"Richtiges Essen senkt Krebsrisiko um bis zu 40%"

Ernährungswissenschaftlerin Ingrid Kiefer beim KURIER-Interivew.
Richtige Ernährung ist ein ganz entscheidender Faktor für die Gesundheit. Sie schützt vor Krebs, verzögert Demenz,verhindert Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Der Lebensmittelhandel und die Gebietskrankenkasse haben die Aktion Gesundes im Wagerl gestartet, um zu einem gesünderen Einkaufs- und Ernährungsverhalten anzuregen. Ingrid Kiefer coacht sie. Die 50-Jährige stammt aus Unterlaussa (Gemeinde Weyer), ist Ernährungwissenschafterin und Gesundheitspsychologin. Sie leitet den Bereich Risikokommunikation in der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES).

KURIER: Welchen Einfluss hat das Essen auf die Gesundheit?Ingrid Kiefer: Einen ganz großen, aber nicht den alleinigen. Es gibt ernährungsabhängige Krankheiten wie Nahrungsmittelallergien oder schwerer Vitaminmangel. Bei allen anderen nimmt die Ernährung einen gewissen Anteil ein. Da spielen die Genetik, der andere Lebensstil etc. eine Rolle. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Übergewicht und Demenz. Der Ernährungsanteil ist nicht bei jeder Krankheit gleich groß.

Wie ist der Einfluss der Ernährung auf den Krebs?

Es gibt hier nur Schätzungen. Die niedrige liegt bei 29 Prozent. Das heißt, 29 Prozent der Krebsneuerkrankungen könnten durch richtige Ernährung vermieden werden. Die hohe Schätzung liegt bei 40 Prozent. Besonders hoch ist der Einfluss der Ernährung beim Dickdarm-, beim Magenund beim Speiseröhrenkrebs.

Besonders schlecht soll rotes Fleisch sein.

Rotes Fleisch wie Schweine- oder Rindfleisch sind ein Risikofaktor. Man vermutet, dass eine übergroße Aufnahme von Eisen, das im roten Fleisch vorhanden ist, verantwortlich ist für Darmkrebs. Beim Magenkrebs gilt Salz aus Auslöser, zum Beispiel durch Gepökeltes. Der Magenkrebs ist in Österreich rückläufig, weil wir heute in den Kühlschränken alles gut kühlen können. Früher hat man vieles in Salz eingelegt, um es haltbar zu machen.

Beim Brustkrebs spielt der Fettanteil eine große Rolle. Die gesättigten Fettsäuren, die hauptsächlich im tierischen Fett vorhanden sind, sind hier die Bösen. Daran sieht man, wo die Hauptprobleme in der Ernährung sind: Salz und Fett.

Bei Übergewichtigkeit ist die positive Energiebilanz der Risikofaktor. Es werden mehr Kalorien konsumiert als verbraucht werden. Das kann in Form von Zucker oder Fett sein, je nachdem, wie die tägliche Ernährung zusammengesetzt ist.

In welcher Art und Weise beeinflusst die Ernährung die Demenzerkrankungen?

Die Omega-3-Fettsäuren sind günstig und schützen. Sie sind in den Fischen und im Raps-, Lein- und Walnussöl enthalten. Diese Öle sind die Alternativen zu fettem Fisch. Laut österreichischer Ernährungsempfehlung soll man ein Mal in der Woche einen Meeresfisch essen und ein Mal einen österreichischen Fisch. Wenn man den Meeresfisch nicht isst, soll man eines der drei Öle konsumieren. Täglich einen Esslöffel.

Kann man dadurch Demenz verhindern?

Nein, verhindern kann man sie nicht. Die Omega-3-Fettsäuren sind sehr gut, aber auch Pflanzenschutzstoffe, die Antioxidantien. Das sind zum Beispiel die Vitamine A und C. Sie sind in buntem Obst und Gemüse, der Regenbogen auf dem Teller. Laut aktueller Studienlage kann man Demenz dadurch nicht verhindern, aber um bis zu zehn Jahre nach hinten verschieben. Es geht um zusätzliche Lebensqualität.

Ein Vegetarier hat also eine wesentlich geringere Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, als ein Fleischesser?

Es kommt auf die Art des Vegetariers an. Die Pudding-Vegetarier essen kein Gemüse, sondern Süßspeisen. Sie leben nicht gesünder. Ein Vegetarier mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse, und wenn er auch noch Milchprodukte isst, pflegt eine sehr gesunde Ernährungsweise.

Ein neuer Trend ist die vegane Ernährung. Haben diese Vertreter Mangelerscheinungen?

