaufkraft der Währung. Das hat die EZB jahrelang nicht getan. Vor Weihnachten hat die EZB-Präsidentin Christine Lagarde einen Schwenk vollzogen, mit dem der Markt nicht gerechnet hat. Der Markt erwartete Zinssenkungen im Laufe des Jahres. Jetzt muss man sehr aufpassen, dass man nicht versucht, durch Zinsübertreibungen Versäumtes aufzuholen.

Ich bin aber nicht beunruhigt, weil ich glaube, dass ein gewisser Pragmatismus greifen wird. Spätestens dann, wenn man sieht, dass die Inflation sich stärker abschwächen wird als die prognostizierten sechseinhalb Prozent. Dann hätte Frau Lagarde wieder mehr Spielraum, die Zinsen doch nicht so stark erhöhen zu müssen. Jetzt müssen wir uns einmal darauf einstellen, dass der Leitzinssatz bei 3,25 bis 3,5 Prozent zu liegen kommen wird. Damit kann man gut leben und er ist ein probates Mittel, um die Inflation etwas abzusenken.

Damit wird man aber das Zwei-Prozent-Ziel nicht erreichen. Das bedeutet, dass wir mit einer dauerhaften Inflation von drei bis vier Prozentpunkten rechnen müssen.

Die Zwei-Prozent-Ansage sowohl von der amerikanischen FED als auch von der EZB hat mich überrascht. Mit einer Inflation von drei bis vier Prozent könnte man sehr gut leben. Es ist die Ideal-Inflationsrate. Die EZB hat jahrelang versucht, die Inflation auf über zwei Prozent zu heben. Das ist ihr nicht gelungen. Eine Inflation von drei bis 3,5 Prozent impliziert ein starkes Wachstum. Damit könnte das Kapital durch Anleihen erhalten werden, die derzeit bei vier Prozent rentieren.

Welche Anlageempfehlungen geben Sie Kunden, die Sie um Rat fragen?

Die Anlagepalette ist so breit, wie schon lange nicht mehr. Der Kunde bekommt jetzt für Einlagen Zinsen, die er jahrelang nicht mehr bekommen hat. Ich empfehle, an Anleihen nicht achtlos vorüber zu gehen. Durch die Niedrigzinspolitik und die starke Geldexpansion ist dieses Produkt einfach vom Markt genommen worden.

Jetzt kann man mit einer fünfjährigen Laufzeit in solide Adressen durchaus vier Prozent bekommen. Wenn man bedenkt, dass die Inflation auf drei Prozent fällt, ist das eine Möglichkeit, den realen Wert des Kapitals zu erhalten.

Als dritte Variante führt kein Weg an Aktien vorbei. 2023 wird ein spannendes Aktienjahr werden. Bis Jahresmitte können wir eine Seitwärtsbewegung sehen, denn es fehlen die Treiber für Kursgewinne. Die Treiber wären sinkende Zinsen, das dürfte kurzfristig nicht der Fall sein.

Das Zweite wären steigende Unternehmensgewinne, das Dritte, dass es keine Alternativen zu Aktien gibt. Alle drei Faktoren sind im Moment zu relativieren. Hier braucht es Geduld. Die Anleger haben etwas Gegenwind. Wenn man sich aber die Börsenentwicklung der ersten Tage des neuen Jahres ansieht, schaut die Situation anders aus. Ich bin schon gespannt, wie aus Gegenwind Rückenwind wird. Vielleicht schlägt sich der von mir angesagte Optimismus schneller in einer positiven Börsenlage nieder.

Wie legen Sie selbst an?

Ich bin in der Oberbank, in der voestalpine, und in festverzinslichen Wertpapieren engagiert. Natürlich braucht man auch Liquidität für Unvorhergesehenes.

Oberbank-Boss: „2023 wird positiv  überraschen“

1600 Gäste kamen Mittwochabend  zum Neujahrsempfang der Oberbank. Festredner war der ehemalige deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier. V. li.: Altmaier, Staatssekretärin Claudia Plakolm, Franz Gasselsberger, Landeshauptmann Thomas Stelzer und der Linzer Bürgermeister Klaus Luger 

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