Hitlerbilder in Chatgruppen
Die Pensionistin macht regelmäßig Führungen durch das ehemalige Konzentrationslager. Oft auch mit jungen Menschen, die nicht freiwillig hier sind. Etwa dann, wenn sie in Chatgruppen Hitlerbilder verschickt oder Hakenkreuze geschmiert haben und somit mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Sind sie jünger als 21 Jahre, stehen die Chancen gut, dass das Gericht sie zu einem Besuch im Konzentrationslager verpflichtet. Sind die Täter älter, kommt diese Maßnahme nicht infrage – eine wichtige Voraussetzung ist, dass sich die Nazi-Ideologie nicht in den Köpfen verfestigt hat.
70 bis 80 Jugendliche und junge Erwachsene kommen jährlich deshalb nach Mauthausen. Mehrere Stunden müssen sie sich (einzeln) mit der Geschichte befassen und mit einer wichtigen Frage: Wie war es möglich, dass hier rund 90.000 Menschen inmitten der Gesellschaft ermordet wurden?
An diesem Tag wird Elfie Hackl keine Jugendlichen durch das Konzentrationslager führen. Diesmal sind es ehrenamtliche Bewährungshelferinnen (nur ein Teilnehmer ist diesmal männlich) des Vereins Neustart, die die Jugendlichen auf den Besuch vorbereiten – und danach das Erlebte mit ihnen aufarbeiten.
Eines stellt Hackl schon von Anfang an klar: „Wir zeigen keine Leichenbilder. Von dieser Schocktherapie haben wir uns verabschiedet.“ Vielmehr beantwortet sie Fragen. Regt zum Nachdenken an. Erzählt von der Bäuerin, die in Sichtweite des Steinbruchs lebte, in dem unzählige Menschen starben. Sie hatte Anzeige erstattet, weil sie nervlich nicht in der Lage war, zuzuschauen, wenn die Sterbenden liegengelassen wurden. „War sie mutig?“, fragt Hackl dann – und erntet ungläubige Blicke. „Ich sage ja. Es ist die einzige Anzeige hier, die jemals dokumentiert worden ist.“
Sie erzählt auch von der Gruppendynamik. Von der SS – der Elitetruppe, der sich nur die besten jungen Männer anschließen durften, die plötzlich Ansehen und Macht genossen. „Das ist speziell bei jungen Burschen ein Anknüpfungspunkt“, sagt sie.
Die Kraft der Verzweiflung
Sie erzählt von den Insassen, über die erzählt worden war, dass es sich allesamt um Schwerverbrecher handeln würde, die Zwangsarbeit leisten müssten. Ohne Heizung, ohne Medizin, mit Willkür, Mord, wenig Nahrung. Und trotzdem keimte bei manchen die Kraft der Verzweiflung: „Diesen Tag schaffe ich noch.“
Und sie erzählt von den Bewohnern rundum, die sahen, hörten, rochen und wussten, was sich hinter den Mauern von Mauthausen abspielte – und es hinnahmen.
Was bei den Jugendlichen bleibt? „Die meisten bedanken sich. Und wenn ich frage, was sie tun, wenn sie wieder solche Bilder geschickt bekommen, dann sagen manche: ,Der kann sich was anhören!‘“, sagt Hackl.
Bewusstsein schaffen – das ist auch die Aufgabe der Bewährungshelferinnen. „Der emotionale Zugang verankert sich“, sagt Doris Wagner. „Wenn wir meinen, da ist etwas gelungen, dann ersuchen wir um Aufhebung der Bewährungshilfe“, erklärt Josef Landerl, Leiter von Neustart Oberösterreich. Meistens funktioniert es.
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