Ja. Das sehen wir kritisch. Wegen Eisenmangels sind diese Leute oft müde, sie weisen Konzentrationsschwächen auf. Bei Kindern kann es wegen des Eisenmangels zu Defiziten in der geistigen Entwicklung und zu Lernschwierigkeiten kommen. Ihnen fehlt auch B 12, das nur in tierischen Lebensmitteln vorkommt. Wenn jemand im Erwachsenenalter Vegetarier wird, ist das kein Problem, denn wir haben davon über die Jahre relativ viel im Körper gespeichert.

Viele Menschen wollen sich gesund ernähren, scheitern aber in der Umsetzung. Warum ist die Änderung der Gewohnheiten so schwierig?

Jeder weiß, was er essen sollte...

...und kauft sich trotzdem ein Leberkässemmerl.

Bei der Lebensmittelauswahl spielen viele Faktoren eine Rolle.Wie zum Beispiel der Geschmack und die Verfügbarkeit. Fette und zuckerhaltige Speisen schmecken einfach besser. Ein Käse mit einem hohen Fettanteil schmeckt einfach besser als ein fettarmer. Zudem haben wir eine angeborene Präferenz für Süßes. Je mehr Süßes man isst, umso lieber hat man es.

Gewohnheiten und die Psyche spielen auch eine große Rolle. Man kann Kummeresser sein oder man belohnt sich mit Essen oder es dient zum Stressabbau. Mit Essen kann man sich beruhigen.

Die Verfügbarkeit spielt eine große Rolle. Wenn beim Fernsehen etwas Süßes oder etwas zum Kabbern auf dem Tisch liegt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man hingreift. Wir kommen alle mit einem natürlichen Hunger-Sättigungsgefühl auf die Welt, das die Kinder dann verlernen. Sie merken, dass Essen auch eine andere Funktion hat. Sie werden zum Beispiel gelobt, wenn sie aufessen. Dann essen sie immer über den Sättigungspunkt hinweg.

Welche Möglichkeiten hat man, um die Essgewohnheiten zu ändern?

Zuerst muss man das Wissen haben, was ich falsch mache und was richtig wäre. Wo sind die Hauptprobleme meiner Ernährung? Ist es das Fett, der Zucker? Dann muss ich meine Einstellung ändern. Wenn ich sage, ich darf nur Gesundes essen, dann funktioniert das auch nicht. Nicht von heute auf morgen alles ändern, sondern langfristig kleine Schritte machen. Schauen, wo man Gemüse- oder Obstportionen dazugeben kann. Statt einer Nachspeise ein Stück Obst essen. Ein gutes Angebot hilft bei der Wahl, sich gesunde Produkte zu besorgen. Ob das nun bei einem Schulbuffet ist oder in einem Geschäft. Damit wird es einem auch leichter gemacht.

Um die Energiebilanz auszugleichen, ist auch die Bewegung wichtig.

Sie ist der Schlüssel zum Erfolg. Beim Gewicht auf alle Fälle. Die Bewegungsexperten empfehlen drei Mal in der Woche. Man soll Ausdauer- und Muskeltraining machen.

Der Mensch nimmt ja ganz rasch zu. Wenn er täglich einen Esslöffel Öl zu viel zu sich nimmt, hat er am Jahresende fünf Kilogramm Körperfett zu viel.

Das sind fünf Kilogramm reines Fett.

Damit man ein Kilogramm Fett abbaut, muss man 7000 Kilokalorien verlieren.

Einsparen. Oder Verbrauchen. Die Kombination von beidem ist ideal.

Ihre Organisation will die Verwendung von Salz bei den Produkten der Bäcker um 15 Prozent reduzieren.

Man weiß, man kann Salz um 15 Prozent ohne Geschmackseinbuße reduzieren. Man darf nicht zu viel auf einmal tun, sondern nur schrittweise reduzieren. Es haben sich 150 Bäcker dieser Initiative angeschlossen.

Wie lauten Ihre Ernährungsempfehlungen?

Die Experten aller Bereiche haben die Ernährungspyramide entwickelt. Die Basis sind Gemüse und Obst mit fünf handflächengroßen Portionen täglich. Dann kommen Getreideprodukte. Sie waren früher die Basis. Nur wir machen keine Bewegung mehr. Für Sportler kann Getreide immer noch im Vordergrund stehen. Aber Nudeln, Reis, Kartoffeln bringen zu viele Kalorien in Relation zu unserer Bewegung.

Dann kommen die Milchprodukte und auf der vierten Ebene Fisch, Fleisch und Öle. Ganz oben sind Süßigkeiten, Knabbergebäck. Verbote gibt es keine mehr, denn wenn man etwas verbietet, wird es wesentlich interessanter.

Kommentare