Hitlerhaus: Architektur lässt Geschichte nicht verblassen

Hitlerhaus: Architektur lässt Geschichte nicht verblassen
Der Verein "Diskurs Architektur" kritisiert den Umgang des Innenministeriums mit Hitlers Geburtshaus in Braunau.

Manch ein Erbe wiegt schwer. So auch das von Hitlers Geburtshaus: Nur drei Monate verbrachte Adolf Hitler in dem Gebäude mit der Adresse Salzburger Vorstadt 15, 5280 Braunau am Inn. Wie damit umzugehen ist, darüber reißen die Diskussionen aber bis heute nicht ab.

Ein Gedenkstein wurde aufgestellt, die ursprünglichen Eigentümer enteignet und sogar der Abriss des Gebäudes stand im Raum. Schlussendlich hat sich das Innenministerium dagegen entschieden und stattdessen einen Architekturwettbewerb ausgerufen. Schon 2020 ging das Vorarlberger Architekturbüro „Marte.Marte“ mit einem schnörkellosen Umbau als Sieger hervor. Ganz im Sinne der Ausschreibung, die eine „Neutralisierung“ des Gebäudes verlangte.

Der Verein zur Förderung von Diskurs in der Architektur, eine Gruppe junger Architektinnen, übt nun aber genau an dieser vom Innenministerium geforderten „Neutralisierung“ Kritik (Hier geht es zur Publikation des Vereins). Ziel des Wettbewerbs ist laut Verein nämlich, die Erinnerung an die Zeit des Nationalsozialismus zu beseitigen. So weit, dass im Siegerentwurf für die Umgestaltung sogar der am Gehsteig von der Gemeinde angebrachte Gedenkstein verschwindet.

Kritische Auseinandersetzung

Für den Verein ist das problematisch: „Diese Neutralisierung steht einer angemessenen kritischen Auseinandersetzung konträr gegenüber“, sagt Vereinsobfrau Anna Paul. Eine ausreichende inhaltliche Diskussion darüber, was mit dem Haus passieren soll – nämlich nicht nur in Form eines Architektur-, sondern auch eines Ideenwettbewerbs – gab es laut dem Verein nicht.

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Auf dem Entwurf des Siegerprojektes ist  der am Gehsteig angebrachte Gedenkstein nicht zu sehen

Das Innenministerium verweist dazu auf die „Kommission zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“, die eine „sozialkaritative oder behördlich-administrative Nutzung“ des Gebäudes empfohlen hat. Und genau das wird passieren: Die Polizei zieht in das Haus ein. Ähnlich hat man das in München gelöst. In Hitlers einstige Mietwohnung am Prinzregentenplatz zog ebenfalls die Polizei ein.

Rechtsextreme

Ob es reicht, den rechtsextremen Pilgern nur eine Polizeistation in einem schlichten Gebäude entgegenzuhalten, darüber sind sich die vom Verein zu einer Diskussion geladenen Expertinnen und Experten aus Geschichte und Architektur nicht einig. Denn egal, was mit dem Haus passiere, die rechtsextremen Pilger kämen ohnehin. „Sie würden auch kommen, um eine Lücke zu sehen“, sagt der Braunauer Historiker Florian Kotanko. Sinnvoller als eine „neutrale Gestaltung“ des Gebäudes sei demnach, eine Dauer-Installation mit antifaschistischen Botschaften an der Fassade anzubringen. „Damit auf jedem Foto des Hauses diese Botschaften zu lesen sind“, so die Experten.

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Eindrücke der Präsentation der Publikation des Vereins "Diskurs Architektur" samt Diskussionsrunde

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Hitlerhaus: Architektur lässt Geschichte nicht verblassen

Das Innenministerium beruft sich in diesem Punkt auf das Enteignungsgesetz: Der Bund sei verpflichtet, das Gebäude einer Nutzung zuzuführen, die die „Pflege, Förderung oder Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts oder eines bejahenden Gedenkens an den Nationalsozialismus“ unterbindet. Eine Beschriftung sei somit nicht möglich, heißt es aus dem Innenministerium.

In Kontrast dazu steht der Mahnstein, der sich vor dem Haus auf dem Gehsteig befindet. Der nämlich bleibe, so Johannes Waidbacher, Bürgermeister von Braunau (ÖVP). Mit den „architektonischen Ausprägungen“ des Umbaus habe die Gemeinde aber wenig zu tun. „Manche Bürger hätten sich vielleicht gerne mehr beteiligt, schlussendlich sind aber viele froh, dass es jetzt einen Plan für das Gebäude gibt“, sagt der Bürgermeister.

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Der am Gehsteig angebrachte Gedenkstein

Konkrete Lösungsvorschläge, was idealerweise mit dem Haus passieren sollte, können aber auch die Architektinnen und die Experten nicht liefern. Dazu müsste man die Diskussion von vorne beginnen. Dass sich an den Plänen noch etwas ändert, ist unwahrscheinlich: Der Baubeginn für die Polizei-Inspektion ist für Herbst avisiert. „Aber vielleicht können wir daraus etwas lernen“, fügt der Braunauer Historiker Florian Kotanko hinzu. Schließlich ist dieses Haus nicht das einzige Erbe, das schwer wiegt.

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