Nach Tod von Neugeborenem: Schuldspruch gegen Arzt

Nach Tod von Neugeborenem: Schuldspruch gegen Arzt
Frau verlangte bei Geburt mehrmals Kaiserschnitt; Prozess gegen Gynäkologen wegen grob fahrlässiger Tötung und Körperverletzung.

Der Mann wartet mit dem wenige Monate alten Baby vor dem Schwurgerichtssaal. Kurz gibt es Geschrei, dann beruhigt sich der Säugling und schläft im Kinderwagen weiter. Es ist die kleine Schwester von Lukas, der nur acht Tage alt wurde und dessen Tod nun am Landesgericht in Wels verhandelt wurde. 

Am Mittwochabend wurde das Urteil verkündet: Ein Gynäkologe aus dem Krankenhaus Vöcklabruck ist nach der Entbindung, die mit dem Tod des Neugeborenen und einer Uterusruptur der Mutter endete, vom Landesgericht Wels wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu drei Monaten bedingter Haft mit einer Probezeit auf drei Jahre verurteilt worden. Zudem muss er ein Teilschmerzensgeld von 2.500 Euro an die Patientin zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Noch bevor die Verhandlung richtig beginnt, bittet die Mutter, persönliche Worte sprechen zu dürfen, der Richter nickt: „Die Geburt von Lukas war alles andere als schön, seitdem haben wir und vor allem ich schwere seelische und körperliche Schmerzen. Ich bin als Gebärende nicht ernstgenommen, mein Mann ist alleingelassen worden.“ Und wie ging es dann weiter?

Sie sei auf der Intensivstation des Spitals in Vöcklabruck aufgewacht, ohne weitere Infos, wie es ihrem neugeborenen Sohn gehe.

„Das Schlimmste wäre gewesen, wenn unsere fünfjährige Tochter ohne Mama hätte aufwachsen müssen.“ Sie weint, stockt und sagt dann: „Die lebenserhaltenden Maschinen bei Lukas wurden abgedreht, wir haben unser eigenes Kind zu Grabe getragen, das wünscht man niemandem.“

Tod nach Hirnschäden

Es ist ein emotionaler Tag für alle Beteiligten am Landesgericht in Wels: Im Dezember 2021 ist Lukas acht Tage nach der Geburt an schweren Hirnschäden verstorben, die Eltern fühlen sich unzureichend betreut, orten zahlreiche Fehlentscheidungen seitens des medizinischen Personals und klagen den diensthabenden Gynäkologen an. Die Anklage lautet auf grob fahrlässige Tötung und schwere Körperverletzung.

Aufgrund von massiven Fehlentscheidungen und -behandlungen sollen sowohl Mutter als auch Kind schwer verletzt worden sein.

Der Verteidiger des angeklagten Mediziners pocht darauf, dass die Frau ausreichend aufgeklärt worden sei über die Risiken einer Spontangeburt, und fragt nach: „Auf diesem Aufklärungsbogen, der über die Gefahren einer Uterus-Ruptur im Zuge einer Spontangeburt informiert, ist doch Ihre Unterschrift." Dieser Passus sei noch nicht auf dem Dokument gewesen, als sie es unterschrieben habe, sagt die 39-Jährige.

Zu wenig Präsenz des Mediziners

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: Der diensthabende Gynäkologe sei zu wenig anwesend gewesen, zu wenig involviert ins Geschehen. Außerdem seien Wehenbeschleuniger und Schmerzmittel verabreicht worden, die im Falle der Gebärenden, die zwei Jahre davor einen Kaiserschnitt und somit eine Narbe an der Gebärmutter hatte, nur unter Einschränkungen zu empfehlen seien.

Eine schwangere Frau greift sich auf den Bauch.

"Ja, ich wollte zuerst eine Spontangeburt. Währenddessen wurden aber die Schmerzen unerträglich. Ich habe mehrmals einen Kaiserschnitt gefordert und geschrien: 'Schneidet mich bitte auf, da passt was nicht!', aber niemand hat mich ernstgenommen."

Im Gegenteil, es sei sogar noch eine Geburt per Saugglocke versucht worden, erfolglos. Schlussendlich musste ein Not-Kaiserschnitt durchgeführt werden.  Das Baby - "unser Lukas" - erlitt massive Gehirnschäden, an denen er acht Tage später verstarb, die Frau wachte am Tag nach der Geburt auf der Intensivstation auf.

"Es ist ein Martyrium"

Ob sie den schildern könne, wie es ihr nach den Erlebnissen gehe?, fragt der Anwalt. Die dreifache Mutter schluckt und hält die Tränen zurück: "Wir haben seitdem versucht, weiterzuleben, werden aber täglich an Lukas erinnert. Es ist ein Martyrium." Sie sei nach wie vor in psychologischer Betreuung.

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